Eine skandalöse Beziehung
Raymond Radiguet schildert in seinem 1923 erschienenen Roman "Den Teufel im Leib" die Beziehung eines 14-Jährigen mit einer um wenige Jahre älteren und verheirateten Frau. Die Sprengkraft des Textes liegt nicht nur in der Handlung, sondern auch in der moralischen Position sowie der Erzählweise.
Als "Den Teufel im Leib" 1923 erschien, hatte der Verleger Bernard Grasset mit einer großen Werbekampagne, in der er den Autor mit Rimbaud verglich, den Skandal, den das Buch provozierte, gut vorbereitet. Dabei kam ihm die schillernde Gestalt des erst 19-jährigen Raymond Radiguet sehr zu Hilfe, einem Liebling der künstlerischen Avantgarde der Zeit.
1903 als Sohn eines bekannten Karikaturisten bei Paris geboren, ist er zunächst ein begabter Schüler, entwickelte sich aber zu einem passionierten Schwänzer, was ihm einen Schulverweis einbringt. Doch schon 14-Jährig kann er eine erste Geschichte im "Canard enchaîné" publizieren und wenig später für verschiedene Zeitschriften, unter anderem für "Dada" arbeiten. So kommt er in Kontakt und regen Austausch zu André Breton, Tristan Tzara, Eric Satie und vor allem zu Cocteau, mit dem er eine stürmische Beziehung unterhält, doch verlaufen seine Liebschaften mit Frauen wie Béatrice Hastings, einem ehemaligen Modell Modiglianis, kaum ruhiger. Grassets Vergleich mit Rimbaud bewahrheitet sich auf tragische Weise, denn bereits 1924 stirbt Radiguet an Typhus, was sicher nicht unwesentlich dazu beitrug, dass "Den Teufel im Leib" ein Kultbuch wurde und bis heute ist, wozu die Verfilmung mit Gérard Philipe das Ihrige beitrug.
Skandalträchtig ist aber auch der Inhalt des Romans: Ein 15-Jähriger verliebt sich in eine drei oder vier Jahre ältere Frau, Marthe, die 1917 ihren Verlobten, den sie vermutlich in den letzten drei Jahre kaum gesehen hat, während eines Urlaubs von der Front heiratet. Sie beginnt eine zärtliche Freundschaft mit dem jungen Ich-Erzähler, die zu einer leidenschaftlichen Affäre wird. Das eigentliche Skandalon besteht allerdings darin, dass die beiden sich über sämtliche Anstandsregeln hinwegsetzen, bis niemand mehr Marthe grüßt und am Ende nur noch der Gatte ahnungslos den Sohn eines anderen Mannes für den seinen hält.
Die eigentliche Sprengkraft des Textes liegt indes nicht in der Handlung, die kurz nach dem Ersten Weltkrieg zweifellos schockierend wirkte, sondern in der moralischen Position sowie der Erzählweise. So lautet der erste Satz: "Ich werde mir viele Vorwürfe einhandeln. Aber was kann ich dafür? Ist es meine Schuld, dass ich ein paar Monate vor Kriegsbeginn zwölf wurde?" Sofort hören wir den Impetus jugendlicher Rebellion sowie die Missachtung der öffentlichen Meinung, die den Ich-Erzähler charakterisieren. Doch wenn er im Folgenden seine skandalöse Beziehung zu der Frau eines Soldaten im Felde schildert, tut er dies mit größter Analysefähigkeit. Dabei überschreitet er oft die die Grenzen des Zynismus, und man kann kaum glauben, dass es sich tatsächlich um das Werk eines Teenagers handelt.
So müssen wir dem Verlag Hoffmann und Campe dankbar sein, dass er dieses Meisterwerk der Weltliteratur dem deutschsprachigen Publikum in der großartigen Neuübersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel wieder zugänglich macht.
Rezensiert von Carolin Fischer
Raymond Radiguet: Den Teufel im Leib
Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel
Hoffmann und Campe 2007
208 Seiten, 14,95 Euro
1903 als Sohn eines bekannten Karikaturisten bei Paris geboren, ist er zunächst ein begabter Schüler, entwickelte sich aber zu einem passionierten Schwänzer, was ihm einen Schulverweis einbringt. Doch schon 14-Jährig kann er eine erste Geschichte im "Canard enchaîné" publizieren und wenig später für verschiedene Zeitschriften, unter anderem für "Dada" arbeiten. So kommt er in Kontakt und regen Austausch zu André Breton, Tristan Tzara, Eric Satie und vor allem zu Cocteau, mit dem er eine stürmische Beziehung unterhält, doch verlaufen seine Liebschaften mit Frauen wie Béatrice Hastings, einem ehemaligen Modell Modiglianis, kaum ruhiger. Grassets Vergleich mit Rimbaud bewahrheitet sich auf tragische Weise, denn bereits 1924 stirbt Radiguet an Typhus, was sicher nicht unwesentlich dazu beitrug, dass "Den Teufel im Leib" ein Kultbuch wurde und bis heute ist, wozu die Verfilmung mit Gérard Philipe das Ihrige beitrug.
Skandalträchtig ist aber auch der Inhalt des Romans: Ein 15-Jähriger verliebt sich in eine drei oder vier Jahre ältere Frau, Marthe, die 1917 ihren Verlobten, den sie vermutlich in den letzten drei Jahre kaum gesehen hat, während eines Urlaubs von der Front heiratet. Sie beginnt eine zärtliche Freundschaft mit dem jungen Ich-Erzähler, die zu einer leidenschaftlichen Affäre wird. Das eigentliche Skandalon besteht allerdings darin, dass die beiden sich über sämtliche Anstandsregeln hinwegsetzen, bis niemand mehr Marthe grüßt und am Ende nur noch der Gatte ahnungslos den Sohn eines anderen Mannes für den seinen hält.
Die eigentliche Sprengkraft des Textes liegt indes nicht in der Handlung, die kurz nach dem Ersten Weltkrieg zweifellos schockierend wirkte, sondern in der moralischen Position sowie der Erzählweise. So lautet der erste Satz: "Ich werde mir viele Vorwürfe einhandeln. Aber was kann ich dafür? Ist es meine Schuld, dass ich ein paar Monate vor Kriegsbeginn zwölf wurde?" Sofort hören wir den Impetus jugendlicher Rebellion sowie die Missachtung der öffentlichen Meinung, die den Ich-Erzähler charakterisieren. Doch wenn er im Folgenden seine skandalöse Beziehung zu der Frau eines Soldaten im Felde schildert, tut er dies mit größter Analysefähigkeit. Dabei überschreitet er oft die die Grenzen des Zynismus, und man kann kaum glauben, dass es sich tatsächlich um das Werk eines Teenagers handelt.
So müssen wir dem Verlag Hoffmann und Campe dankbar sein, dass er dieses Meisterwerk der Weltliteratur dem deutschsprachigen Publikum in der großartigen Neuübersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel wieder zugänglich macht.
Rezensiert von Carolin Fischer
Raymond Radiguet: Den Teufel im Leib
Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel
Hoffmann und Campe 2007
208 Seiten, 14,95 Euro