Eine Oase im Ruhrpott-Smog
Wenn in der Dortmunder Gartenstadt Bauarbeiter anrücken, müssen sie sich detailierten Nachfragen der Bewohner stellen. Die Menschen achten genau darauf, dass ihre grüne Gemeinschaftssiedlung auch 100 Jahre nach der Gründung ihren Modellcharakter behält.
Am Grabbeplatz herrscht Hochbetrieb. Junge Familien treffen sich bei Bier, Wein und Limo an den Stehtischen, während sich die Älteren mit Kaffee und Kuchen an den langen Biertischen unter dem Sonnenzelt niedergelassen haben. Rund um den Platz der Dortmunder Gartenstadt werden in Vorgärten Getränke, Kuchen, Salat oder Brot angeboten, während sich die Kinder in der Hüpfburg, beim Fußball oder beim Dosenwerfen austoben.
Ein Straßenfest mit Anziehungskraft, für alle Altersgruppen, egal ob mit Rollator oder im Kinderwagen. Keiner soll fehlen bei dem Nachbarschaftstreffen, ganz im Sinne der Architekten der Dortmunder Gartenstadt, sagt die Denkmalschützerin Bettina Heine- Hippler:
"Viele Siedlungen oder eine Gemeinschaftssiedlung kann eigentlich nur auf Dauer eine Gemeinschaftssiedlung bleiben, wenn jeder sich ein Stück in das Ganze einfügt und das heißt eben auch, dass wir bestimmte Gestaltungsprinzipien für die Siedlung brauchen um diesen Gesamtcharakter zu erhalten."
Dem fühlen sich die Hinzugezogenen ebenso verpflichtet wie die Alteingesessenen. Beim Straßenfest schildern sie die Vorzüge ihres Quartiers, südlich der vierspurigen B1 und entlang der Trasse der alten Hoeschbahn, die bis vor 30 Jahren den ungeheuren Erzhunger der benachbarten Hochöfen stillte:
"Man zieht in die Gartenstadt wegen der schönen Häuser, wegen des Kopfsteinpflasters, der alten Bäume, des Baumbestandes. Die Umgebung ist einfach wunderschön in Dortmund."
"Wir leben hier wie auf einem Dorf, 600 Meter südlich der meistbefahrenen Bundesstraßen. Man kann sich aufeinander verlassen, man geht sich nicht auf den Wecker, mit Nestwärme aber nicht mit Nesthitze."
"Wir sind hier hingezogen, weil uns die Gegend so super gut gefallen hat, weil es einfach sehr schön hier ist, sehr ruhig, sehr grün, mitten in der Stadt."
Das ruhige Stadtviertel ist geprägt von pittoresken Häusern in rosa, hellgrau, stachelbeergrün, himmelblau oder in schlichtem weiß gestrichenen Fassaden und mit grün eingefassten Vorgärten. Giebelhäuser bilden Eckpfeiler für die dazwischen sortierten Wohnblöcke für durchschnittlich drei Einfamilienreiheneigenheime. Aus Sprossenfenstern mit Klappläden blicken die Bewohner auf kopfsteingepflasterte Gassen, die sich Fußgänger und Autofahrer wie selbstverständlich teilen. Die Zeit scheint stehen geblieben, zur Freude der Denkmalschützerin Bettina Heine Hippler:
"Es gab zur Bauzeit noch keine Autos, es war auch bewusst so, dass man Wohnstraßen bauen wollte, das ist die Absicht von vornherein gewesen. Es gab bestimmte Erschließungsstraßen und alle anderen Straßen sind Wohnstraßen ohne Bürgersteig."
Ein Straßenfest mit Anziehungskraft, für alle Altersgruppen, egal ob mit Rollator oder im Kinderwagen. Keiner soll fehlen bei dem Nachbarschaftstreffen, ganz im Sinne der Architekten der Dortmunder Gartenstadt, sagt die Denkmalschützerin Bettina Heine- Hippler:
"Viele Siedlungen oder eine Gemeinschaftssiedlung kann eigentlich nur auf Dauer eine Gemeinschaftssiedlung bleiben, wenn jeder sich ein Stück in das Ganze einfügt und das heißt eben auch, dass wir bestimmte Gestaltungsprinzipien für die Siedlung brauchen um diesen Gesamtcharakter zu erhalten."
