"Eine positive Überraschung"
Den Grammy für "Das Beste Album des Jahres" gewannen Ex-Led-Zeppelin Sänger Robert Plant und die Countrymusikerin Alison Krauss für ihre Koproduktion "Raising Sands". Uwe Wohlmacher lobt die Platte als "eine wunderbare Melange" zwischen Country- und Bluegrass-Musik.
Liane von Billerbeck: Die Grammys, das sind die Musikpreise, die zu haben sich lohnt - oder andersherum gefragt: Hat es sich für die Musiker und Interpreten längst gelohnt, weil sie eben viele CDs verkauft haben und bekommen nun die Grammys obendrauf? In der vergangenen Nacht, jedenfalls nach mitteleuropäischer Zeit, war es wieder soweit, in Los Angeles wurden die Grammys verliehen. Uwe Wohlmacher hat sich das Ereignis zu Gemüte geführt und ist jetzt bei mir und Olga Hochweis im Studio. Schönen guten Morgen!
Uwe Wohlmacher: Guten Morgen!
von Billerbeck: Fragen an Sie beide: Was war das Ereignis, das Überraschungsereignis dieser Musiknacht?
Wohlmacher: Na, ich fand schon die Überraschung, dass Robert Plant, der fünfmal nominiert war, mit der Bluegrass-Künstlerin Alison Krauss alle fünf auch abgeräumt hat. Und eigentlich hat man, glaube ich, nicht damit rechnen können, denn es waren wie mit Lil Wayne und Coldplay Musiker und Gruppen dagegen, die weitaus mehr Platten verkauft haben. Also Coldplay haben weltweit das meistverkaufte Album des Vorjahres abgeliefert und Lil Wayne das meistverkaufte in den USA. Also wenn man so will, war das denn schon eine Überraschung mit Robert Plant.
Olga Hochweis: Und besonders nett daran ist ja auch, dass Alison Krauss, die ja hierzulande nicht so bekannt ist, in den USA eine ganz große Fiedel-Virtuosin ist und allein mit ihrer Musik ja schon an die 20 Grammys eingesackt hat. Für sie war das jetzt eigentlich nur noch so ein kleines Mitnehmen von ein paar mehr.
von Billerbeck: Bevor wir über den Grammy reden und die Wichtigkeit, hören wir vielleicht mal ein Stück.
Wohlmacher: Genau. aus diesem wunderbaren Album, das heißt "Raising Sand", und daraus "Please Read The Letter", Robert Plant und Alison Krauss.
***
Hochweis: Ein Song vom Album des Jahres, so entschied die Grammy-Jury in der vergangenen Nacht. Und zwar das Album "Raising Sand" mit Robert Plant und Alison Krauss, die haben gerade den Song "Please Read The Letter" gesungen, interpretiert. Das ist übrigens ein alter Song, den Robert Plant mit Jimmy Page, seinem alten Genossen von Led Zeppelin original eingespielt hat. Uwe Wohlmacher, können Sie die Entscheidung der Jury nachvollziehen? Ist es also verdientermaßen das Album des Jahres geworden?
Wohlmacher: Ja, also wenn man die Nominierten nimmt, die Kategorien, dann auf jeden Fall. Ich bin auch wirklich überrascht, positiv überrascht, dass die Grammy-Jury sich dazu entschlossen hat. Wie gesagt, ich habe es schon gesagt, eigentlich hätte man denken können, na ja, Coldplay kriegen den, weil die nun wirklich so das meistverkaufte Album, diese große Hymne mit "Viva la Vida" ins Land gesetzt haben. Übrigens ganz süffisante Bemerkung noch am Rande: Der Titel ist ja Song des Jahres geworden, gegen den läuft aber eine Klage von Joe Satriani, einer der weltbesten Rockgitarristen, der nämlich glaubt, diesen Song geschrieben zu haben. Es gibt einen Song, der wirklich genauso klingt wie "Viva la Vida". Also insofern kann es sein, dass Coldplay das ganze Geld, was da eingenommen wird, in Kürze wird abgeben müssen. Das nur am Rande. Ich denke schon, dass es sowohl eine Überraschung, eine positive Überraschung ist, als auch wirklich das beste Album, weil es einfach zwischen Country, Bluegrass, der Vergangenheit von Robert Plant, der amerikanischen Musik eine wunderbare Melange hergibt. T-Bone Burnett, der auch Produzent des Albums ist, hat auch gesagt, als sie ins Studio gingen, war eigentlich nur die Idee da, und dann hat man genau diese Musik erfunden, die ja zum Teil sehr spacy ist. Tolles Album, bin wirklich positiv überrascht!
von Billerbeck: Der Grammy gilt ja in der Musikbranche als das, was für die Filmleute der Oscar ist. Ist der nun wirklich genau so wichtig?
