"Eine Kunstsammlung vom Allerfeinsten"
Am Orient habe die sächsischen Fürsten vor allem die "Regierungskunst", die "Macht am Hofe, das Protokollarische, Repräsentation in unterschiedlichen Kulturen und Zivilisationen" interessiert, sagt Martin Roth, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, vor der Eröffnung der Orientsammlung "Türckische Cammer".
Susanne Führer: … sagt der Direktor der Dresdner Rüstkammer, Dirk Syndram, über die "Türckische Cammer", die morgen mit einem Festakt feierlich eröffnet wird. Das wird dann die zweite prachtvolle Besucherattraktion neben dem Grünen Gewölbe, das ja schon im Jahr 2006 seine Wiedereröffnung feiern konnte. Herr über all diese Schätze ist Martin Roth, der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlung Dresden. Guten Tag, Herr Roth!
Martin Roth: Tag, Frau Führer!
Führer: Erzählen Sie doch mal, wie ist denn Dresden an all diese Schätze der "Türckischen Cammer" gekommen? Wurden sie geklaut, gekauft, geschenkt?
Roth: Von allem etwas. Die Frage nach der Beute ist in der Tat immer die erste, die kommt, insbesondere wenn wir in der Türkei präsentieren, was wir hier in Dresden machen. Und wenn wir dann sagen, dass es zwar einige wenige Stücke sind, aber der Rest von anderer Provenienz ist, dann sind doch die meisten sehr beruhigt. Also das ist sozusagen wirklich die Hürde, die wir immer zuerst nehmen müssen. Vieles andere – und das spricht natürlich auch für die inhaltliche Dimensionen für die Sammelleidenschaft der Herrscher in Dresden – ist wie heute auch der Kunstmarkt, sind protokollarische Geschenke, sind Geschenke der Habsburger und vieler anderer mehr. Aber es ist wirklich eine Kunstsammlung vom Allerfeinsten, die sich über viele Jahrhunderte dort bewahrt hat, und das ist, glaube ich, das größte Wunder an allem.
Führer: Ich habe gehört, dass im 18. Jahrhundert sächsische Diplomaten regelrecht auf Einkaufstouren nach Istanbul geschickt worden sind, um dort besonders prachtvolle Stücke für den Dresdner Hof anzukaufen. Was hat die sächsischen Fürsten eigentlich damals so interessiert am Orient?
Roth: Heute würde man das vielleicht Interesse an Regierungskunst, an Governments oder so ähnlich nennen, das heißt, das ist die Macht, die Macht am Hofe, das Protokollarische, Repräsentation in unterschiedlichen Kulturen und Zivilisationen. So hat man sich für den Kaiserhof in Peking interessiert - genauso wie für den Mogulhof und eben auch für den Hof des Sultans. Und das sammelt man eben dann auch in aller Breite, nicht nur in einzelnen Objekten, und das zelebriert man dann auch in Festen und in großen protokollarischen Aktionen.
Führer: Der Kunstwissenschaftler Nikolaus Bernau hat, wie ich finde, sehr schön gesagt: Die "Türckische Cammer" ist in weiten Teilen Pracht gewordene Diplomatie, und das sei erstaunlich, vor allem vor dem Hintergrund, weil ja heute die meisten Sammlungen osmanischer Kunst immer noch Türkenbeute heißen.
Roth: Ja, das ist natürlich in der Tat eine sehr schöne Bezeichnung dafür, hat auch sehr viel übrigens mit Furcht und Ehrfurcht zu tun, auch ein schöner Doppelbegriff, der, glaube ich, ziemlich treffend ist für das, was man da sehen wird. Es sind sehr viele Waffen darunter, das ist durchaus auch erklärungsbedürftig, weil das eben auch Gastgeschenke sind oder Symbole, Zeichen – für uns heute schwer nachvollziehbar, aber in jener Zeit und vor allen Dingen natürlich in der orientalischen oder arabischen oder osmanischen Welt sicherlich ein Statussymbol. Und ich wurde gestern gefragt, ob an diesen Waffen Blut klebt. Um Gottes Willen, nein, natürlich nicht, sondern das sind Wiedererkennungszeichen, Repräsentationszeichen, und das macht die Sammlung insgesamt aus.
Führer: Wir haben vorhin im Beitrag den Direktor Dirk Syndram gehört, der hat gesagt, die türkischstämmigen Bürger Deutschlands könnten in der "Türckischen Cammer" dem Reichtum der eigenen Geschichte begegnen. Es soll türkischsprachige Führungen und Prospekte geben, und Sie haben auf Millionen von Dönertüten auf Deutsch und auf Türkisch für die Ausstellung geworben. Haben Sie schon Rückmeldungen, Herr Roth, kommt das an?
Roth: Also wir haben einen sehr begabten Kollegen und Mitarbeiter in der Generaldirektion, Güven Günaltay, der mir kürzlich freudestrahlend erzählt hatte, er hätte sich mit dem Dönerverband getroffen, was ich im ersten Moment etwas überraschend fand, aber habe mich natürlich auch gefreut. Und das Ergebnis sehen wir demnächst in allen Dönerbuden. Also momentan haben wir vor allen Dingen die gute Resonanz der Presse zu diesem Thema, weil es ein Überraschungseffekt ist – übrigens auch zu den Plakaten, die wir großflächig verteilt haben. Dieses Thema Kültürdialog, und das ist nicht peschorativ, weil Kultur heißt wirklich Kültür auf Türkisch.
