Eine Performance-Poetin
Von Beate Moeller · 13.01.2010
Vorbei sind die Zeiten, in denen man sich unter einer Dichterlesung den zaghaften Vortrag eines Autisten vorzustellen hatte. Aus Amerika stammt die Kunstform des Poetry Slams. Eine der exponierten Vertreterinnen dieses verhältnismäßig jungen Genres ist Peh, die Performance-Poetin aus Berlin.
Gedicht Resümee:
"Ich hasse die knutschenden Pärchen in den Clubs
Ich hasse die Rosenverkäufer in den Bars
Ich hasse Schokoherzen in Blechbüchsen
(mit roten Schleifchen drum)
Kurz: Ich hasse Valentinstag!
Ich glaube nicht an Prinzen
auf weißen Rössern
und das Leben ist mir zu zugig
wohnhaft in Luftschlössern.
... herrje,
wo ist bloß die Romantikerin in mir abgeblieben?
Ich glaube,
ich sollte mich mal wieder verlieben."
Peh hat sich charmant durchgesetzt in diesem männerdominierten literarischen Wettkampfsport. Die Bühne ist ihr Leben.
"Ich hatte immer Spaß dran, denn ich hab das nie so gesehen: Das ist jetzt Performance und da ist jetzt ein Publikum, sondern das war einfach schön, sich auszudrücken, was zu interpretieren und auch ne Seite zu zeigen, die man halt so manchmal auch nicht zeigen kann, manchmal nicht zeigen will, oder manchmal nicht zeigen darf. Aber auf der Bühne ist halt alles erlaubt."
Erzählt Peh, die im wirklichen Leben Paula Gelbke heißt. Man hört ihr gerne zu, schaut sie gerne an: Eine schöne junge Frau, das brünette Haar keck zum Pferdeschwanz gebunden. Ihre wachen Augen suchen ständig irgendetwas – und finden. Auch Erinnerungen in sich selbst. Zum Beispiel, wenn sie darüber nachdenkt, welche Rolle ihre Mutter für sie als Künstlerin spielt.
"Ich hab sie immer auf der Bühne gesehen. Sie hat ja auch bis zum achten Monat ihrer Schwangerschaft mit mir auf der Bühne gestanden. Also es liegt mir schon irgendwo im Blut, in den Genen. Und sie hat mich dann auch auf die Bühne gebracht. Bei ihrem 30-jährigen Bühnenjubiläum, da war ich sechs oder so. Und da hab ich das erste Mal gesungen, getanzt, gesteppt."
Aber bevor man vor Publikum tanzen und steppen kann, sollte man erst mal laufen können. Wohl kaum jemand anders kann von sich behaupten, den aufrechten Gang auf einer der bedeutendsten Bühnen der Hauptstadt der DDR erlernt zu haben. Doch so kann's gehen, wenn man die Tochter der Schauspielerin und Kabarettistin Dagmar Gelbke ist.
"Ich war ein Spätzünder – in allem. Ich habe sehr spät angefangen zu reden, auch sehr spät angefangen zu laufen. Und meine Mutter dachte schon: Oh Gott, das wird nie was. Und dann hatte sie Probe im Metropol-Theater, und ich bin tatsächlich von der Seitenbühne über die Bühne zu ihr hingestolpert. Und das waren meine ersten Schritte, auf den Brettern des Metropol-Theaters, die damals die Welt auch für meine Mutter bedeuteten. Sie kann laufen! Wunderbar!"
Als Sechsjährige kommt sie an die Ballettschule des Friedrichstadtpalastes. Nach zehn Jahren Tanzunterricht geht Peh für ein Jahr in die Vereinigten Staaten, um Tanz in Philadelphia zu studieren. Als sie sich den Fuß bricht, muss sie ins Gesangsfach wechseln. Vor dem Abitur in ihrer Heimatstadt Berlin ist es ihre Deutschlehrerin, der es gelingt, sie für Literatur zu begeistern.
"Tatsächlich hat sie mich zum Lesen animiert, was vorher kaum ein Mensch geschafft hat. Und zwar hat sie mir Hesses Steppenwolf auf den Tisch geknallt, ein Buch, was ich vorher drei Mal angelesen hatte. Und es ist ein Buch, was einen auf jeden Fall findet. Und sie hatte genau zur richtigen Zeit das richtige Buch. Und da begann dann ein literarischer Dialog über zwei Jahre. Es war großartig. Und sie hat uns auch zum Schreiben aufgefordert und auch unsere Gedanken angeregt. Anders zu denken."
Das ist der Knackpunkt – für ihren Weg als Künstlerin. Ihre eigenen Vorstellungen umsetzen. Der Durchbruch kommt 2003. Da liest Peh, die heute in Berlin-Friedrichshain lebt, vor dem Konzert der Pop-Ikone Anne Clark eine halbe Stunde lang ihre eigenen Texte.