Dem fühlen sich die Hinzugezogenen ebenso verpflichtet wie die Alteingesessenen. Beim Straßenfest schildern sie die Vorzüge ihres Quartiers, südlich der vierspurigen B1 und entlang der Trasse der alten Hoeschbahn, die bis vor 30 Jahren den ungeheuren Erzhunger der benachbarten Hochöfen stillte:
"Man zieht in die Gartenstadt wegen der schönen Häuser, wegen des Kopfsteinpflasters, der alten Bäume, des Baumbestandes. Die Umgebung ist einfach wunderschön in Dortmund."
"Wir leben hier wie auf einem Dorf, 600 Meter südlich der meistbefahrenen Bundesstraßen. Man kann sich aufeinander verlassen, man geht sich nicht auf den Wecker, mit Nestwärme aber nicht mit Nesthitze."
"Wir sind hier hingezogen, weil uns die Gegend so super gut gefallen hat, weil es einfach sehr schön hier ist, sehr ruhig, sehr grün, mitten in der Stadt."
Das ruhige Stadtviertel ist geprägt von pittoresken Häusern in rosa, hellgrau, stachelbeergrün, himmelblau oder in schlichtem weiß gestrichenen Fassaden und mit grün eingefassten Vorgärten. Giebelhäuser bilden Eckpfeiler für die dazwischen sortierten Wohnblöcke für durchschnittlich drei Einfamilienreiheneigenheime. Aus Sprossenfenstern mit Klappläden blicken die Bewohner auf kopfsteingepflasterte Gassen, die sich Fußgänger und Autofahrer wie selbstverständlich teilen. Die Zeit scheint stehen geblieben, zur Freude der Denkmalschützerin Bettina Heine Hippler:
"Es gab zur Bauzeit noch keine Autos, es war auch bewusst so, dass man Wohnstraßen bauen wollte, das ist die Absicht von vornherein gewesen. Es gab bestimmte Erschließungsstraßen und alle anderen Straßen sind Wohnstraßen ohne Bürgersteig."
Gehen ohne Gehweg
Bettina Heine Hippler ist in der Gartenstadt aufgewachsen. Wie sie erinnert sich auch ihre Nachbarin aus der Straße ein paar Häuser weiter an den Straßenbau, mit dem die Anwohner nie Probleme hatten:
"Weil die Menschen Trottoirs nicht brauchten, die sind ja hier nur spazieren gegangen. In meiner Jugend, Ende der 40er-Jahre und Anfang der 50er-Jahre, gab es in dieser Straße zwei Autos. Eines fuhr der Arzt, der hier wohnte, und mein Vater hatte dann 1951 sein Auto, aber sonst gab
es keine Autos hier. Die Menschen gingen zu Fuß oder fuhren Fahrrad oder hatten einen Handwagen, um Sachen zu transportieren."
Auch Birgit Ambrosius stammt aus der Gartenstadt. Nach einer Auszeit kehrte sie zurück in das Giebelhaus im Kettlerweg, das ihre Großmutter 1917 gekauft hatte. Sie liebt das Blaubasaltpflaster in der schmalen Straße, dass dem ockergelben Gebäude mit weiß gestrichenen Fensterläden etwas Niedliches verleiht. Als in den 70er-Jahren das Pflaster asphaltiert werden sollten, verhinderte Birgit Ambrosius mit einer Unterschriftensammlung die Modernisierung des Straßenbelags und erwirkte eine Garantie der Bezirksregierung Arnsberg für den Erhalt des alten Kopfsteinpflasters. Für junge Familien mit Kindern ist das von unschätzbarem Wert:
"Dass die Autos gar nicht so schnell fahren können, aufgrund des Kopfsteinpflasters. Da muss man halt 10, 20 Km/h fahren und gerade in diesen Seitengassen, die klein und eng sind, wo die Autos natürliche Barrieren sind. Da ist es für die Kinder ganz toll, da hat man quasi eine Spielstraße für sich. Die Kinder können sich frei bewegen, die haben ihre Spielsachen und die werden auch regelmäßig rausgeräumt auf die Straßen geräumt. Und das sind so die natürlichen Barrieren für die Autofahrer. Und selbst wenn ein Roller auf der Straße liegt, wird halt eben angehalten und dann wird er weggeräumt.
