Eine sehr charismatische Frau
"Das Schmuckstück", so der deutsche Titel des neuen Films von François Ozon, einer bitterbösen aber zugleich sehr komischen Wohlstandssatire, war Zuschauerliebling auf den Festivals in Venedig und Toronto. Nicht zuletzt wegen einer bezaubernden Catherine Deneuve.
Susanne Führer: "Das Schmuckstück" - ab heute in den Kinos. Und über die Hauptdarstellerin, Catherine Deneuve also, hat meine Kollegin Liane von Billerbeck mit der Filmkritikerin Katja Nicodemus gesprochen, und sie gefragt, wie schmuckstückhaft sie denn Catherine Deneuve bei ihrem Treffen mit der berühmten Schauspielerin empfunden hat.
Katja Nicodemus: Sie ist überhaupt nicht das Hochglanzwesen, das man sich so ein bisschen vorstellt aufgrund der Zeitschriften, sie ist auch gar nicht aufgetakelt, sie ist einfach eine sehr, sehr schöne, sehr gut aussehende, sehr charismatische Frau Ende 60. Und in François Ozons Film, da tritt sie ja ganz anders auf. Gleich am Anfang joggt sie da im schreiend roten Trainingsanzug durch den Wald, durch eine idyllische Natur, verfasst so kleine, native Naturgedichte, ist leicht empört über rammelnde Kaninchen – also ein Bild der Naivität. Und sie ist da ja wirklich die Mustergattin, die mit ihrem Fabrikanten-Ehemann in einer prachtvollen Villa lebt. Sie hat eine blonde Betonfrisur. Der Film spielt in den 70er-Jahren, und es gibt dann François Ozon auch Gelegenheit, sie immer in so ganz schrill-spießigen Kleidern zu zeigen, die immer passend zu den Tapeten und zu den Möbeln sind. Und Deneuve spielt hier wirklich die perfekte Hausfrau, das perfekte Schmuckstück, die rein dekorative Frau, die sich wirklich ihrem Mann unterordnet, aber für sie selbst hat diese Rolle eben trotzdem auch was Realistisches, eben als Typus.
Catherine Deneuve: Sie versucht sich in ihre Situation zu fügen, und sie versucht, das Positive zu sehen. Dabei findet sie die Dinge etwas rosiger, als sie sind. Ich habe solche Frauen kennengelernt, die ihre Rolle spielen, wie man so schön sagt: die Rolle der Hausfrau, die Rolle der Mutter, die Rolle der Köchin, der Freundin, der Liebhaberin. Sie erfüllen ihre Rolle. Zum Glück wollen die Frauen heute nicht mehr so sein, sie wollen akzeptiert werden für das, was sie sind, ohne ständig eine Anpassungsleistung zu vollbringen.
von Billerbeck: Catherine Deneuve war das. Wie passt denn nun diese Figur zur Parade von Deneuves Leinwandfiguren?
Nicodemus: Ja, man sollte vielleicht erst mal sagen, dass auch diese Figur doppelbödig ist, wie viele ihrer Figuren, nämlich sie hat es ja faustdick hinter den Ohren, diese scheinbare Musterhausfrau. Es kommt dann raus, dass sie jede Menge Affären hat, sie übernimmt dann auch die Fabrik ihres erkrankten Mannes, sie geht schließlich sogar in die Politik, also sie ist eigentlich ganz anders, ganz pragmatisch, eine ganz tolle, auch schlagfertige Frau. Und wenn man sich jetzt Deneuves Karriere anguckt – das sind ja mein Gott wirklich 50 Jahre Filmgeschichte, muss man sagen –, dann fällt doch wirklich auf, dass sie ihr Schmuckstückdasein auf der Leinwand immer wieder unterwandert hat, sie hat sich immer wieder Regisseure gesucht , die sie als Objekt der Begierde untersucht und reflektiert haben, die ihre Schönheit subversiv inszeniert haben. Zum Beispiel Luis Buñuel Mitte der 60er-Jahre, da spielt sie eine Hausfrau, die ihre sexuellen Fantasien im Bordell auslebt, also auch Objekt der Begierde, das sich sozusagen seine masochistischen Fantasien selbst umsetzt. Oder auch Polanskis "Ekel", da spielt sie eine junge, einsame Frau, die aus lauter Abscheu vor der Sexualität zur Mörderin, zur Männermörderin wird, die Rasiermesser und Kerzenhalter nimmt und die Männer, die sie begehren, einfach umbringt. Also immer wieder dieses Spiel mit dem Begehren, mit der Schönheit. Und dann hat sie dann auch versucht, wirklich Mitte der 80er-Jahre sich noch mal neu zu erfinden durch die Arbeit mit dem Regisseur André Téchiné, der hat ihr eine ganz andere Verwundbarkeit gegeben, einen ganz anderen Realismus auf der Leinwand, also wieder gegen dieses Hochglanzwesen. Oder auch auf Eigeninitiative ihre Zusammenarbeit mit Lars von Trier, die dann zu "Dancer in the Dark" führte. Immer wieder die Selbstbefragung und die Suche. Und ich finde, sie selbst findet dafür sehr schöne Worte:
Deneuve: Insgesamt ergeben meine Rollen durchaus eine Suche, eine permanente Selbstbefragung, die Suche nach dem Gegenteil der Konvention. Es geht um die Suche nach dem Moment, in dem man das Gefühl hat, wirklich gelebt zu haben.