"Und von ferne hörst du ein leises Weinen von Familie und Freunden auf deinem Begräbnis versammelt, hörst du paar freundliche Worte vom Pfarrer gestammelt, gegen die du protestieren willst. Was soll das denn jetzt bitte heißen? Nett und pflichtbewusst? Ist das der Fingerabdruck in der Zeit, der jetzt von Dir in Erinnerung bleibt? Du wolltest doch so viel mehr sein, du willst dagegen anschreien, aber kein Laut, der aus deiner Kehle weicht. Schockschwere Not, darf nicht vergessen: Ich bin ja tot."
Sie schließt sich dem Berliner Kreis um Bob Homan an, der den Poetry Slam, den offenen Dichterwettbewerb, nach Deutschland geholt hat. 2004 gründet die junge Dichterin ihre eigene Lesebühne, 'dieBarhocker' und slamt als Solistin erfolgreich über Deutschlands Bühnen. Dabei riskiert sie es durchaus, das Publikum mit Tiefsinnigkeit herauszufordern.
"Und ich hab manchmal was zu sagen. Vielleicht nicht jeden Tag, aber manchmal. Und dann kommt man halt wirklich auf so nen Weg, wo man sagt: Na gut, wenn ich jetzt nur einen Text schreibe im Monat, der auf dem Thema ist, der für eine bestimmte Performance ist. Aber der ist gut, der bringt's auf den Punkt. Dann ist das so.
Dann werd ich auch nur diese eine Performance machen in diesem Monat. Aber dafür lohnt es sich, weil ich dazu was zu sagen habe, zu dem Thema. Und dann geht man auch mit einem guten Gefühl von der Bühne."
Vielleicht wird Peh sich irgendwann entscheiden müssen, zwischen Poetry Slam, bei dem ein bunt gemischtes Publikum einen Sieger wählt, und der sogenannten ernsthaften Dichtung, die von Literaturkritikern beurteilt wird. Doch heute, mit 30 fühlt sie sich noch nicht so weit. Sicher weiß Peh allerdings, wem sie literarisch gerne einmal begegnet wäre.
"Dorothy Parker meine absolute Lieblingslyrikerin. Wunderbar lyrisch, romantisch, mit einer zynisch sarkastischen Punch Line, und ich find es so traurig, dass es sie nur im Englischen gibt und nicht in der deutschen Übersetzung. Und das ist tatsächlich das, was ich mir vornehme, wenn ich vielleicht 50 oder 60 bin: Dorothy Parker zu übersetzen. Denn das fehlt in der Welt."
Der Anfang ist schon gemacht. Ihr Lieblingsspruch:
Lieber Gott! Lass mich schreiben wie ein Mann.
"Ich hasse die knutschenden Pärchen in den Clubs
Ich hasse die Rosenverkäufer in den Bars
Ich hasse Schokoherzen in Blechbüchsen
(mit roten Schleifchen drum)
Kurz: Ich hasse Valentinstag!
Ich glaube nicht an Prinzen
auf weißen Rössern
und das Leben ist mir zu zugig
wohnhaft in Luftschlössern.
... herrje,
wo ist bloß die Romantikerin in mir abgeblieben?
Ich glaube,
ich sollte mich mal wieder verlieben."
Peh hat sich charmant durchgesetzt in diesem männerdominierten literarischen Wettkampfsport. Die Bühne ist ihr Leben.
"Ich hatte immer Spaß dran, denn ich hab das nie so gesehen: Das ist jetzt Performance und da ist jetzt ein Publikum, sondern das war einfach schön, sich auszudrücken, was zu interpretieren und auch ne Seite zu zeigen, die man halt so manchmal auch nicht zeigen kann, manchmal nicht zeigen will, oder manchmal nicht zeigen darf. Aber auf der Bühne ist halt alles erlaubt."
Erzählt Peh, die im wirklichen Leben Paula Gelbke heißt. Man hört ihr gerne zu, schaut sie gerne an: Eine schöne junge Frau, das brünette Haar keck zum Pferdeschwanz gebunden. Ihre wachen Augen suchen ständig irgendetwas – und finden. Auch Erinnerungen in sich selbst. Zum Beispiel, wenn sie darüber nachdenkt, welche Rolle ihre Mutter für sie als Künstlerin spielt.
"Ich hab sie immer auf der Bühne gesehen. Sie hat ja auch bis zum achten Monat ihrer Schwangerschaft mit mir auf der Bühne gestanden. Also es liegt mir schon irgendwo im Blut, in den Genen. Und sie hat mich dann auch auf die Bühne gebracht. Bei ihrem 30-jährigen Bühnenjubiläum, da war ich sechs oder so. Und da hab ich das erste Mal gesungen, getanzt, gesteppt."