Vielleicht deshalb wachen die Gartenstadtbewohner besonders aufmerksam über Ausbesserungen am Straßenbelag, erzählt Bettina Heine-Hippler aus eigener Erfahrung:
""Als Reparaturmaßnahmen im letzten Jahr hier am Platz gelaufen sind, da habe ich dann den Bauarbeiter gefragt, ob auch das alte Pflaster wieder reinkommt. Da hat der völlig entnervt zu mir gesagt, sie sind schon die Zehnte, die heute fragt. Also hier wird unglaublich geguckt, dass auch
tatsächlich dieses Pflaster wieder rein kommt, dass es ordentlich verlegt wird, weil wir einfach dieses Pflaster lieben mit den Buckeln, die es hat. Das gehört dazu."
Die Entstehung der dörflichen Idylle am Rande der Großstadt verdanken die Bewohner der Dortmunder Gartenstadtgesellschaft, die 1910 eine Genossenschaft gegründet hatte, mit dem Ziel:
"Minderbemittelten Mitgliedern gesunde und zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten oder angekauften Häusern in gartenstadtmäßig erschlossenem Gelände zu tunlichst billigen Preisen zu verschaffen, ist der Zweck der Genossenschaft, die unter dem Namen Gartenstadt Dortmund‘ am 29. November 1910 gegründet worden ist. Kleinhaus und Garten sollen auch den mittleren Einkommensschichten unserer Bevölkerung die Möglichkeit des Wohnens im Freien wieder gewähren und damit zur Volkswohlfahrt beitragen."
"Weil die Menschen Trottoirs nicht brauchten, die sind ja hier nur spazieren gegangen. In meiner Jugend, Ende der 40er-Jahre und Anfang der 50er-Jahre, gab es in dieser Straße zwei Autos. Eines fuhr der Arzt, der hier wohnte, und mein Vater hatte dann 1951 sein Auto, aber sonst gab
es keine Autos hier. Die Menschen gingen zu Fuß oder fuhren Fahrrad oder hatten einen Handwagen, um Sachen zu transportieren."
Auch Birgit Ambrosius stammt aus der Gartenstadt. Nach einer Auszeit kehrte sie zurück in das Giebelhaus im Kettlerweg, das ihre Großmutter 1917 gekauft hatte. Sie liebt das Blaubasaltpflaster in der schmalen Straße, dass dem ockergelben Gebäude mit weiß gestrichenen Fensterläden etwas Niedliches verleiht. Als in den 70er-Jahren das Pflaster asphaltiert werden sollten, verhinderte Birgit Ambrosius mit einer Unterschriftensammlung die Modernisierung des Straßenbelags und erwirkte eine Garantie der Bezirksregierung Arnsberg für den Erhalt des alten Kopfsteinpflasters. Für junge Familien mit Kindern ist das von unschätzbarem Wert:
"Dass die Autos gar nicht so schnell fahren können, aufgrund des Kopfsteinpflasters. Da muss man halt 10, 20 Km/h fahren und gerade in diesen Seitengassen, die klein und eng sind, wo die Autos natürliche Barrieren sind. Da ist es für die Kinder ganz toll, da hat man quasi eine Spielstraße für sich. Die Kinder können sich frei bewegen, die haben ihre Spielsachen und die werden auch regelmäßig rausgeräumt auf die Straßen geräumt. Und das sind so die natürlichen Barrieren für die Autofahrer. Und selbst wenn ein Roller auf der Straße liegt, wird halt eben angehalten und dann wird er weggeräumt.