Wohlmacher: Ich denke schon, ja. Es ist zwar ein inneramerikanischer Preis eigentlich, denn es werden ja Künstler genannt, die auf dem amerikanischen Markt auf jeden Fall verkaufen müssen, sonst läuft da gar nichts. Also ein Künstler, der nur in Europa oder so verkauft oder da bekannt ist, der hat es ganz schwer, überhaupt nominiert zu werden. Das passiert natürlich auch schon, aber ich denke mal, der amerikanische Markt ist da wichtig. Aber er hat natürlich weltweit eine Wirkung, das ist klar. Wenn jetzt also zum Beispiel Robert Plant mit seinem Album und Alison Krauss diesen wichtigen Grammy bekommen, dann wird das noch mal einen ganz schönen Umsatzschub bringen, genauso wie bei den Filmen. Also insofern denke ich schon, einerseits ein Sahnehäubchen, eine Auszeichnung für die Musiker selber, aber dann eben hat es auch was mit Umsatz zu tun.
von Billerbeck: Nun gibt es den ja in 110 Kategorien. Sorgt nicht die schiere Zahl dafür, dass man denkt, ja, was soll das eigentlich noch?
Wohlmacher: Das ist schon richtig. Am Abend werden übrigens immer nur in zwölf Kategorien verteilt, also alle anderen weiß man schon eine Stunde vorher. Aber das wäre auch zu viel, 110 in knapp dreieinhalb Stunden zu verteilen. Insofern ist das Ganze eher eine große Show mit vielen Live-Auftritten, da waren auch gestern ein paar Überraschungen dazwischen. Das ist schon sehenswert dann. Man muss sehen, dass diese Kategorien in Amerika ja sehr abgegrenzt sind. Wenn man zum Beispiel den Country-Markt nimmt, wo es ganz eigene Radiostationen, Fernsehstationen, Magazine, Fankreise gibt, die sich nur eben mit Country beschäftigen, dann wird das andere für die Leute ganz uninteressant sein. Also insofern, wenn man so will, haben die alle 110 eine Berechtigung. Auch Polka oder solche ganz merkwürdigen Sachen aus unserer Sicht oder Hip-Hop wird den Rock-Fan nicht interessieren und andersrum. Also insofern denke ich mal, ist das schon in Ordnung.
von Billerbeck: Wer war denn der Newcomer aus der Sicht der Grammy-Jury?
Wohlmacher: Newcomerin war eine englische Musikerin, also auch insofern wieder eine Überraschung, wobei die englischen Musiker diesmal sowieso sehr gut weggekommen sind. Das wirft eigentlich alle anderen Argumente über den Haufen, dass nur amerikanische Musiker bedacht werden. Das war Adele, also eine Sängerin, die ja in dem großen Soul-Jazz-Blues-Boom in England eigentlich so eine der Vertreterinnen ist. Es gibt da noch mehrere andere, Duffy zum Beispiel, die ja auch nominiert worden ist, aber Adele hat es geschafft und hat zwei Grammys bekommen.
***
Wohlmacher: Adele ist bester Nachwuchsstar geworden und beste Popsängerin, was mich ein bisschen überrascht, das am Rande. In der Kategorie ist sie gegen Duffy angetreten, hätte ich eher gewünscht, aber ist nur so eine persönliche Geschmacksfrage. Wobei vieles da an den Grammys sowieso Geschmacksfragen, ganz klar.
von Billerbeck: Wer entscheidet denn nun eigentlich über die Grammys und schüttet da diesen Grammy-Segen über die Menschheit aus?
