Eine starke Frau

Von Burkhard Birke |
Sie ist das Gesicht des Kampfes der guatemaltekischen Landbewohner: Rigoberta Menchú, die 1992 als bisher jüngste Preisträgerin den Friedensnobelpreis erhielt. Mit ihrem Einsatz für Menschenrechte stand sie allerdings nicht allein. Mit und hinter ihr kämpften und kämpfen andere Frauen.
Sie käme vom Land und sei eine einfache Frau. Der Stolz spricht nicht nur aus Manuela Alvarados Worten: Er lässt sich auch an ihrem entschlossenen Lächeln und ihren warmen, leuchtenden Augen ablesen. Seit Jahren kämpft die 60-jährige gelernte Krankenschwester und Grundschullehrerin für die Rechte ihrer Bevölkerungsgruppe, der Maya Quiché.

Die indigenen Völker stellen rund zwei Fünftel der knapp 13 Millionen Guatemalteken, stehen aber ganz unten in der wirtschaftlichen und sozialen Hierarchie. Nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs knüpften sie besondere Hoffnungen an das zarte Pflänzchen einer Demokratie. 15 Jahre nach Unterzeichnung der Friedensabkommen stellt sich jedoch Ernüchterung ein. Manuela Alvarado:

"Hunger, Armut und Arbeitslosigkeit werden von Tag zu Tag unerträglicher. Schuld daran ist der Neoliberalismus, der in ganz Lateinamerika um sich greift!"

Manuela Alvarado ist keine Ideologin, nur scharfe Beobachterin. Und das, was die Vertreterin der Frauen im Nationalen Friedensrat sieht, bereitet ihr zunehmend Sorge:

"Die Gewalt nimmt wieder zu, besonders gegen Frauen. Gezielte Frauenmorde sind an der Tagesordnung. In den zurückliegenden vier Jahren hat auch die Gewalt gegen die Kraftfahrer zugenommen. Die Bauern auf dem Land werden wieder häufiger Opfer von Gewalt. Ganze indigene Dorfgemeinschaften werden einfach umgesiedelt, vertrieben, um Landflächen zur Produktion von Biotreibstoffen zu bekommen. Und für den Mais, unser wichtigstes Grundnahrungsmittel, gibt es immer weniger Anbauflächen."

Stehen die Gespenster der Vergangenheit wieder auf? Für Manuela Alvarado sind sie nie wirklich verschwunden. Die Kernursachen des Konflikts, die schreiende soziale Ungerechtigkeit und Ausbeutung insbesondere der Quiché Maya auf dem Land wurden nie beseitigt. Zu Zeiten des bewaffneten Konfliktes wurde fast eine halbe Million Campesinos, Bauern, vertrieben, viele flohen ins benachbarte Mexiko.

Damals kämpften Guerillagruppen, Todesschwadrone und das Militär gegen- und miteinander, das Land wurde terrorisiert. Mehr als eine Viertelmillion Menschen verloren ihr Leben und oder werden vermisst.

Heutzutage treiben fragwürdige Privatisierungsgesetze und Megaprojekte die Menschen vom Land in die Elendsviertel der Städte. Zu dem alten, neu aufblühenden Übel gesellt sich ein neues: Drogenbanden treiben ihr Unwesen, halten Guatemala als wichtiges Transitland im Würgegriff. Ein Teufelskreis?

"Die Menschen wünschen sich bessere Lebensbedingungen. Die Grundlage dafür bilden eigentlich die Friedensabkommen, der nationale Plan. Jede Regierung interpretiert diesen jedoch neu und erkennt nicht an, was die Vorgänger, die anderen auf den Weg gebracht haben. Die Kräfte werden nicht gebündelt, um die Wirtschaft des Landes voran zu bringen."

Und vor allem, um den Wohlstand gerechter zu verteilen. Auf dem Wohlstandsindikator der Vereinten Nationen liegt Guatemala auf Rang 131: In der Region schneidet nur Haiti schlechter ab.

So ernüchternd die Bilanz ist: Manuela Alvarado ist entschlossen, weiterzukämpfen: Als Emissärin im Friedensrat, als ehemalige Parlamentsabgeordnete, als Menschenrechtlerin, als gelernte Krankenschwester und Lehrerin und in diesen Rollen als Multiplikatorin - vor allem aber als Frau. Denn Männer zettelten in der Regel die bewaffneten Konflikte an. Die Frauen trügen jedoch maßgeblich dazu bei, dass Gewalt beendet und Frieden dauerhaft gemacht werden könne: Eine Rolle, die, so meint Manuela Alvarado mit einem weisen Lächeln, nur allzu oft unterschätzt würde.
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