Vielleicht deshalb wachen die Gartenstadtbewohner besonders aufmerksam über Ausbesserungen am Straßenbelag, erzählt Bettina Heine-Hippler aus eigener Erfahrung:
""Als Reparaturmaßnahmen im letzten Jahr hier am Platz gelaufen sind, da habe ich dann den Bauarbeiter gefragt, ob auch das alte Pflaster wieder reinkommt. Da hat der völlig entnervt zu mir gesagt, sie sind schon die Zehnte, die heute fragt. Also hier wird unglaublich geguckt, dass auch
tatsächlich dieses Pflaster wieder rein kommt, dass es ordentlich verlegt wird, weil wir einfach dieses Pflaster lieben mit den Buckeln, die es hat. Das gehört dazu."
Die Entstehung der dörflichen Idylle am Rande der Großstadt verdanken die Bewohner der Dortmunder Gartenstadtgesellschaft, die 1910 eine Genossenschaft gegründet hatte, mit dem Ziel:
"Minderbemittelten Mitgliedern gesunde und zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten oder angekauften Häusern in gartenstadtmäßig erschlossenem Gelände zu tunlichst billigen Preisen zu verschaffen, ist der Zweck der Genossenschaft, die unter dem Namen Gartenstadt Dortmund‘ am 29. November 1910 gegründet worden ist. Kleinhaus und Garten sollen auch den mittleren Einkommensschichten unserer Bevölkerung die Möglichkeit des Wohnens im Freien wieder gewähren und damit zur Volkswohlfahrt beitragen."
Die Industrialierung sorgt für Landflucht
Noch bis in die 1980er-Jahre sorgten die Abgase der Fabriken im Ruhrpott für eine extreme Luftverschmutzung. (Bild: AP)
Seit Mitte des 19 Jahrhunderts entwickelte sich das Ruhrgebiet zu einer Industrieregion mit schlechten und ungesunden Wohnverhältnissen. Sieben bis acht Personen lebten auf engstem Raum. Das wollte die Gartenstadtbewegung ändern, mit bezahlbarem Wohnungsbau für Familien. In Dortmund drohte das Vorhaben, an der Bodenfrage zu scheitern. Verhandlungen mit den erschiedensten Grundbesitzern waren erfolglos. Erst als die Stadt, nach der Eingemeindung des damaligen Vorortes Körne, der Genossenschaft Grundstücke zur Verfügung stellte, konnte das Projekt verwirklicht werden. Die Historikerin Bettina Heine Hippler erläutert die Besonderheiten:
"Es gab viele Arbeitgeber. Vor allen Dingen die Stahl und die Zechen, die auch Wohnungsbau betrieben haben, gezielt Werkswohnungsbau betrieben haben. Dortmund hat in der Ausbauphase etwa 140 Siedlungen gehabt. Und die Gartenstadt war aber eben keine Werkssiedlung, sondern war eben eine Genossenschaft von Andersdenkenden, die das Ziel des gemeinschaftlichen Zusammenlebens und gemeinschaftlichen Eigentums hatten."
Pionier der Genossenschaftsidee war der Engländer Ebenezer Howard, der schon Ende des 19. Jahrhunderts für Großstädte eine Gartensiedlung am Rande der Stadt empfahl. Im Zuge der Industrialisierung hatte eine Landflucht eingesetzt, immer mehr arbeitssuchende Menschen strömten in die Städte, die durch den Massenansturm immer schmutziger wurden und zu verfallen drohten. Aus dieser baulichen und hygienischen Not heraus entstand die Gartenstadtbewegung mit neuen Konzepten für bessere Wohnformen, erzählt die Historikerin:
"Ganz wesentlich ist erst mal der Gedanke, dass Grund und Boden im Gemeinschaftseigentum sind. Das war mal eine Voraussetzung, dann
sollten eben die Grundstücke und Gebäude so geschnitten sein, dass sie auch tatsächlich attraktive Wohnverhältnisse darstellen. Licht, Luft und Sonne, das ist so das Typische für die Zeit, aber letztendlich sind das die Grundgedanken: der Bau eines Gemeinschaftshauses und eben der
Wunsch für Familien Grund und Boden zu finanzierbaren Möglichkeiten zu schaffen.
