Eine Oper als Politikum
Mit ihrer Entscheidung, die Mozart-Oper "Idomeneo" in der Inszenierung von Hans Neuenfels aus Angst vor möglichen Terroranschlägen vom Spielplan zu nehmen, sorgte Kirsten Harms für einen handfesten Skandal. Zwar hat die Intendantin der Deutschen Oper Berlin ihre Entscheidung bedauert und das Stück wird jetzt wieder aufgeführt, aber eine mittelmäßige Inszenierung wurde so zum Fanal der Kunstfreiheit aufgebauscht.
Seit dem Opernbesuch der englischen Königin sind die Fenster der Deutschen Oper mit einer Sicherheitsfolie beklebt. Sollten die großen Glasscheiben beschossen werden, so splittern sie nicht, sondern sacken zusammen wie Sicherheitsglas im Auto. Auch sonst ist der Sicherheitsaufwand heute Abend bei der Wiederaufnahme von "Idomeneo" enorm. Die Angestellten der Oper bleiben jedoch gelassen, das Gedenkkonzert für die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem fand schließlich unter ähnlichen Bedingungen statt. Pünktlich wird es allerdings kaum losgehen, denn die Taschenkontrollen und Sicherheitschecks werden Zeit kosten.
Soviel Politprominenz hat sich wohl selten zu einer Wiederaufnahme einer außerordentlich unpopulären Mozart-Oper versammelt. Um die Qualität der Inszenierung von Hans Neuenfels oder gar der musikalischen Umsetzung geht es allenfalls noch am Rande. Renate Künast und Kathrin Göring-Eckhardt von den Grünen kommen auf jeden Fall. Sie sind im Gegensatz zum ebenfalls anwesenden Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bislang nicht als besondere Opernfans aufgefallen. Wer sonst noch seine Kunstliebe zeigen wird, ist bislang ein Geheimnis, ebenfalls aus Sicherheitsgründen.
Politiker und Bodyguards befinden sich in einem Dilemma. Zwar will man sich zu einer Demonstration für die Kunstfreiheit versammeln und betont, eine konkrete Gefährdung liege nicht vor. Andererseits will man auch keine schlafenden Hunde wecken.
Die ganze Geschichte begann im August, als der Berliner Innensenator Erhart Körting die Intendantin der Deutschen Oper, Kirsten Harms, an ihrem Ferienort auf der Nordseeinsel Föhr anrief und aus der Ruhe schreckte. Auf einer Pressekonferenz schilderte sie den Anruf so.
"Er hat gesagt, er liebt die Deutsche Oper sehr, fährt oft an ihr vorbei und möchte nicht erleben, dass sie nicht mehr da ist. Also, ich habe sozusagen diese Information des Innensenators durchaus als dramatisch empfunden, aber weitere Hinweise hat er mir so nicht gegeben, was da direkt vorläge."
Später stellte sich heraus, dass die Polizei überhaupt keinen konkreten Anlass für die Terrorvision in der Bismarckstraße hatte. Eine besorgte Operngängerin hatte angerufen und die Ordnungshüter überhaupt erst auf die inzwischen weltberühmte Szene mit dem abgeschlagenen Haupt des Propheten aufmerksam gemacht. Bis dahin hatte kein Moslem Anstoß genommen, wahrscheinlich, weil moslemische Extremisten eher selten in die Oper gehen.
Kirsten Harms entschloss sich jedoch umgehend, die Produktion vom Spielplan zu nehmen, und zwar heimlich, still und leise. Das schlug bekanntlich fehl, weil eine Nachrichtenagentur Wind von der Sache bekam und das Einknicken vor der vermeintlichen islamistischen Gefahr umgehend an die große Glocke hängte.
Selten haben sich so viele Menschen über eine Oper geäußert. Die meisten haben weder diese Inszenierung gesehen noch ansonsten irgendetwas mit dieser Kunstform zu tun. Plötzlich wurde eine wenig bekannte Mozartoper in einer nicht besonders geglückten Inszenierung zum Fanal der Kunstfreiheit. Im Mittelpunkt der Diskussion stand eine unglücklich agierende Intendantin, die den ganzen Aufruhr nicht recht zu verstehen schien.
"Es ist eine schwierige Situation gewesen, weil diese Frage nicht eigentlich mit Ja oder Nein zu beantworten ist. Eine Handlung aber sieht vor, dass man entweder so oder so agiert. Und diese Abwägung habe ich zugunsten der Fürsorgepflicht gefällt. Also, die Frage, die sich auftut: Habe ich in dieser Situation anders entscheiden dürfen?"
Auf einer eilig anberaumten Podiumsdiskussion in der Deutschen Oper am 3. Oktober zeigte sich dann auch der Berliner Innensenator Erhart Körting recht zerknirscht.
