Eine Stätte zur Erinnerung an die gemeinsame Nation

Von Winfried Sträter |
Im Jahr 1987 wird das Deutsche Historische Museum gegründet. Doch der Initiator - Bundeskanzler Helmut Kohl - stößt mit seinen Museumsplänen auf Widerstand. Kritiker befürchten, mit dem Museum soll ein Schlussstrich unter die Aufarbeitung des NS-Zeit gezogen werden.
Im Oktober 1987 regiert Helmut Kohl in Bonn. Seit ziemlich genau fünf Jahren. Kohl hatte die "geistig-moralische Wende" angekündigt: eine Neuorientierung nach der 68er Studentenrevolte und der sozialliberalen Koalition.

Den Wahlkampf-Worten folgten keine großen Taten, aber – Helmut Kohl ist Historiker. Ein geschichtsbewusster Kanzler. Mit US-Präsident Ronald Reagan hat er den Soldatenfriedhof in Bitburg besucht, auf dem auch Angehörige der Waffen SS ruhen. Nun kündigt Kohl die Gründung eines Deutschen Historischen Museums an. Was führt der Kanzler im Schilde? Bereitet Kohl die Wiederkehr eines deutschnationalen Geschichtsbildes vor?

Kohls Museumspläne erregen Argwohn und provozieren erbitterte Diskussionen. Die linksliberalen Kohl-Kritiker haben eine fast panische Angst: Sind die Jahre, in denen man sich mit dem Nationalsozialismus offen auseinandersetzte, schon wieder vorbei? Werden die NS-Verbrechen relativiert? Diese Angst speist den Historikerstreit. Und genau in dieser aufgeladenen Atmosphäre gründet Kohl im Oktober 1987 das Deutsche Historische Museum. In Sichtweite des Reichstages wird eine Bronzeplatte enthüllt, die den Museumsbau ankündigt. In die Feier mischt sich Hans-Christian Ströbele mit einer Gruppe Grün-Alternativer und schmettert ein Lästerlied: "Das ist die Berliner Gruft, Gruft, Gruft …" Der Museumsbau soll verhindert werden.

Er rührt an ein Tabu: die deutsche Einheit. 1987 hat man sich mit der Teilung abgefunden. Das Museum dagegen soll die Erinnerung an die gemeinsame Nation wach halten – als Antwort des Westens auf das DDR-Museum der Deutschen Geschichte im Zeughaus Unter den Linden. Kohl setzt allen Kritikern zum Trotz die Museumsgründung durch, und sein Gründungsdirektor Christoph Stölzl beginnt mit dem Aufbau einer Sammlung für den Bau, der gegenüber dem Reichstag errichtet werden soll. Den Architektenwettbewerb für den Neubau gewinnt der Italiener Aldo Rossi. Doch der Baubeginn verzögert sich – nicht zuletzt, weil ab Januar 1989 eine rot-grüne Koalition in West-Berlin regiert.

Diese Verzögerung ist ein Glücksfall. Denn im November 1989 fällt die Mauer. Ziemlich schnell ist klar: das Zeughaus Unter den Linden ist der ideale Standort für das Deutsche Historische Museum.