Eine Reise in die Welt von Quarks, Leptonen und Higgs-Feldern

Rezensiert von Gerrit Stratmann · 04.11.2005
Die Physiker sind in den letzten 100 Jahren bei ihrer Suche nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält, immer weiter in die Gefilde der Atome vorgedrungen und auf Dinge gestoßen, die scheinbar unveränderlich sind. Harald Fritzsch nimmt den Leser in seinem Buch "Das absolut Unveränderliche" mit auf eine Reise in die Welt von Quarks, Leptonen und Higgs-Feldern.
Bei ihrer Suche nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält, sind die Physiker in den letzten 100 Jahren gewaltig vorangekommen. Immer tiefer drangen sie in die Gefilde der Atome vor und stießen bei diesen kleinsten Strukturen auf Teilchen und Kräfte, die zuvor noch völlig unbekannt waren und bis heute noch viele Rätsel parat halten.

Harald Fritzsch führt die Leser mitten in diesen verwirrenden Zoo von Quarks, Leptonen und Higgs-Feldern. Dabei stößt er auf eine Reihe von Eigenschaften dieser Teilchen, die sich die Forscher nicht erklären können: Es sind offensichtlich unveränderliche Eigenschaften, Naturkonstanten. Niemand weiß, wo diese Konstanten herkommen und warum sie ausgerechnet die Werte annehmen, die die Physiker heute messen. Könnten die Teilchen überhaupt andere Eigenschaften haben? Und was wäre, wenn sie anders beschaffen wären?

Für viele ist es ein Wunder, für Physiker auf jeden Fall ein Grund zum Nachdenken: Wenn die Welt nicht so wäre, wie sie ist, gäbe es uns nicht, auch keine Planeten, und die Sonne hätte sich womöglich niemals entzündet, um Licht und Wärme zu spenden. Winzige Abweichungen von den bekannten Konstanten genügen, und es gäbe niemanden in diesem Universum, der sich über seinen Aufbau Gedanken machte. Ob dahinter eine ordnende Intelligenz steckt, vielleicht "der Alte", wie Fritzsch ihn in Anlehnung an Albert Einstein immer wieder nennt, oder das Ganze doch nur eine Laune der Natur ist, auch darüber wird von den Protagonisten des Buches diskutiert.

Dabei präsentiert sich der neue Fritzsch im alten Gewand. Wie seine Vorgänger ist das Buch zum größten Teil in Form eines fiktiven Dialogs geschrieben zwischen Albert Einstein, Isaac Newton und dem neuzeitlichen Physiker Adrian Haller, dem Alter Ego von Fritzsch. Genau betrachtet ist das Buch aber doch mehr zu einem Monolog geraten. Haller, der als Person aus der Gegenwart am besten über den aktuellen Stand der Physik Bescheid weiß, doziert über die heutigen Vorstellungen von der Welt des Atoms und dem Aufbau der Materie. Dazwischen stellt Einstein die ein oder andere nötige Zwischenfrage, während Newton überwiegend nur Staffage bleibt.

Stolze 27 Naturkonstanten sammelt Fritzsch im Laufe seiner in 14 Kapiteln geschriebenen Vorträge, darunter so merkwürdige Größen wie die Feinstrukturkonstante, die die Stärke der Wechselwirkung zwischen Elektronen und Photonen beschreibt. Die meisten Konstanten beziehen sich aber auf die Massen verschiedener Elementarteilchen, die zum Teil in rätselhaften Zusammenhängen stehen. (Das Proton ist 1836 mal schwerer als das Elektron – aber warum sind ihre elektrischen Ladungen bis auf das Vorzeichen identisch?) Bei Fritzschs Streifzug durch das Teilchengestrüpp tun sich immer neue Teilchen, Antiteilchen und hypothetische Teilchen auf, und der Leser muss am Ball bleiben, um sich nicht in den engen Verflechtungen zu verlieren.

Inhaltlich verdient Fritzsch für sein Vorhaben großen Respekt. Er nimmt es auf sich, nur mit Worten, ohne Rückgriff auf Formeln und unter Verzicht auf allzu oberflächliche Vereinfachungen den heutigen Kenntnisstand vom Aufbau der Materie zu beschreiben. Sein Verdienst ist es, dabei auch immer klar die Geschichte des Nichtwissens mitzuschreiben. Er führt den Leser an die Grenze dessen, was Physiker über den Aufbau der Welt sagen können, und macht insofern dem vollmundigen Untertitel (Die letzten Rätsel der Physik) alle Ehre.

Formal wäre es vielleicht von Fritzsch klüger gewesen, seine bewährte Figurenkonstellation zu verlassen, die in diesem Buch nicht so richtig funktioniert. In früheren Büchern ging es immerhin direkt um Newtons und Einsteins Theorien. Hier geht es in Tiefen der Teilchenphysik, in die Quantenelektrodynamik und Quantenchromodynamik, von denen weder Newton noch Einstein eine Ahnung hatten, infolgedessen Fritzsch nichts einfällt, was die beiden Sinnvolles zu den Dialogen beizusteuern hätten.

Dass "Das absolut Unveränderliche" nicht zu einem Lesebuch für laue Nachmittage geraten ist, dafür kann der Autor nichts. Sein Gegenstand ist kompliziert und verlangt stellenweise nach konzentrierter Lektüre. Dafür entschädigt einen manch eingestreute Ankedote, in der man etwa erfährt, wie Fritzsch (unabsichtlich) verhindert hat, dass Amerika das metrische System übernimmt. Und auch die zwar spärlichen, aber an den richtigen Stellen platzierten Grafiken erweisen sich mitunter als hilfreich, da sie den einen und anderen Zusammenhang visuell erfassbar machen. Ein empfehlenswertes Buch für Leute, die es wissen wollen.

Harald Fritzsch: Das absolut Unveränderliche. Die letzten Rätsel der Physik
Piper Verlag, München 2005
309 Seiten, 19,90 Euro