Nach englischem Vorbild wurde die erste deutsche Gartenstadt in Karlsruhe gebaut, es folgten weitere in Dresden, Nürnberg, Berlin und in Essen auf der Margarethenhöhe. Wie das international prominenteste Beispiel, das Krupp für seine Angestellten gebaut hat, waren die meisten Gartenstädte als Werkssiedlungen konzipiert. Diese Arbeiter verfügten zwar über ein festes Einkommen, das aber für den Kauf eines Eigenheimes nicht ausreichte. Anders dagegen in Dortmund. Hier wandte sich die Genossenschaft zunächst an städtische Angestellte, die den
Mitgliedsbeitrag bezahlen konnten, sagt Bettina Heine-Hippler nach intensivem Quellenstudium:
Man musste Anteile kaufen, um dann für sich das Recht zu erwerben, ein Gebäude übertragen zu bekommen, im Grunde genommen konnte jeder kaufen, der in der Lage war, diesen Mitgliedsbeitrag zu bezahlen, das waren zunächst 300 DM. Das hört sich unglaublich wenig an, aber das war für die damaligen Verhältnisse sehr viel, vom Grundsatz hätte hier jeder kaufen können, der den Mitgliedseigenanteil erbringen konnte.
Nach der Grundsteinlegung im August 1913 wurden bereits acht Monate später die 40 Häuser des ersten Bauabschnitts bezogen. Nach den Plänen des Architekten Heinrich Metzendorf, dessen Bruder bereits die Essener Margarethenhöhe gebaut hatte, waren die Wohnhäuser nach Süden ausgerichtet, um den Genossenschaftsmitgliedern ein ruhiges Heim mit großem Garten zu bieten. Schon damals bestimmte das Einkommen die Wohnverhältnisse:
Die größten und teuersten Grundstücke mit Häusern im Landhausstil entstanden entlang der heutigen B 1, als der Westfalendamm noch eine Chaussee mit Reitweg war. Im Aufteilungsplan der Gartenstadt-Genossenschaft standen unterschiedliche Haustypen, die je nach Wohnraum und Ausstattung zwischen 12 und 25.000 Mark kosteten. Am preiswertesten war ein Reihenhaus mit einer Grundfläche von ca. 40 Quadratmetern. Im Erdgeschoss mit Küche, Wohnzimmer und Veranda, Badezimmer. Zwei Schlafzimmer befanden sich im Obergeschoss. Dass teuerste Haus mit 70 Quadratmetern Grundfläche hatte zwei Wohnräume und Veranda im Erdgeschoss. Die Küche befand sich im Keller, drei Schlafzimmer sowie ein Bad im Obergeschoss. Unter dem Dach gab es noch zwei Mansarden für das Personal. Die Häuser in der Gartenstadt mit Heizung, Badewanne und Wasserklosett zeugten für die damalige Zeit von höchstem Wohnkomfort. Die Dortmunder Zeitung schrieb am 22. März 1914:
""Die innere Einrichtung und die Anordnung der Zimmer zueinander sind überall von dem Grundsatz getragen, bei größter Zweckmäßigkeit möglichst geringe Kosten zu verursachen. Jeder Quadratzentimeter des Grundrisses ist nutzbar gemacht, besonders interessant für die meisten Häuser ist die eingebaute zentrale Kachelofenheizung. Die Kachelöfen, die meistens von
der Küche aus bedient werden, sind so angeordnet, dass sie stets zwei nebeneinanderliegende Wohnräume, gleichzeitig aber auch Luft anwärmen und durch besondere Luftkanäle in die darüber liegenden Schlafzimmer und das Treppenhaus führen."