(...)
Das vollständige Gespräch mit Katja Nicodemus können Sie bis zum 24. August 2011 in unserem Audio-on-Demand-Angebot als MP3-Audio hören.
Katja Nicodemus: Sie ist überhaupt nicht das Hochglanzwesen, das man sich so ein bisschen vorstellt aufgrund der Zeitschriften, sie ist auch gar nicht aufgetakelt, sie ist einfach eine sehr, sehr schöne, sehr gut aussehende, sehr charismatische Frau Ende 60. Und in François Ozons Film, da tritt sie ja ganz anders auf. Gleich am Anfang joggt sie da im schreiend roten Trainingsanzug durch den Wald, durch eine idyllische Natur, verfasst so kleine, native Naturgedichte, ist leicht empört über rammelnde Kaninchen – also ein Bild der Naivität. Und sie ist da ja wirklich die Mustergattin, die mit ihrem Fabrikanten-Ehemann in einer prachtvollen Villa lebt. Sie hat eine blonde Betonfrisur. Der Film spielt in den 70er-Jahren, und es gibt dann François Ozon auch Gelegenheit, sie immer in so ganz schrill-spießigen Kleidern zu zeigen, die immer passend zu den Tapeten und zu den Möbeln sind. Und Deneuve spielt hier wirklich die perfekte Hausfrau, das perfekte Schmuckstück, die rein dekorative Frau, die sich wirklich ihrem Mann unterordnet, aber für sie selbst hat diese Rolle eben trotzdem auch was Realistisches, eben als Typus.
Catherine Deneuve: Sie versucht sich in ihre Situation zu fügen, und sie versucht, das Positive zu sehen. Dabei findet sie die Dinge etwas rosiger, als sie sind. Ich habe solche Frauen kennengelernt, die ihre Rolle spielen, wie man so schön sagt: die Rolle der Hausfrau, die Rolle der Mutter, die Rolle der Köchin, der Freundin, der Liebhaberin. Sie erfüllen ihre Rolle. Zum Glück wollen die Frauen heute nicht mehr so sein, sie wollen akzeptiert werden für das, was sie sind, ohne ständig eine Anpassungsleistung zu vollbringen.
von Billerbeck: Catherine Deneuve war das. Wie passt denn nun diese Figur zur Parade von Deneuves Leinwandfiguren?
Nicodemus: Ja, man sollte vielleicht erst mal sagen, dass auch diese Figur doppelbödig ist, wie viele ihrer Figuren, nämlich sie hat es ja faustdick hinter den Ohren, diese scheinbare Musterhausfrau. Es kommt dann raus, dass sie jede Menge Affären hat, sie übernimmt dann auch die Fabrik ihres erkrankten Mannes, sie geht schließlich sogar in die Politik, also sie ist eigentlich ganz anders, ganz pragmatisch, eine ganz tolle, auch schlagfertige Frau. Und wenn man sich jetzt Deneuves Karriere anguckt – das sind ja mein Gott wirklich 50 Jahre Filmgeschichte, muss man sagen –, dann fällt doch wirklich auf, dass sie ihr Schmuckstückdasein auf der Leinwand immer wieder unterwandert hat, sie hat sich immer wieder Regisseure gesucht , die sie als Objekt der Begierde untersucht und reflektiert haben, die ihre Schönheit subversiv inszeniert haben. Zum Beispiel Luis Buñuel Mitte der 60er-Jahre, da spielt sie eine Hausfrau, die ihre sexuellen Fantasien im Bordell auslebt, also auch Objekt der Begierde, das sich sozusagen seine masochistischen Fantasien selbst umsetzt. Oder auch Polanskis "Ekel", da spielt sie eine junge, einsame Frau, die aus lauter Abscheu vor der Sexualität zur Mörderin, zur Männermörderin wird, die Rasiermesser und Kerzenhalter nimmt und die Männer, die sie begehren, einfach umbringt. Also immer wieder dieses Spiel mit dem Begehren, mit der Schönheit. Und dann hat sie dann auch versucht, wirklich Mitte der 80er-Jahre sich noch mal neu zu erfinden durch die Arbeit mit dem Regisseur André Téchiné, der hat ihr eine ganz andere Verwundbarkeit gegeben, einen ganz anderen Realismus auf der Leinwand, also wieder gegen dieses Hochglanzwesen. Oder auch auf Eigeninitiative ihre Zusammenarbeit mit Lars von Trier, die dann zu "Dancer in the Dark" führte. Immer wieder die Selbstbefragung und die Suche. Und ich finde, sie selbst findet dafür sehr schöne Worte:
Deneuve: Insgesamt ergeben meine Rollen durchaus eine Suche, eine permanente Selbstbefragung, die Suche nach dem Gegenteil der Konvention. Es geht um die Suche nach dem Moment, in dem man das Gefühl hat, wirklich gelebt zu haben.
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Das vollständige Gespräch mit Katja Nicodemus können Sie bis zum 24. August 2011 in unserem Audio-on-Demand-Angebot als MP3-Audio hören.