Wohlmacher: Na, da gibt es die National Academy of Recording Arts and Sciences, wie sie wirklich heißt. Das ist die große Akademievereinigung der Industrie und der Künstler, 18.000 Mitglieder gibt es, jeder darf Vorschläge machen. Dann gibt es eine Jury von 150 Mitgliedern, und die wählen dann wirklich aus und ernennen. Und es geht um Produktionen, die zwischen dem 1. Oktober des vorletzten Jahres und 30. September des letzten Jahres. Das heißt, wenn einer am 1. Oktober des letzten Jahres eine Platte herausgebracht hat, wie Oasis zum Beispiel, wurde sie nicht berücksichtigt, ganz klar. Wird dann erst wiederum im übernächsten Jahr, also insofern ein bisschen kompliziert. Und diese 150 wählen aus.
von Billerbeck: Manchmal sind ja solche Preisverleihungen – wir kennen das von den Oscar-Preisverleihungen – ja auch politische Botschaften. Also da wird so unter der Hand noch was anderes vermittelt. Trifft das auf die Grammy-Verleihungen auch zu?
Wohlmacher: Das war überraschenderweise diesmal nicht so der Fall. Ich habe damit gerechnet, dass die schwarzen Künstler zumindest irgendeine Bemerkung machen, war nicht der Fall.
Olga Hochweis: Ich denke, das passiert eher unfreiwillig und auch nicht wirklich bewusst vonseiten dieser Jury. Es gab mal diesen Fall vor zwei Jahren, als die Dixie Chicks fünf Grammys bekamen, und die Dixie Chicks, die hatten sich ein paar Jahre davor einen Namen damit gemacht, dass sie George Bush kritisiert hatten und die Irak-Politik kritisiert hatten. Und sie wurden ja dann boykottiert viele Monate, ja fast Jahre von den Radiostationen und viele Fans waren sauer auf sie. Und dann kam eben 2007 dieser große Triumph, und dann sagte man dazu natürlich: Ja, das ist so eine Art politische Botschaft. Aber ich denke, das ist einfach wirklich dann auch ein paar Jahre zu spät gekommen. Aber es gibt auch umgekehrt den Fall, dass ein Interpret, der Grammys angetragen bekommt, dann das Ganze zum Politikum macht. Also ganz berühmtes Beispiel war ja Sinead O’Connor, die hatte '91 vier Grammys abgelehnt mit der Begründung, ihr sei das einfach zu kommerziell, diese Veranstaltung.
Wohlmacher: Es gibt eine Bemerkung von Neil Portnow, das ist der Präsident der Akademie, der freute sich, dass ein Grammy-Gewinner jetzt im Weißen Haus sitzt, denn Barack Obama gewann im letzten Jahr den Grammy für "Spoken Words", also insofern ist das ganz schön.
von Billerbeck: Ein paar Namen sind ja schon gefallen, jetzt wollen wir aber von denen noch ein paar nennen, bei den 110 Kategorien, die da zur Verfügung stehen, und zwölf, die gestern Abend also dann richtig vorgeführt wurden. Wer hat es denn noch alles bekommen?
Wohlmacher: Also Rocksong des Jahres wurde "Girls in their Summer Clothes" von Bruce Springsteen von seinem Album "Magic". Na ja, die Entscheidung kann man finden, wie man will. Es ist überdies so, dass die großen Stars aus Amerika eigentlich immer nominiert werden, sofern sie irgendeine Veröffentlichung haben. Und Bruce Springsteen hat natürlich eh immer eine Sonderstellung. Insofern war fast schon auch damit zu rechnen, ich fand es ein bisschen langweilig eigentlich, diese Auszeichnung, wie auch immer, obwohl ich eigentlich auch ein Fan von Springsteen bin. Lil Wayne, der acht Nominierungen hatte, bekam nur drei. Das war eigentlich so ein bisschen die Überraschung im großen Hip-Hop-Bereich, dass der nur drei abbekommen hat, bestes Rap-Album immerhin. Peter Gabriel bekam zwei für Filmmusik, Jennifer Hudson bekam eins für ihr bestes R&B-Album, über die hatten wir ja vorhin schon gesprochen, deren Mutter, Bruder und Neffe sind vor drei Monaten ermordet worden, die hatte einen sehr bewegenden Auftritt. Ja, ansonsten wurde das ja eigentlich irgendwie gut verteilt, denke ich mal. Al Green bekam zwei, die große Gospel-Legende, Daft Punk, französische Elektro-Band, bekam zwei. Also insofern hat man das auch gestreut. Jay-Z, großer Rap-Star.
von Billerbeck: Wie sind die Deutschen ausgegangen, das nur ganz kurz …
Wohlmacher: Till Brönner war nominiert, der Trompeter hat ihn leider nicht bekommen, wobei er auch nur Gast war. Er hat ein Solo gesungen bei Take 6, das ist eine berühmte amerikanische Vokalgruppe.