An die Zentralheizung mit dem dunkelblauen Kachelofen und der Ofenbank, auf der ihre Urgroßmutter immer saß, erinnert sich Birgit Ambrosius bis heute. Aber dieser Komfort war auch mit Arbeit verbunden:
"Ja, da kam der Kohlewagen und schüttete einen Riesenbereich mit Briketts vors Haus, und die mussten dann darein geschaufelt werden in den Kohlenkeller. Da war so eine Rutsche dran und dann wurden die Kohlen in den Kohlenkeller geschüttet und von da immer mit der Kohlentüte nach oben getragen, um zu heizen."
Aber der Architekt Heinrich Metzendorf plante nicht nur Häuser an schmalen Wohngassen und breiteren Erschließungsstraßen, sondern für ihn gehörten auch aufwendig gestaltete Gärten und Grünflächen in eine Gartenstadt, sagt Britta Heine Hippler:
"Also es gab schon sehr früh das Bewusstsein, hier in der Gartenstadt auf eine besondere Gestaltung Wert zu legen. Das dokumentiert sich zum Teil in diesen weißen Gartentüren. Es gab einen rückwärtigen Bereich, einen Nutzgarten. Und in dem Bereich zum Haus hin gab es ein Blumenbeet also einen Schmuckgarten und das zeigt sich an verschiedenen Stellen. Innerhalb der Gartenstadt gibt es noch Eigentümer, die den Garten auch in der Form nutzen."
Die dafür notwendigen Sämereien und Anleitungen gab es in der Gärtnerei der Gartenstadt. Das Gebäude steht noch, ist unter Denkmalschutz gestellt, erzählt die Fachfrau und blickt auf die Sprossen der Bogenfenster und die grünen Fensterläden an der gelb gestrichenen Fassade:
"Ja, das ist eines der ältesten Gebäude hier in der Gartenstadt, das ist im ersten Bauabschnitt entstanden. Die ehemalige Gärtnerei mit einer Heizanlage auf der Rückseite, mit den Resten des ehemaligen Treibhauses, das ist ein sehr kleines Gebäude in der Grundfläche, aber eben noch mit dem Kachelofen und allen Ausstattungsstücken, die zur damaligen Bauzeit eben hier realisiert worden sind. Heute wirkt das Ganze wie im Märchen. Die beiden großen Ahorne, die links vom
Gebäude stehen und eigentlich den Zugang zum ehemaligen Gärtnereigelände dargestellt haben, sind inzwischen über 100 Jahre alt und haben eine Größe erreicht, die einfach fantastisch ist. Schön, dass es erhalten ist."
Heute haben zwei Landschaftsarchitekten die kleine Villa gemietet und wohnen mittlerweile seit 25 Jahren mit allen Vor- und Nachteilen im Schatten der hundertjährigen Bäume. Wolfgang Cedan hat sich damit längst arrangiert:
"Es verschattet natürlich sehr viel und die Ostseite ist schon ziemlich Dunkel. Wenn die Belaubung kommt, wird es schlagartig dunkel und dann ist es fast schon zum Baumhaus geworden, weil der Baum schon ziemlich rumgeht und dahinter stehen noch ein paar Birken. Aber, wenn man Bäume mag, dann kann man damit leben."
Sammelsurium der archtektonischen Geschmäcker
Eine andere Variante der Gartenstadt-Idee: Reihenhäuser in der von Bruno Taut entworfenen Gartenstadt Falkenberg in Berlin. (Bild: AP Archiv)
Das 100 Jahre alte Baudenkmal steht am Grabbeplatz, wo heute das Straßenfest gefeiert wird. Umrahmt von imposanten Fassaden mit Schmuckgiebeln, die an die holländische Renaissance erinnern. Der historisch anmutende Heimatstil trägt die Handschrift unterschiedlicher Architekten, die nach dem Ausscheiden von Metzendorf 1914 im Auftrag der Genossenschaft den Weiterbau verantwortet haben. Auch das ist eine Besonderheit der Dortmunder Gartenstadt, sagt die Historikerin:
"Die Gebäude waren eben zu keinem Zeitpunkt einheitlich gestaltet, und damit unterscheidet sich die Gartenstadt eben auch von den Arbeitersiedlungen, die eben einen Bauherrn, einen Architekten und eine Gestaltqualität hatten. Die Gartenstadt war immer von unterschiedlichen Architekten gebaut und immer für den Privateigentümer. Und letztendlich spiegelt hier jedes Gebäude den Geschmack des Architekten und des Eigentümers wieder."