Aber bevor man vor Publikum tanzen und steppen kann, sollte man erst mal laufen können. Wohl kaum jemand anders kann von sich behaupten, den aufrechten Gang auf einer der bedeutendsten Bühnen der Hauptstadt der DDR erlernt zu haben. Doch so kann's gehen, wenn man die Tochter der Schauspielerin und Kabarettistin Dagmar Gelbke ist.
"Ich war ein Spätzünder – in allem. Ich habe sehr spät angefangen zu reden, auch sehr spät angefangen zu laufen. Und meine Mutter dachte schon: Oh Gott, das wird nie was. Und dann hatte sie Probe im Metropol-Theater, und ich bin tatsächlich von der Seitenbühne über die Bühne zu ihr hingestolpert. Und das waren meine ersten Schritte, auf den Brettern des Metropol-Theaters, die damals die Welt auch für meine Mutter bedeuteten. Sie kann laufen! Wunderbar!"
Als Sechsjährige kommt sie an die Ballettschule des Friedrichstadtpalastes. Nach zehn Jahren Tanzunterricht geht Peh für ein Jahr in die Vereinigten Staaten, um Tanz in Philadelphia zu studieren. Als sie sich den Fuß bricht, muss sie ins Gesangsfach wechseln. Vor dem Abitur in ihrer Heimatstadt Berlin ist es ihre Deutschlehrerin, der es gelingt, sie für Literatur zu begeistern.
"Tatsächlich hat sie mich zum Lesen animiert, was vorher kaum ein Mensch geschafft hat. Und zwar hat sie mir Hesses Steppenwolf auf den Tisch geknallt, ein Buch, was ich vorher drei Mal angelesen hatte. Und es ist ein Buch, was einen auf jeden Fall findet. Und sie hatte genau zur richtigen Zeit das richtige Buch. Und da begann dann ein literarischer Dialog über zwei Jahre. Es war großartig. Und sie hat uns auch zum Schreiben aufgefordert und auch unsere Gedanken angeregt. Anders zu denken."
Das ist der Knackpunkt – für ihren Weg als Künstlerin. Ihre eigenen Vorstellungen umsetzen. Der Durchbruch kommt 2003. Da liest Peh, die heute in Berlin-Friedrichshain lebt, vor dem Konzert der Pop-Ikone Anne Clark eine halbe Stunde lang ihre eigenen Texte.
"Und von ferne hörst du ein leises Weinen von Familie und Freunden auf deinem Begräbnis versammelt, hörst du paar freundliche Worte vom Pfarrer gestammelt, gegen die du protestieren willst. Was soll das denn jetzt bitte heißen? Nett und pflichtbewusst? Ist das der Fingerabdruck in der Zeit, der jetzt von Dir in Erinnerung bleibt? Du wolltest doch so viel mehr sein, du willst dagegen anschreien, aber kein Laut, der aus deiner Kehle weicht. Schockschwere Not, darf nicht vergessen: Ich bin ja tot."
Sie schließt sich dem Berliner Kreis um Bob Homan an, der den Poetry Slam, den offenen Dichterwettbewerb, nach Deutschland geholt hat. 2004 gründet die junge Dichterin ihre eigene Lesebühne, 'dieBarhocker' und slamt als Solistin erfolgreich über Deutschlands Bühnen. Dabei riskiert sie es durchaus, das Publikum mit Tiefsinnigkeit herauszufordern.
"Und ich hab manchmal was zu sagen. Vielleicht nicht jeden Tag, aber manchmal. Und dann kommt man halt wirklich auf so nen Weg, wo man sagt: Na gut, wenn ich jetzt nur einen Text schreibe im Monat, der auf dem Thema ist, der für eine bestimmte Performance ist. Aber der ist gut, der bringt's auf den Punkt. Dann ist das so.
Dann werd ich auch nur diese eine Performance machen in diesem Monat. Aber dafür lohnt es sich, weil ich dazu was zu sagen habe, zu dem Thema. Und dann geht man auch mit einem guten Gefühl von der Bühne."
Vielleicht wird Peh sich irgendwann entscheiden müssen, zwischen Poetry Slam, bei dem ein bunt gemischtes Publikum einen Sieger wählt, und der sogenannten ernsthaften Dichtung, die von Literaturkritikern beurteilt wird. Doch heute, mit 30 fühlt sie sich noch nicht so weit. Sicher weiß Peh allerdings, wem sie literarisch gerne einmal begegnet wäre.
"Dorothy Parker meine absolute Lieblingslyrikerin. Wunderbar lyrisch, romantisch, mit einer zynisch sarkastischen Punch Line, und ich find es so traurig, dass es sie nur im Englischen gibt und nicht in der deutschen Übersetzung. Und das ist tatsächlich das, was ich mir vornehme, wenn ich vielleicht 50 oder 60 bin: Dorothy Parker zu übersetzen. Denn das fehlt in der Welt."
Der Anfang ist schon gemacht. Ihr Lieblingsspruch:
Lieber Gott! Lass mich schreiben wie ein Mann.