Eine Liebe in Zeiten der Stadt-Guerilla
Ein junger Mann in den Wirren der bürgerkriegsähnlichen Unruhen der 1970er-Jahre in der Türkei - davon handelt der Roman "Schwarzer Himmel, schwarzes Meer" von Izzet Celasin. Doch noch prägender als die Politik scheint für den Titelhelden eine Liebesgeschichte gewesen zu sein.
Der Autor Izzet Celasin ist Jahrgang 1958 und zählt zu den "Achtundsiebzigern", der Generation, die durch die bürgerkriegsähnlichen Unruhen und Attentate der späten 1970er-Jahre und durch die darauf folgende Militärdiktatur politisiert wurden. Celasin kam schon als Schüler und Hochschüler in Istanbul mit Oppositionspolitik in Berührung und engagierte sich in diversen linken Gruppierungen - vor, während und nach dem Militärputsch vom 12. September 1980.
Als militanter Aktivist während der Kämpfe linker und rechter Extremisten in den siebziger Jahren saß Celasin nach dem Putsch mehrere Jahre im Gefängnis und gelangte 1988 als politischer Flüchtling nach Norwegen. Er hat die Sprache gewechselt und lebt heute als Übersetzer und Autor in Oslo. Sein literarischer Erstlingsroman, der Bürgerkriegs- und Widerstandsroman "Schwarzer Himmel, schwarzes Meer", ist auf Norwegisch geschrieben und im Vorjahr in Oslo erschienen.
Der Roman behandelt den Beginn einer bewaffneten Stadt-Guerilla rund um den türkischen Militärputsch von 1980, einer militanten Untergrund-Bewegung nach Art der RAF oder der Tupamaros in Montevideo. Außerdem ist er eine Art Bildungs- und Entwicklungsroman und erzählt die vier lebensbestimmenden Jahre von 1977 bis 1981 eines Istanbuler Schülers und Studenten mit dem Spitznamen "Eiche".
Erzählt wird aus Eiches Sicht, der als Schüler in die radikale linke Szene hineingezogen wird, den entscheidenden Schritt in den Untergrund aber nicht wagt. Es sind für ihn Jahre der Erweckung - eher der erotischen als der politischen, denn mehr als in die Revolution ist Eiche in die feurige und trotzige Revolutionärin Zuhal verliebt, die um drei Jahre älter, aber um Dezennien reifer, erfahrener und entschlossener ist als er.
Kennengelernt hat sie der 18-jährige Schüler während der Demonstrationen zum 1. Mai 1977 auf dem Taksim-Platz, die mit einer Massenpanik und 34 Toten endeten, als die Polizei (oder geheime Sondertruppen des Militärs?) in die Menschenmenge schoss.
Danach begegnet ihr der Junge erneut: In den Markthallen am Goldenen Horn engagiert sich die Studentin Zuhal in Alphabetisierungskursen für kurdische Hallenarbeiter. "Du solltest dich uns anschließen", schreibt sie dem Jungen dann von einer Studienreise ins anatolische Hinterland, die in Wahrheit dem Aufbau einer Guerilla unter den Gebirgsbauern gilt. Aber Eiche macht lieber den Schulabschluss am Gymnasium und die Aufnahmeprüfung an die Istanbuler Universität.
Danach allerdings driftet er im Gefolge Zuhals, nur halb entschlossen, aber ganz verliebt, für eine Weile in den linken Aktivismus. Bei einer Demonstration für landflüchtige Hüttenbauer am Schmutzrand von Istanbul wird er erstmals verhaftet, lernt die Foltermethoden der Anti-Terror-Polizei kennen und begreift:
"Wir können diesen Krieg nicht mit Waffengewalt gewinnen, Zuhal."
Schritt für Schritt erzählt Izzet Celasin im zweiten und dritten Teil des Romans den Bruch zwischen Gewaltbereiten und Gewaltlosen innerhalb der revolutionären Studentenschaft. Während Zuhal sich der bewaffneten Stadt-Guerilla im Untergrund anschließt und eine Terroristen-Karriere à la Gudrun Ensslin mit breiter Blutspur beginnt, entfernt sich ihr zögerlicher junger Freund immer mehr von ihr, sieht passiv zu, wie während des Militärputsches "das gesamte Land in eine große Garnison verwandelt wird" und summiert voll schlechten Gewissens lauter kleine Treulosigkeiten zum großen Treubruch, zum ultimativen Verrat an der immer noch bewunderten Zuhal.