Nur die Größe der Häuser wurde nicht verändert, weshalb viele Familien neu bauten, außerhalb der Gartenstadt, erzählt Birgit Ambrosius, Anwohnerin des Kettlerwegs :
"Meine Eltern zogen 1958 hier raus, weil das Haus zu klein wurde mit drei Kindern und Mutter. Und das Haus wurde dann vermietet und die neuen Mieter wollten eine Zentralheizung und dann wurde dieser wunderschöne dunkelblaue Kachelöfen einfach rausgehauen."
Sehr zum Leidwesen der Eigentümerin, die nach der Gründung einer eigenen Familie wieder zurück in die Gartenstadt gezogen ist, in das Haus ihrer Großmutter. Dort, wo sie selbst eine glückliche Kindheit verbrachte und ihre Großmutter das erste Kaufhaus betrieben hatte, sollten auch ihre Kinder unbeschwert aufwachsen. In einem Viertel, das zu den ersten Adressen der Stadt zählt:
"Die hat einen sehr hohen Status zweifellos, aber ich glaube nicht dass das den Bewohnern wichtig ist, jedenfalls nicht denen, die schon immer hier wohnen. Die Gartenstadt hat einfach eine gewachsene Bevölkerung, eigentlich aus allen Schichten, es ist nicht neureich und die Menschen, die hier herziehen wissen, dass sie das tun wegen der Wohnqualität und nicht wegen der schicken Häuser."
Die Häuser mit den gewachsenen Gärten und dem altem Baumbestand gibt es nur in Ausnahmefällen noch zu kaufen und wenn, dann haben sie ihren Preis, sagt der Immobilienmarkler Dieter Stratemann:
"Grundstücke gibt es im Grunde überhaupt nicht mehr in der Gartenstadt, Häuser gibt es auch nur wenn jemand wegzieht oder, wenn er unbedingt verkaufen muss , aber es ist relativ selten und dann werden natürlich auch sehr hohe Preise verlangt mit einer gewissen Berechtigung, weil natürlich auch das Leben hier sehr angenehm ist. Es sind keine Hochhäuser hier, es ist sehr viel Grün in der Gartenstadt, es macht einfach Spaß hier zu leben, es ist so ein bisschen wie auf dem
Dorf."
Lebensqualität, die unbezahlbar ist und auf die in der Gartenstadt niemand verzichten möchte. Vielleicht halten sich auch deshalb so viele Anwohner an die strenge Bausatzung zum Schutz des Ensembles. Die meisten Gartenstädter haben sich arrangiert mit den kleineren Grundrissen vergangener Zeiten, die nicht unbedingt den heutigen Wohnvorstellungen entsprechen. Die Idee der
Gartenstadtbewegung von Gemeinschaft ist Wirklichkeit geworden.
"Hier wohnen junge Familien, hier wohnen Alteingesessene, das ist eine nette Mischung, glaub ich ehrlich gesagt. Auf jeden Fall dürfen die Kinder mal ruhig ein bisschen lauter sein, da hat sich noch nie jemand beschwert, vielleicht weil die älteren Leute auch Enkelkinder haben und sich eigentlich auch freuen, wenn Kinder mal ein bisschen lärmen. Also es passt einfach. Kinder können eigentlich überall spielen. Es gibt Straßen, wo sehr sehr wenig los ist. Man kann die dann auch mal ohne allzu große Sorgen einfach allein auf Jück schicken. Hier wohnen gegenüber überall Kinder, die Schule ist ganz nah , die können dahin laufen. Und wenn die älter sind, können sie mal eben mit der Bahn in die Stadt fahren, also wir haben alles was wir brauchen, sind aber auch im Grünen."
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