"Vielleicht war die Schlussfolgerung falsch und man hätte sagen sollen, nein, auch die mögliche, abstrakte Gefahr bedeutet für uns nicht, dass man etwas nicht tut, sondern man tut es trotzdem. So, das ist die Haltung, die jetzt bundesweit sozusagen auch einheitliche Haltung ist, ich habe das von der Bundeskanzlerin gehört, vom Bundesinnenminister und von vielen, vielen anderen auch. Das ist die Konsequenz dann. Trotzdem, vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, vorher dann ausführlicher darüber zu diskutieren, weil man auch sich dann über die Konsequenzen im Klaren sein muss."
Oper als politisches Tagesgespräch, das hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Fernsehsendungen und Zeitungsspalten voll mit Äußerungen von Menschen, die weder die Berliner Inszenierung gesehen hatten, noch sonst genau wussten, worum es in "Idomeneo" geht. Das führte zu merkwürdigen Missverständnissen, wie die Islamwissenschaftlerin Riem Steinhaus ausführte, die mit vielen Berliner Muslimen gesprochen hatte.
"Interessanterweise, die Bärtigen und die Kopftuchtragenden waren für die Wiederaufnahme des Stückes, und für die Diskussion dann über das Stück. Interessanterweise - und das ist eine fatale Sache - kommt bei Muslimen eben gerade an: In dem Stück wird Mohammed geköpft. Wenige wussten, dass auch noch andere geköpft wurden, weil es in den Medien dann doch, bis auf die, sozusagen, auf die Masse der Gesellschaft dann leider nicht ankommt. Und es kommt an: Mozart ist das Problem. Nein, Mozart ist nicht das Problem. Mozart greift eine Thematik auf, die sich in der Bibel findet. Das Stück hat überhaupt nichts Anti-Islamisches."
Der Höhepunkt der erhitzten Debatte um die Absetzung von "Idomeneo" fiel in die Zeit des ersten Islamgipfels beim Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Hier ging es um die bessere Integration von Menschen muslimischen Glaubens in die deutsche Gesellschaft. Die offiziellen Vertreter der muslimischen Dachverbände bekannten sich zur Kunstfreiheit und bedauerten die Absetzung der Oper. Innenminister Schäuble forderte eine möglichst schnelle Wiederaufnahme und lud die Vertreter der islamischen Gruppen zum gemeinsamen Opernbesuch ein. In der Annahme, eine solche Wiederaufnahme sei kaum wahrscheinlich, nahmen die meisten an.
Nun kommt es heute zur Aufführung, und weder ein Vertreter des Zentralrats der Muslime wird dabei sein noch vom Islamrat. Das kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen. Die Absetzung der Aufführung wurde schließlich ebenso instrumentalisiert wie die heutige Wiederaufnahme. Dass sie sich dieser Politisierung mit dem Hinweis entziehen, zur Freiheit der Kunst gehöre auch die Freiheit, nicht hinzugehen, ist nur konsequent. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nimmt es denn auch gelassen.
"Da besteht nun auch kein Zwang. Wenn der Wunsch besteht, dann geht man da hin, und wer nicht geht, der lässt es eben bleiben. Man muss in Deutschland nicht in Opernaufführungen gehen, aber man darf Opern auch so inszenieren, dass sie nicht allen gefallen. Die Kunstfreiheit genau wie die Pressefreiheit steht nicht zur Debatte."
Soviel Politprominenz hat sich wohl selten zu einer Wiederaufnahme einer außerordentlich unpopulären Mozart-Oper versammelt. Um die Qualität der Inszenierung von Hans Neuenfels oder gar der musikalischen Umsetzung geht es allenfalls noch am Rande. Renate Künast und Kathrin Göring-Eckhardt von den Grünen kommen auf jeden Fall. Sie sind im Gegensatz zum ebenfalls anwesenden Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bislang nicht als besondere Opernfans aufgefallen. Wer sonst noch seine Kunstliebe zeigen wird, ist bislang ein Geheimnis, ebenfalls aus Sicherheitsgründen.
Politiker und Bodyguards befinden sich in einem Dilemma. Zwar will man sich zu einer Demonstration für die Kunstfreiheit versammeln und betont, eine konkrete Gefährdung liege nicht vor. Andererseits will man auch keine schlafenden Hunde wecken.
Die ganze Geschichte begann im August, als der Berliner Innensenator Erhart Körting die Intendantin der Deutschen Oper, Kirsten Harms, an ihrem Ferienort auf der Nordseeinsel Föhr anrief und aus der Ruhe schreckte. Auf einer Pressekonferenz schilderte sie den Anruf so.
"Er hat gesagt, er liebt die Deutsche Oper sehr, fährt oft an ihr vorbei und möchte nicht erleben, dass sie nicht mehr da ist. Also, ich habe sozusagen diese Information des Innensenators durchaus als dramatisch empfunden, aber weitere Hinweise hat er mir so nicht gegeben, was da direkt vorläge."
Später stellte sich heraus, dass die Polizei überhaupt keinen konkreten Anlass für die Terrorvision in der Bismarckstraße hatte. Eine besorgte Operngängerin hatte angerufen und die Ordnungshüter überhaupt erst auf die inzwischen weltberühmte Szene mit dem abgeschlagenen Haupt des Propheten aufmerksam gemacht. Bis dahin hatte kein Moslem Anstoß genommen, wahrscheinlich, weil moslemische Extremisten eher selten in die Oper gehen.
