Eine Leiche im Vulkansee

Von Ludger Fittkau · 19.09.2009
Die Eifel hat sich als Handlungsort für handfeste Krimis spätestens durch die populären Eifel-Krimis von Jacques Berndorf etabliert. Das Krimifestival "Tatort Eifel" ist da nur folgerichtig: Die mit dem Deutschen Kurzkrimipreis bedachten Geschichten müssen alle in der Eifel spielen.
"Frau Heinze hat sich bei mir persönlich nicht abgemeldet, aber ich glaube, sie hatte gute Gründe, nicht zu erscheinen."

Sagt Julia Röskau, eine der Organisatorinnen des Krimifestivals Tatorts Eifel. Doch auch ohne Doris Heinze war reichlich Prominenz aus Literatur und TV-Krimi in der Vulkaneifel vertreten. Von Maj Sjöwall über Jacques Berndorf bis Senta Berger reichte die Liste der Festivalgäste. Sie beschäftigten sich unter anderem mit der Frage, warum in Film und Fernsehen für fiktionale Stoffe gerade angeblich nichts mehr geht - außer eben in Krimis. Widerspruch kam von einem der heute gekürten Preisträger des "Deutschen Kurzkrimipreises", dem Hamburger Autor Thomas Kiehl:

"Ich glaube aber eigentlich, dass es ein enormes Potential auch in Deutschland gibt, man sieht es ja in der letzten Zeit auch am amerikanischen Independent-Film - Little Miss Sunshine oder so was, die dann auch in Deutschland sehr gut ankommen, dass man auch mit Dramen und anderen Geschichten die Leute begeistern kann. Bloß momentan, das wurde ja auch in den letzten Tagen besprochen: Man erzieht ein Publikum und man muss die dann auch wieder ein bisschen umerziehen. Die sind halt Krimi gewöhnt und Krimi hat eine besondere Art von Spannung, ein Drama hat eine andere Art von Spannung, da muss ich ein bisschen umerziehen."

"Sudokaman" heißt Kiehls Geschichte, mit der er unter 400 Bewerbern einen der drei Kurzkrimi-Preise ergatterte. In einem hässlichen Café im Städtchen Meckenheim bei Bonn treffen sich skurrile Gestalten, die an einen Kaurismäki-Film erinnern. Nach einem Jahr weitgehenden Schweigens und Zahlenpuzzle-Spielen passiert dort irgendwann mal quasi beiläufig ein Mord. Kiehl beschreibt Meckenheim als einen Ort wie New York - allerdings ohne Freiheitsstatue, ohne Meer, ohne Autos und Menschen. Die Ich-Erzählerin ist eine völlig gelangweilte Kellnerin:

"Eifelturm heißt das Café, in dem ich arbeite. Eifelturm, wohlgemerkt mit einem F. Ich arbeite hier schon so lange, dass mir eigentlich eine Betriebsrente zustehen müsste. Aber so etwas gibt es in der Eifel nicht. So etwas gibt es nur in großen Städten wie Bonn, Aachen oder eben New York."

Schöne: "Kulturkritik, Gesellschaftskritik, das was schon oft ein Anliegen des Krimis. Es wurde ja schon jahrzehntelang wunderbar vorgelebt und wird auch in diesen kleinen Geschichten nun wunderbar weiterleben."

3-Sat-Redakteur Martin Schöne gehörte zur Jury, die den "Deutschen Kurzkrimipreis" heute Abend vergab. Neben Thomas Kiehl wurden Nele Peerenboom und Anke Laufer prämiert. Die Vorgabe für die 400 Wettbewerbsteilnehmer: Ihr Kurzkrimi musste in der Eifel spielen. Anke Laufer gewann den ersten Preis für ihre verwickelte Geschichte einer Leiche im sogenannten "Totenmaar", einem der Kraterseen in der Vulkaneifel. Die Story beginnt mit einer Anhalterin, die zu Fuß auf einer einsamen Landstraße in Richtung Daun unterwegs ist:

"Jolanta Hurm, 51, wird zur selben Zeit in ihrem silbergrauen Opel Corsa auf derselben Straße stadtauswärts unterwegs sein, um ihre kranke Mutter in Gillenfeld zu versorgen. Durch das offene Fenster ihres Wagens wird die kalte Herbstluft herein schießen und nach der von Pflugmaschinen aufgerissenen Erde duften. Jolanta hat erst von der Trennung von ihrem Mann den Führerschein gemacht. Sie bremst herunter, als an diesem Morgen eine große Erntemaschine die Luft zu einer schmalen Schicht zusammenpresst."

Kurze Zeit später hat sie die Anhalterin überfahren und taucht die Leiche kurz entschlossen in den Vulkansee.

Das Krimifestival "Tatort Eifel" ist nach einem Jahrzehnt zu einer der ersten deutschen Adressen für den Austausch von Genre-Autoren geworden. Stefan Feik, Drehbuchautor aus Mainz, war sogar eine ganze Woche lang in Daun:

"Also, das ist schon was ganz Außergewöhnliches und dadurch, dass es ein so konzentriertes Festival ist, man sich auch, wenn man sich nicht kennt, irgendwann über den Weg läuft, ins Gespräch kommt und tatsächlich auch Kontakte machen kann."

Dass Doris Heinze nicht da war, konnte man deshalb am "Tatort Eifel" schließlich gut verschmerzen.