Hochweis: Ja, aber wir haben ja Hans Zimmer, der sorgt immer für einen Grammy, der hat jetzt gerade den dritten bekommen für seine Filmmusik von "Batman".
Uwe Wohlmacher: Guten Morgen!
von Billerbeck: Fragen an Sie beide: Was war das Ereignis, das Überraschungsereignis dieser Musiknacht?
Wohlmacher: Na, ich fand schon die Überraschung, dass Robert Plant, der fünfmal nominiert war, mit der Bluegrass-Künstlerin Alison Krauss alle fünf auch abgeräumt hat. Und eigentlich hat man, glaube ich, nicht damit rechnen können, denn es waren wie mit Lil Wayne und Coldplay Musiker und Gruppen dagegen, die weitaus mehr Platten verkauft haben. Also Coldplay haben weltweit das meistverkaufte Album des Vorjahres abgeliefert und Lil Wayne das meistverkaufte in den USA. Also wenn man so will, war das denn schon eine Überraschung mit Robert Plant.
Olga Hochweis: Und besonders nett daran ist ja auch, dass Alison Krauss, die ja hierzulande nicht so bekannt ist, in den USA eine ganz große Fiedel-Virtuosin ist und allein mit ihrer Musik ja schon an die 20 Grammys eingesackt hat. Für sie war das jetzt eigentlich nur noch so ein kleines Mitnehmen von ein paar mehr.
von Billerbeck: Bevor wir über den Grammy reden und die Wichtigkeit, hören wir vielleicht mal ein Stück.
Wohlmacher: Genau. aus diesem wunderbaren Album, das heißt "Raising Sand", und daraus "Please Read The Letter", Robert Plant und Alison Krauss.
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Hochweis: Ein Song vom Album des Jahres, so entschied die Grammy-Jury in der vergangenen Nacht. Und zwar das Album "Raising Sand" mit Robert Plant und Alison Krauss, die haben gerade den Song "Please Read The Letter" gesungen, interpretiert. Das ist übrigens ein alter Song, den Robert Plant mit Jimmy Page, seinem alten Genossen von Led Zeppelin original eingespielt hat. Uwe Wohlmacher, können Sie die Entscheidung der Jury nachvollziehen? Ist es also verdientermaßen das Album des Jahres geworden?
Wohlmacher: Ja, also wenn man die Nominierten nimmt, die Kategorien, dann auf jeden Fall. Ich bin auch wirklich überrascht, positiv überrascht, dass die Grammy-Jury sich dazu entschlossen hat. Wie gesagt, ich habe es schon gesagt, eigentlich hätte man denken können, na ja, Coldplay kriegen den, weil die nun wirklich so das meistverkaufte Album, diese große Hymne mit "Viva la Vida" ins Land gesetzt haben. Übrigens ganz süffisante Bemerkung noch am Rande: Der Titel ist ja Song des Jahres geworden, gegen den läuft aber eine Klage von Joe Satriani, einer der weltbesten Rockgitarristen, der nämlich glaubt, diesen Song geschrieben zu haben. Es gibt einen Song, der wirklich genauso klingt wie "Viva la Vida". Also insofern kann es sein, dass Coldplay das ganze Geld, was da eingenommen wird, in Kürze wird abgeben müssen. Das nur am Rande. Ich denke schon, dass es sowohl eine Überraschung, eine positive Überraschung ist, als auch wirklich das beste Album, weil es einfach zwischen Country, Bluegrass, der Vergangenheit von Robert Plant, der amerikanischen Musik eine wunderbare Melange hergibt. T-Bone Burnett, der auch Produzent des Albums ist, hat auch gesagt, als sie ins Studio gingen, war eigentlich nur die Idee da, und dann hat man genau diese Musik erfunden, die ja zum Teil sehr spacy ist. Tolles Album, bin wirklich positiv überrascht!
von Billerbeck: Der Grammy gilt ja in der Musikbranche als das, was für die Filmleute der Oscar ist. Ist der nun wirklich genau so wichtig?
