Eine Sammlung voller Sätze
U. D. Bauer hat zehn Jahre lang Sätze gesammelt und neu zusammengesetzt. Daraus ist ein Text entstanden, der nur ansatzweise einen Plot hat und wiederkehrende Figuren hat. Aber der Inhalt ist ohnehin sekundär.
"Übrigens war das Unternehmen durchaus nicht leicht; es handelte sich darum, dreitausend ungeordnete, verworrene, weitschweifige Bände voller kurzsichtiger und falscher Anschauungen zu lesen, zu überdenken und durchaus ein paar große und schöne Gedanken zu fischen, welche dann allerdings für die ganze peinvolle Arbeit reichlich belohnten."
"Gehört nicht alles, was die Vor-und Mitwelt geleistet, dem Dichter von Rechts wegen an? Warum soll er sich scheuen, Blumen zu pflücken, wo er sie findet? Nur durch Aneignung fremder Schätze entsteht ein Großes."
"Das sind Worte, eine Art Cocktail aus Wörtern. Ich könnte mir vorstellen, daß es jemand gefällt, der Cocktails mag."
Würde man konsequent dem Konzept von U.D.Bauer in "O.T." folgen, sollte ihr Buch im kompletten Verzicht auf eigene Worte besprochen werden. Stattdessen ausschließlich durch Zitate, etwa mit den hier aufgeführten Worten von Rousseau, Goethe und Faulkner- drei von mehr als zweitausend Namen quer durch die Literaturgeschichte, von Dichtern der griechischen Antike bis hin zu zeitgenössischen Schriftstellern wie Reinhard Jirgl. Ausschnitte aus Klassikern der Hochkultur stehen neben Trivialliteratur, Märchen-Zitate neben dem ein oder anderen Zeitungstext - insgesamt sind es 2857 Zitate, die im Anhang einzeln und mit genauer Werk-und Seitenangabe dechiffriert werden können.
Über einen Zeitraum von zehn Jahren hat U. D. Bauer Sätze gesammelt und neu zusammengesetzt. Auch wenn in ihrem 160 Seiten langen Text zumindest ansatzweise wiederkehrende Figuren und ein Plot zu erkennen sind - klassische Motive der Literaturgeschichte wie Familiendramen, Liebe und Tod - so ist der Inhalt doch völlig sekundär.
U.D. Bauer zeigt die Auflösung von Hierarchien und von Autorschaft. Sie konfrontiert bereits bestehendes Material (Sprache) mit einem anderen Werk-und Kunstbegriff. Geleitet von Andy Warhols Idee, dass alles gleichwertig sei, entsteht eine Art Steinbruch, oder wie Bauer selbst es nennt, ein "Sprachbruch", der sich nicht nur auf Arno Schmidts "Zettels Traum" oder Joseph Kosuths Montage bereits bestehender Krimis bezieht, sondern vor allem auf radikale Experimente von (in erster Linie) Nicht-Literaten wie John Cage oder Marcel Duchamp.
Denn die Bildende Künstlerin Bauer versteht "O.T." als konzeptuelle Arbeit - eine logische Weiterentwicklung künstlerischer Projekte der 70er-Jahre, als sie ihre akademischen Bilder und Zeichnungen allesamt zerrissen und in 24 Tafeln nach dem Zufallsprinzip neu angeordnet hatte.
Völlig zufällig und hierarchie-frei ist der Text allerdings nicht. Bereits Bauers Auswahl von Zitaten stellt eine erste Festlegung dar. Die russische, amerikanische und süd- und mitteleuropäische Weltliteratur sind hier gut vertreten, der afrikanische und asiatische Kontinent tauchen gar nicht erst auf. Auch die Bemühung, zumindest in kleinen Motiv-Clustern (Kinder, Erotik, am Gericht, Beerdigung etc.) zueinander passende Sinnzusammenhänge zu erzeugen, erfordert bereits eine Hierarchisierung.
Viele Zitate wurden zudem der Präsens-Form angepasst – und damit gewissermaßen manipuliert, beziehungsweise "zurechtgeschnitzt". Schwerwiegender aber ist vor allem eine der auffälligsten Erkenntnisse dieses Buchs: Wenn alles Oberfläche ist, können Figuren und selbst tiefschürfendste Bonmots niemals Tiefenschärfe entwickeln. Genau das aber macht die Lektüre langfristig ermüdend und mechanisch. Selbst wenn immer wieder einzelne Satzjuwele aus der Masse aufleuchten.
