Eine Sekunde Ruhm

22.02.2013
Unter dem Motto "Jeder kann es tun" bewies Punk, dass Kunst eben nicht von Können kommt. Die Briten Russ Bestley und Alex Ogg zeigen sich als Kenner der visuellen Seite dieser Musikszene: Sie präsentieren weitgehend unkommentiert Plattencover, Flyer, Plakate, Cartoons und Comics.
Zur inzwischen vier Jahrzehnte umfassenden Geschichte des Punk gibt es seit Anfang des 21. Jahrhunderts schon so einige Bücher, auch einige gute, doch nur sehr wenige beschäftigen sich explizit mit der visuellen Seite. Eines davon stammt von einem der beiden Autoren des Buches.

Die beiden Briten zeigen sich als profunde Kenner, denen es aber etwas an kritischer Distanz fehlt. Ihre chronologische Darstellung führt vom Proto-Punk der frühen 70er-Jahre über New Wave und Post-Punk bis zur gegenwärtigen weltweiten Punkszene. Dilettantismus wird bei diesem Entwicklungsgang zur Methode: Unter dem Motto "Jeder kann es tun" zeigte Punk, dass Kunst eben nicht von Können kommt. Oder wie es Label-Macher Tesco Vee im Buch ausdrückt: "Wir erhielten ein Mittel, um bei minimalem Talent ein Maximum an rebellischem Geist zu entfachen." Und so reduziert sich Andy Warhols Traum von "15 Minuten Ruhm" beim Punk auf drei Minuten, bei manchem Hardcore-Song gar auf eine Sekunde.

Neben der Pop Art gibt es Anleihen bei der Rhetorik der Situationisten, der Grafik des Modernismus, der ätzenden Ironie des Dadaismus, dem Anarchismus als ernsthafter Utopie. Robert Crumb und John Heartfield werden etwa zu Vorbildern in der für den Punk wichtigsten Form: Schriftcollagen wie Erpresserbriefe verwenden viele – die grellen Collagen der Sex Pistols oder die Queen mit Sicherheitsnadeln in der Nase werden zu Ikonen. Zur Entweihung von politischen Symbolen und Figuren dienen außerdem Thatcher und Reagan, aber auch die Metaphorik des Zweiten Weltkrieges.

Cut-and-Paste ist die vorherrschende Methode. Neben Collagen vor allem mithilfe einfachster Kopierverfahren – obwohl anfangs Fotokopieren teurer war als Offsetdruck.

Große Teil des Buches zeigen weitgehend unkommentiert die gängigen Formen wie Plattencover, Flyer, Plakate, Cartoons und Comics - und zunehmend auch deren Einfluss auf Mode, Magazine, Massenmedien, Marketing, Grafikdesign, bildende Kunst und Film.

Etwas aufgeräumt wird dabei mit dem üblicherweise überhöht dargestellten Einfluss des Sex Pistols-Machers Malcolm McLaren. Die Mit-Inhaberin seiner Londoner Boutique ‚Sex‘ – Vivienne Westwood – wird entsprechend zitiert: "Punk ist das wichtigste Ereignis in der Mode der letzten 40 Jahre". Na ja.

Immerhin: Nicht nur sie, auch andere Punks wie Jamie Reid oder Raymond Pettibon wurden zu einflussreichen Künstlern des späten 20. Jahrhunderts. Im gewachsenen Markt sorgen zunehmend krassere Motive und neue Formen wie farbiges Vinyl für Aufmerksamkeit. Design diente dabei auch zur Unterscheidung der aufkommenden Stilvielfalt im Punk. Bis hin zur Allgegenwart seiner visuellen Symbolik: Eine Punkfigur als Abwaschbürste, das T-Shirt der Ramones im Schrank des Bankers, John Lydon, Ex-Sänger der Sex Pistols, wirbt für britische Butter.

Auch da von den Autoren keine Kritik. Denn Punk ist für sie König und damit unantastbar. Ihr Geschichtsbuch wirkt damit für Nicht-Fans doch etwas geschichtsverfälschend.

Besprochen von Martin Risel

Russ Bestley / Alex Ogg: Design und Punk
Aus dem Englischen von Paul Fleischmann und Reinhard Tiffert
Hannibal Verlag, Innsbruck 2012
224 Seiten, 39,99 Euro