"Schwarzer Himmel, schwarzes Meer" ist der Roman eines halbherzigen Mitläufers, der sich, wie viele linke Sympathisanten, im Ernstfall lieber wegduckt. Zugleich ist das Buch eine Hommage an die Magie Istanbuls, allen genau beobachteten Verschandelungen der alten Osmanen-Metropole zum Trotz, ein Abgesang auf die dekadente Schönheit dieser Stadt.
Rezensiert von Siegrid Löffler
Izzet Celasin: Schwarzer Himmel, schwarzes Meer
Aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob
Kiepenheuer & Witsch 2008
399 Seiten, 19,95 Euro
Als militanter Aktivist während der Kämpfe linker und rechter Extremisten in den siebziger Jahren saß Celasin nach dem Putsch mehrere Jahre im Gefängnis und gelangte 1988 als politischer Flüchtling nach Norwegen. Er hat die Sprache gewechselt und lebt heute als Übersetzer und Autor in Oslo. Sein literarischer Erstlingsroman, der Bürgerkriegs- und Widerstandsroman "Schwarzer Himmel, schwarzes Meer", ist auf Norwegisch geschrieben und im Vorjahr in Oslo erschienen.
Der Roman behandelt den Beginn einer bewaffneten Stadt-Guerilla rund um den türkischen Militärputsch von 1980, einer militanten Untergrund-Bewegung nach Art der RAF oder der Tupamaros in Montevideo. Außerdem ist er eine Art Bildungs- und Entwicklungsroman und erzählt die vier lebensbestimmenden Jahre von 1977 bis 1981 eines Istanbuler Schülers und Studenten mit dem Spitznamen "Eiche".
Erzählt wird aus Eiches Sicht, der als Schüler in die radikale linke Szene hineingezogen wird, den entscheidenden Schritt in den Untergrund aber nicht wagt. Es sind für ihn Jahre der Erweckung - eher der erotischen als der politischen, denn mehr als in die Revolution ist Eiche in die feurige und trotzige Revolutionärin Zuhal verliebt, die um drei Jahre älter, aber um Dezennien reifer, erfahrener und entschlossener ist als er.
Kennengelernt hat sie der 18-jährige Schüler während der Demonstrationen zum 1. Mai 1977 auf dem Taksim-Platz, die mit einer Massenpanik und 34 Toten endeten, als die Polizei (oder geheime Sondertruppen des Militärs?) in die Menschenmenge schoss.
Danach begegnet ihr der Junge erneut: In den Markthallen am Goldenen Horn engagiert sich die Studentin Zuhal in Alphabetisierungskursen für kurdische Hallenarbeiter. "Du solltest dich uns anschließen", schreibt sie dem Jungen dann von einer Studienreise ins anatolische Hinterland, die in Wahrheit dem Aufbau einer Guerilla unter den Gebirgsbauern gilt. Aber Eiche macht lieber den Schulabschluss am Gymnasium und die Aufnahmeprüfung an die Istanbuler Universität.
Danach allerdings driftet er im Gefolge Zuhals, nur halb entschlossen, aber ganz verliebt, für eine Weile in den linken Aktivismus. Bei einer Demonstration für landflüchtige Hüttenbauer am Schmutzrand von Istanbul wird er erstmals verhaftet, lernt die Foltermethoden der Anti-Terror-Polizei kennen und begreift:
"Wir können diesen Krieg nicht mit Waffengewalt gewinnen, Zuhal."
Schritt für Schritt erzählt Izzet Celasin im zweiten und dritten Teil des Romans den Bruch zwischen Gewaltbereiten und Gewaltlosen innerhalb der revolutionären Studentenschaft. Während Zuhal sich der bewaffneten Stadt-Guerilla im Untergrund anschließt und eine Terroristen-Karriere à la Gudrun Ensslin mit breiter Blutspur beginnt, entfernt sich ihr zögerlicher junger Freund immer mehr von ihr, sieht passiv zu, wie während des Militärputsches "das gesamte Land in eine große Garnison verwandelt wird" und summiert voll schlechten Gewissens lauter kleine Treulosigkeiten zum großen Treubruch, zum ultimativen Verrat an der immer noch bewunderten Zuhal.
"Schwarzer Himmel, schwarzes Meer" ist der Roman eines halbherzigen Mitläufers, der sich, wie viele linke Sympathisanten, im Ernstfall lieber wegduckt. Zugleich ist das Buch eine Hommage an die Magie Istanbuls, allen genau beobachteten Verschandelungen der alten Osmanen-Metropole zum Trotz, ein Abgesang auf die dekadente Schönheit dieser Stadt.
Rezensiert von Siegrid Löffler
Izzet Celasin: Schwarzer Himmel, schwarzes Meer
Aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob
Kiepenheuer & Witsch 2008
399 Seiten, 19,95 Euro