Wohlmacher: Ich denke schon, ja. Es ist zwar ein inneramerikanischer Preis eigentlich, denn es werden ja Künstler genannt, die auf dem amerikanischen Markt auf jeden Fall verkaufen müssen, sonst läuft da gar nichts. Also ein Künstler, der nur in Europa oder so verkauft oder da bekannt ist, der hat es ganz schwer, überhaupt nominiert zu werden. Das passiert natürlich auch schon, aber ich denke mal, der amerikanische Markt ist da wichtig. Aber er hat natürlich weltweit eine Wirkung, das ist klar. Wenn jetzt also zum Beispiel Robert Plant mit seinem Album und Alison Krauss diesen wichtigen Grammy bekommen, dann wird das noch mal einen ganz schönen Umsatzschub bringen, genauso wie bei den Filmen. Also insofern denke ich schon, einerseits ein Sahnehäubchen, eine Auszeichnung für die Musiker selber, aber dann eben hat es auch was mit Umsatz zu tun.
von Billerbeck: Nun gibt es den ja in 110 Kategorien. Sorgt nicht die schiere Zahl dafür, dass man denkt, ja, was soll das eigentlich noch?
Wohlmacher: Das ist schon richtig. Am Abend werden übrigens immer nur in zwölf Kategorien verteilt, also alle anderen weiß man schon eine Stunde vorher. Aber das wäre auch zu viel, 110 in knapp dreieinhalb Stunden zu verteilen. Insofern ist das Ganze eher eine große Show mit vielen Live-Auftritten, da waren auch gestern ein paar Überraschungen dazwischen. Das ist schon sehenswert dann. Man muss sehen, dass diese Kategorien in Amerika ja sehr abgegrenzt sind. Wenn man zum Beispiel den Country-Markt nimmt, wo es ganz eigene Radiostationen, Fernsehstationen, Magazine, Fankreise gibt, die sich nur eben mit Country beschäftigen, dann wird das andere für die Leute ganz uninteressant sein. Also insofern, wenn man so will, haben die alle 110 eine Berechtigung. Auch Polka oder solche ganz merkwürdigen Sachen aus unserer Sicht oder Hip-Hop wird den Rock-Fan nicht interessieren und andersrum. Also insofern denke ich mal, ist das schon in Ordnung.
von Billerbeck: Wer war denn der Newcomer aus der Sicht der Grammy-Jury?
Wohlmacher: Newcomerin war eine englische Musikerin, also auch insofern wieder eine Überraschung, wobei die englischen Musiker diesmal sowieso sehr gut weggekommen sind. Das wirft eigentlich alle anderen Argumente über den Haufen, dass nur amerikanische Musiker bedacht werden. Das war Adele, also eine Sängerin, die ja in dem großen Soul-Jazz-Blues-Boom in England eigentlich so eine der Vertreterinnen ist. Es gibt da noch mehrere andere, Duffy zum Beispiel, die ja auch nominiert worden ist, aber Adele hat es geschafft und hat zwei Grammys bekommen.
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Wohlmacher: Adele ist bester Nachwuchsstar geworden und beste Popsängerin, was mich ein bisschen überrascht, das am Rande. In der Kategorie ist sie gegen Duffy angetreten, hätte ich eher gewünscht, aber ist nur so eine persönliche Geschmacksfrage. Wobei vieles da an den Grammys sowieso Geschmacksfragen, ganz klar.
von Billerbeck: Wer entscheidet denn nun eigentlich über die Grammys und schüttet da diesen Grammy-Segen über die Menschheit aus?
Wohlmacher: Na, da gibt es die National Academy of Recording Arts and Sciences, wie sie wirklich heißt. Das ist die große Akademievereinigung der Industrie und der Künstler, 18.000 Mitglieder gibt es, jeder darf Vorschläge machen. Dann gibt es eine Jury von 150 Mitgliedern, und die wählen dann wirklich aus und ernennen. Und es geht um Produktionen, die zwischen dem 1. Oktober des vorletzten Jahres und 30. September des letzten Jahres. Das heißt, wenn einer am 1. Oktober des letzten Jahres eine Platte herausgebracht hat, wie Oasis zum Beispiel, wurde sie nicht berücksichtigt, ganz klar. Wird dann erst wiederum im übernächsten Jahr, also insofern ein bisschen kompliziert. Und diese 150 wählen aus.
von Billerbeck: Manchmal sind ja solche Preisverleihungen – wir kennen das von den Oscar-Preisverleihungen – ja auch politische Botschaften. Also da wird so unter der Hand noch was anderes vermittelt. Trifft das auf die Grammy-Verleihungen auch zu?
