Eine verschworene Gemeinschaft

Von Thomas Wagner |
Sie haben Freunde in aller Welt. Und sie sind Technik-Freaks durch und durch. In Deutschland gibt es rund 75.000 lizensierten Funkamateure. Am Wochenende trafen sich 18.000 Funker in Friedrichshafen am Bodensee zur größten europäischen Amateurfunkmesse "Ham Radio".
"Es ist einfach interessant: Man kann so schnell Verbindungen zu weiten Entfernungen aufbauen: Amerika, China, man kann mit allen möglichen Nationen reden. Man hat das Feeling, auf einmal mit jemandem verbunden zu sein, den man eigentlich gar nicht kennt und sich einfach mit dem zu unterhalten. Es fasziniert einfach alles. Funkamateure haben Freunde auf der ganzen Welt."

Manuel Kiechle aus Friedrichshafen hat mit seinen 18 Jahren gerade die Amateurfunk-Lizenz gemacht. Der Test ist schwieriger gewesen als so manche Klassenarbeit: Wie ein Kurzwellen-Empfänger funktioniert, wie man Widerstände ausrechnet, wie Antennen richtig abgestimmt werden – all das müssen Funkamateure wissen. Doch wer die Prüfung schafft, dem steht die ganze Welt offen:

"Ich heiße Gerd – Golf, Echo, Romeo, Tango. Gert der Name. Und der Standort ist Wolffen, Whiskey-Oscar-Lima-Fox-Echo-November. Das liegt 30 Kilometer nördlich von Leipzig. So, Mikrofon zurück. – Delta-Lima-eins-Whiskey-Golf zurück von Delta-Kilo-Zero-Foxtrott-November. Roger, Gerd, alles ist angekommen. Rapport ist fünf, fünf bei uns in Friedrichshafen. Und die QSL-Karte schicke ich Dir – ist kein Problem."

"Ja also ich bin der Henry. Mein Rufzeichen ist Delta-Lima-neun-Alpha-Delta, und ich benutze hier die Clubstation in Friedrichshafen. Ich habe hier gerade auf dem 20-Meter-Band gesprochen, das ist Kurzwelle. In diesem Jahr ist es ziemlich schwierig, zu funken: Wir haben gestern, vorgestern große Gewitter gehabt. Und knistert es in dem Funkgerät ziemlich viel. Wie sagt man da so schön in unserer Funkamateur-Sprache: Zu viel QRM und so weiter."

Henry Ulfig, Funkamateur aus Hannover, ist schon seit Jahrzehnten, wie die Funkamateure sagen, "QRV", also empfangsbereit, und auf Sendung. Er hat im Amateurfunk ebenfalls seine große Leidenschaft entdeckt.

"Das macht mir richtig Spaß. Mich interessiert die Technik; seit 30 Jahren mache ich das. Wenn man zuhause gute Funkanlagen hat und gute Antennen, da kann man erst einmal Telefonkosten sparen. Da geht man über die Antenne nach Südamerika, Australien oder Neuseeland zum Beispiel. Ich spreche mehrere Sprachen fließend, also fünf. Und mir macht das Spaß, wenn ich diese Gespräche führe per Funk."

Günter Zellmer aus Berlin ist ein "Morsefan". Telegrafie nennen die Funkamateure diese Betriebsart, bei der sich die Funkamateure mit simplen Morsezeichen verständigen.

"Durch das Morsen kann ich mit der ganzen Welt kommunizieren. Ich brauche keine Sprachen kennen. Ob es Italiener ist oder Franzose: DM heißt immer guten Morgen, auch für uns, DR heißt immer ‚lieber’. Ob das ein Japaner ist oder ein Chinese – es ist alles gleich."

Morsefans wie Günther Zellmer entwickeln geradezu einen sportlichen Ehrgeiz. Je mehr Zeichen pro Minute, desto besser.

"200 bis 300 – da gibt es schon welche, ich nicht. Mein Tempo ist vielleicht 140, 150. Ich mach das schon seit 60 Jahren."

Und dennoch: Die Hand des Berliner Funkamateurs zittert kein bisschen, wenn er die elektronische Morsetaste präzise hin- und her bewegt. Die einen schätzen den Sprechfunk, die anderen das Morsen – und dann gibt es noch welche, denen ist das alles noch nicht kompliziert genug:

Längst haben die Funkamateure zu den Sternen gegriffen: Rund 50 Amateurfunk-Satelliten wurden seit Anfang der 70er Jahre in eine Erdumlaufbahn geschossen. Sie ermöglichen Verbindungen der besonderen Art.

"Also die UKW-Wellen haben ja nur die Charakteristik, sich quasi optisch auszubreiten, dass heißt mehr oder weniger hinterm Horizont, nach ein paar Hundert Kilometern maximal, kann man die nicht mehr empfangen. Das kennt man vom normalen Rundfunk und Fernsehen her. Und wenn man auf diesen UKW-Wellen Entfernungen überbrücken möchte, die wesentlich größer sind, braucht man Relaisstationen. Und diese Relaisstation ist im Falle der Satelliten eben sehr hoch, beispielsweise in 30.000 bis 60.000 Kilometer Entfernung. Das heißt: Diese Relaisstation sieht dann mehr oder weniger die halbe Erde. Und wenn man diese Relaisstation über den Boden anspricht, kann man Kommunikation über den halben Erdball betreiben."

Weiß Hartmut Pässer vom Verein Amsat e.V. Deutschland. Darin haben sich Funkamateure dem Ziel zusammengeschlossen, Amateurfunksatelliten zu bauen und zu betreiben – zu Kosten, von denen kommerzielle Satellitenbetreiber nur träumen können.

"Also erst einmal machen wir das über ehrenamtliche Arbeit. Nichts desto trotz muss man die Sache finanzieren: Das geht bei uns größtenteils über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Also wir haben im Moment etwa fünf Millionen Euro investiert."

Und zwar in den jüngsten Amateurfunk-Satelliten namens Amsat-Phase-drei. Der Starttermin steht aber noch nicht fest.

Pop-Musik, die Morsezeichen nachempfunden wurde, heraus gegeben vom Deutschen Amateur-Radioclub, dem Dachverband aller Funkamateure: Die haben, wenn sie mit ihren Handfunkgeräten spazieren gehen oder sich mit dem Lötkolben in ihrem Bastelkämmerlein zurück ziehen, schnell den Ruf des Eigenbrödlers weg – zu Unrecht, wie sie selber betonen. Rainer Hansel ist Funkamateur aus Osnabrück:

"Man kommt viel zusammen. Man unterhält sich mit anderen Funkamateuren, entweder über Funk direkt. Einmal im Monat treffen wir uns vom Ortsverband aus, tauschen Ideen aus, versuchen, irgendwelche Aktivitäten auf die Beine zu stellen."

Kurzum: Vom Amateurfunk geht eine ganz eigene Faszination aus: Begeisterung für Technik und Kontakte mit fremden Ländern verschmelzen mit dem Gefühl, eine eigene, verschworene Gemeinschaft zu sein.