Kirsten Harms entschloss sich jedoch umgehend, die Produktion vom Spielplan zu nehmen, und zwar heimlich, still und leise. Das schlug bekanntlich fehl, weil eine Nachrichtenagentur Wind von der Sache bekam und das Einknicken vor der vermeintlichen islamistischen Gefahr umgehend an die große Glocke hängte.
Selten haben sich so viele Menschen über eine Oper geäußert. Die meisten haben weder diese Inszenierung gesehen noch ansonsten irgendetwas mit dieser Kunstform zu tun. Plötzlich wurde eine wenig bekannte Mozartoper in einer nicht besonders geglückten Inszenierung zum Fanal der Kunstfreiheit. Im Mittelpunkt der Diskussion stand eine unglücklich agierende Intendantin, die den ganzen Aufruhr nicht recht zu verstehen schien.
"Es ist eine schwierige Situation gewesen, weil diese Frage nicht eigentlich mit Ja oder Nein zu beantworten ist. Eine Handlung aber sieht vor, dass man entweder so oder so agiert. Und diese Abwägung habe ich zugunsten der Fürsorgepflicht gefällt. Also, die Frage, die sich auftut: Habe ich in dieser Situation anders entscheiden dürfen?"
Auf einer eilig anberaumten Podiumsdiskussion in der Deutschen Oper am 3. Oktober zeigte sich dann auch der Berliner Innensenator Erhart Körting recht zerknirscht.
"Vielleicht war die Schlussfolgerung falsch und man hätte sagen sollen, nein, auch die mögliche, abstrakte Gefahr bedeutet für uns nicht, dass man etwas nicht tut, sondern man tut es trotzdem. So, das ist die Haltung, die jetzt bundesweit sozusagen auch einheitliche Haltung ist, ich habe das von der Bundeskanzlerin gehört, vom Bundesinnenminister und von vielen, vielen anderen auch. Das ist die Konsequenz dann. Trotzdem, vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, vorher dann ausführlicher darüber zu diskutieren, weil man auch sich dann über die Konsequenzen im Klaren sein muss."
Oper als politisches Tagesgespräch, das hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Fernsehsendungen und Zeitungsspalten voll mit Äußerungen von Menschen, die weder die Berliner Inszenierung gesehen hatten, noch sonst genau wussten, worum es in "Idomeneo" geht. Das führte zu merkwürdigen Missverständnissen, wie die Islamwissenschaftlerin Riem Steinhaus ausführte, die mit vielen Berliner Muslimen gesprochen hatte.
"Interessanterweise, die Bärtigen und die Kopftuchtragenden waren für die Wiederaufnahme des Stückes, und für die Diskussion dann über das Stück. Interessanterweise - und das ist eine fatale Sache - kommt bei Muslimen eben gerade an: In dem Stück wird Mohammed geköpft. Wenige wussten, dass auch noch andere geköpft wurden, weil es in den Medien dann doch, bis auf die, sozusagen, auf die Masse der Gesellschaft dann leider nicht ankommt. Und es kommt an: Mozart ist das Problem. Nein, Mozart ist nicht das Problem. Mozart greift eine Thematik auf, die sich in der Bibel findet. Das Stück hat überhaupt nichts Anti-Islamisches."
Der Höhepunkt der erhitzten Debatte um die Absetzung von "Idomeneo" fiel in die Zeit des ersten Islamgipfels beim Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Hier ging es um die bessere Integration von Menschen muslimischen Glaubens in die deutsche Gesellschaft. Die offiziellen Vertreter der muslimischen Dachverbände bekannten sich zur Kunstfreiheit und bedauerten die Absetzung der Oper. Innenminister Schäuble forderte eine möglichst schnelle Wiederaufnahme und lud die Vertreter der islamischen Gruppen zum gemeinsamen Opernbesuch ein. In der Annahme, eine solche Wiederaufnahme sei kaum wahrscheinlich, nahmen die meisten an.
Nun kommt es heute zur Aufführung, und weder ein Vertreter des Zentralrats der Muslime wird dabei sein noch vom Islamrat. Das kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen. Die Absetzung der Aufführung wurde schließlich ebenso instrumentalisiert wie die heutige Wiederaufnahme. Dass sie sich dieser Politisierung mit dem Hinweis entziehen, zur Freiheit der Kunst gehöre auch die Freiheit, nicht hinzugehen, ist nur konsequent. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nimmt es denn auch gelassen.
"Da besteht nun auch kein Zwang. Wenn der Wunsch besteht, dann geht man da hin, und wer nicht geht, der lässt es eben bleiben. Man muss in Deutschland nicht in Opernaufführungen gehen, aber man darf Opern auch so inszenieren, dass sie nicht allen gefallen. Die Kunstfreiheit genau wie die Pressefreiheit steht nicht zur Debatte."