Besprochen von Olga Hochweis
"Gehört nicht alles, was die Vor-und Mitwelt geleistet, dem Dichter von Rechts wegen an? Warum soll er sich scheuen, Blumen zu pflücken, wo er sie findet? Nur durch Aneignung fremder Schätze entsteht ein Großes."
"Das sind Worte, eine Art Cocktail aus Wörtern. Ich könnte mir vorstellen, daß es jemand gefällt, der Cocktails mag."
Würde man konsequent dem Konzept von U.D.Bauer in "O.T." folgen, sollte ihr Buch im kompletten Verzicht auf eigene Worte besprochen werden. Stattdessen ausschließlich durch Zitate, etwa mit den hier aufgeführten Worten von Rousseau, Goethe und Faulkner- drei von mehr als zweitausend Namen quer durch die Literaturgeschichte, von Dichtern der griechischen Antike bis hin zu zeitgenössischen Schriftstellern wie Reinhard Jirgl. Ausschnitte aus Klassikern der Hochkultur stehen neben Trivialliteratur, Märchen-Zitate neben dem ein oder anderen Zeitungstext - insgesamt sind es 2857 Zitate, die im Anhang einzeln und mit genauer Werk-und Seitenangabe dechiffriert werden können.
Über einen Zeitraum von zehn Jahren hat U. D. Bauer Sätze gesammelt und neu zusammengesetzt. Auch wenn in ihrem 160 Seiten langen Text zumindest ansatzweise wiederkehrende Figuren und ein Plot zu erkennen sind - klassische Motive der Literaturgeschichte wie Familiendramen, Liebe und Tod - so ist der Inhalt doch völlig sekundär.
U.D. Bauer zeigt die Auflösung von Hierarchien und von Autorschaft. Sie konfrontiert bereits bestehendes Material (Sprache) mit einem anderen Werk-und Kunstbegriff. Geleitet von Andy Warhols Idee, dass alles gleichwertig sei, entsteht eine Art Steinbruch, oder wie Bauer selbst es nennt, ein "Sprachbruch", der sich nicht nur auf Arno Schmidts "Zettels Traum" oder Joseph Kosuths Montage bereits bestehender Krimis bezieht, sondern vor allem auf radikale Experimente von (in erster Linie) Nicht-Literaten wie John Cage oder Marcel Duchamp.
Denn die Bildende Künstlerin Bauer versteht "O.T." als konzeptuelle Arbeit - eine logische Weiterentwicklung künstlerischer Projekte der 70er-Jahre, als sie ihre akademischen Bilder und Zeichnungen allesamt zerrissen und in 24 Tafeln nach dem Zufallsprinzip neu angeordnet hatte.
Völlig zufällig und hierarchie-frei ist der Text allerdings nicht. Bereits Bauers Auswahl von Zitaten stellt eine erste Festlegung dar. Die russische, amerikanische und süd- und mitteleuropäische Weltliteratur sind hier gut vertreten, der afrikanische und asiatische Kontinent tauchen gar nicht erst auf. Auch die Bemühung, zumindest in kleinen Motiv-Clustern (Kinder, Erotik, am Gericht, Beerdigung etc.) zueinander passende Sinnzusammenhänge zu erzeugen, erfordert bereits eine Hierarchisierung.
Viele Zitate wurden zudem der Präsens-Form angepasst – und damit gewissermaßen manipuliert, beziehungsweise "zurechtgeschnitzt". Schwerwiegender aber ist vor allem eine der auffälligsten Erkenntnisse dieses Buchs: Wenn alles Oberfläche ist, können Figuren und selbst tiefschürfendste Bonmots niemals Tiefenschärfe entwickeln. Genau das aber macht die Lektüre langfristig ermüdend und mechanisch. Selbst wenn immer wieder einzelne Satzjuwele aus der Masse aufleuchten.
Besprochen von Olga Hochweis
U.D. Bauer: "O.T."
Die andere Bibliothek, Berlin 2013
246 Seiten, 36,00 Euro
Die andere Bibliothek, Berlin 2013
246 Seiten, 36,00 Euro