Wohlmacher: Das war überraschenderweise diesmal nicht so der Fall. Ich habe damit gerechnet, dass die schwarzen Künstler zumindest irgendeine Bemerkung machen, war nicht der Fall.
Olga Hochweis: Ich denke, das passiert eher unfreiwillig und auch nicht wirklich bewusst vonseiten dieser Jury. Es gab mal diesen Fall vor zwei Jahren, als die Dixie Chicks fünf Grammys bekamen, und die Dixie Chicks, die hatten sich ein paar Jahre davor einen Namen damit gemacht, dass sie George Bush kritisiert hatten und die Irak-Politik kritisiert hatten. Und sie wurden ja dann boykottiert viele Monate, ja fast Jahre von den Radiostationen und viele Fans waren sauer auf sie. Und dann kam eben 2007 dieser große Triumph, und dann sagte man dazu natürlich: Ja, das ist so eine Art politische Botschaft. Aber ich denke, das ist einfach wirklich dann auch ein paar Jahre zu spät gekommen. Aber es gibt auch umgekehrt den Fall, dass ein Interpret, der Grammys angetragen bekommt, dann das Ganze zum Politikum macht. Also ganz berühmtes Beispiel war ja Sinead O’Connor, die hatte '91 vier Grammys abgelehnt mit der Begründung, ihr sei das einfach zu kommerziell, diese Veranstaltung.
Wohlmacher: Es gibt eine Bemerkung von Neil Portnow, das ist der Präsident der Akademie, der freute sich, dass ein Grammy-Gewinner jetzt im Weißen Haus sitzt, denn Barack Obama gewann im letzten Jahr den Grammy für "Spoken Words", also insofern ist das ganz schön.
von Billerbeck: Ein paar Namen sind ja schon gefallen, jetzt wollen wir aber von denen noch ein paar nennen, bei den 110 Kategorien, die da zur Verfügung stehen, und zwölf, die gestern Abend also dann richtig vorgeführt wurden. Wer hat es denn noch alles bekommen?
Wohlmacher: Also Rocksong des Jahres wurde "Girls in their Summer Clothes" von Bruce Springsteen von seinem Album "Magic". Na ja, die Entscheidung kann man finden, wie man will. Es ist überdies so, dass die großen Stars aus Amerika eigentlich immer nominiert werden, sofern sie irgendeine Veröffentlichung haben. Und Bruce Springsteen hat natürlich eh immer eine Sonderstellung. Insofern war fast schon auch damit zu rechnen, ich fand es ein bisschen langweilig eigentlich, diese Auszeichnung, wie auch immer, obwohl ich eigentlich auch ein Fan von Springsteen bin. Lil Wayne, der acht Nominierungen hatte, bekam nur drei. Das war eigentlich so ein bisschen die Überraschung im großen Hip-Hop-Bereich, dass der nur drei abbekommen hat, bestes Rap-Album immerhin. Peter Gabriel bekam zwei für Filmmusik, Jennifer Hudson bekam eins für ihr bestes R&B-Album, über die hatten wir ja vorhin schon gesprochen, deren Mutter, Bruder und Neffe sind vor drei Monaten ermordet worden, die hatte einen sehr bewegenden Auftritt. Ja, ansonsten wurde das ja eigentlich irgendwie gut verteilt, denke ich mal. Al Green bekam zwei, die große Gospel-Legende, Daft Punk, französische Elektro-Band, bekam zwei. Also insofern hat man das auch gestreut. Jay-Z, großer Rap-Star.
von Billerbeck: Wie sind die Deutschen ausgegangen, das nur ganz kurz …
Wohlmacher: Till Brönner war nominiert, der Trompeter hat ihn leider nicht bekommen, wobei er auch nur Gast war. Er hat ein Solo gesungen bei Take 6, das ist eine berühmte amerikanische Vokalgruppe.
Hochweis: Ja, aber wir haben ja Hans Zimmer, der sorgt immer für einen Grammy, der hat jetzt gerade den dritten bekommen für seine Filmmusik von "Batman".