Führer: Martin Roth, der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlung Dresden im Gespräch im Deutschlandradio Kultur. Herr Roth, blicken wir mal auf das nächste Kunstgroßereignis in Dresden: Im April feiern Sie 450 Jahre Staatliche Kunstsammlung Dresden mit der großen Jubiläumssonderausstellung "Zukunft seit 1560". Diesen Titel müssen Sie mir erläutern.
Roth: Also das zeigt schon natürlich viel von dem, wie Dresden und Sachsen insgesamt mit dieser Sammlung umgeht. Was ich oder was wir damit meinen, ist, dass diese Sammlung haben der Stadt und der Region so was wie eine nachhaltige Entwicklung gegeben in kulturellen Zusammenhängen. Aber Sie müssen einfach daran denken, dass das, was man damals gesammelt hat und archiviert hat, dokumentiert hat und bis heute bewahrt hat – das ist ja das Unglaubliche daran –, dass dieses der ganzen Gesellschaft immer wieder die Möglichkeit gegeben hat, auch in sehr schwierigen Momenten zur eigenen Identität zurückzufinden, den aufrechten Gang immer wieder zu lernen und auch mit einem gewissen Stolz immer wieder die Vergangenheit mit der Zukunft zu verbinden. Natürlich ist für uns auch so eine Implikation darin, die dann heißt, das ist für uns nicht nur der Rückblick, sondern wir wollen auch wissen, wie es weitergeht. Also wie geht man in diesen Zeiten mit dem kulturellen, mit einem so reichen kulturellen Erbe um, wozu entscheidet sich Dresden in den nächsten Jahrzehnten, will man sich diesem kulturellen Erbe öffnen oder will man eine x-beliebige Stadt werden wie alle anderen? Sind wir hier eher in Zukunft Durchschnitt oder schaffen wir es, nicht nur im Bereich der Kunst, sondern auch der Musik und allen anderen elitären Bereichen, die wir hier in Dresden Gott sei Dank haben, sozusagen auch ein Zukunftsleben einzuhauchen.
Führer: Herr Roth, nun sind ja diese wunderbaren Sammlungen dadurch zustande gekommen, dass man in Dresden immer den Blick für die Gegenwart hatte, für das Zeitgenössische, und das auch gefördert hat. Und inzwischen sagen Sie, spricht man hauptsächlich darüber, wie kann man dieses kulturelle Erbe bewahren und pflegen. Das heißt, man blickt in Dresden offenbar – so ist häufiger zu hören zumindest – vor allem zurück, also in die prachtvolle Geschichte und nicht mehr nach vorne.
Roth: Ja, wobei ich das nicht ganz so sehe. Also nach all den Katastrophen und Dramen des letzten Jahrhunderts, finde ich, ist es schon auch angebracht, dass es eine Art von Rückbesinnung gibt und einen Selbstfindungsprozess, und das würde dann in Zukunft gehen. Also bloß als ein Beispiel: Wir werden im Zusammenhang mit der Eröffnung der 450-Jahre-Ausstellung einen Kongress machen mit Kindern und Jugendlichen international, die über die Zukunft des Museums und die Zukunft der Kultur in unserer Gesellschaft reden werden. Also das heißt, wir stellen uns, glaube ich, alle diese Aufgabe schon, aber Dresden hat natürlich immer dieser Wunsch geeinigt, die Stadt wiederherzustellen. Was mir viel größere Sorgen macht, ist die Tatsache – und vielleicht hört man heute auch so einen depressiven Unterton in meiner Stimme –, dass ich gerade aus einer Besprechung komme, in der uns allen noch mal deutlich klar wurde, welche Auswirkungen die Krise haben wird in den nächsten Jahren. Wir haben schon in den letzten Jahren extrem viel gespart, und die Zukunft wird desaströs. Ich weiß einfach nicht mehr, wie ich sozusagen in der Lage sein soll, diese Schätze vernünftig in die Zukunft zu bringen, und das ist wirklich dramatisch und tragisch im Moment. All das Wissen, das unsere Mitarbeiter über Jahrhunderte immer wieder weitertradiert haben, unsere Vorgänger und einzelne Kuratoren und Restauratoren, bricht einfach ab. Wir haben nicht mehr die Menschen zukünftig, die sich um diese Schätze kümmern. Das Thema, sich der Gegenwart stellen oder auch immer wieder kaufen, das schafft man auf unterschiedliche Art und Weise. Und es ist auch nicht so, dass wir gar nicht weiter sammeln, weil wir haben Sponsoren, Unterstützer, und selbst der Freistaat kauft immer mal wieder irgendetwas. Aber diese Grundsubstanz zu erhalten und in die Zukunft zu bringen – nicht nur die Gebäude, sondern das ist ja das, was uns wirklich verrückt machen kann, dass man sozusagen auf der einen Seite wir in der Lage sind, das alles wieder herzurichten, aber auf der anderen Seite keine Menschen mehr haben, die daran arbeiten. Das ist schon ein unerträglicher Zustand, und Sachsen trifft es besonders schlimm.
Führer: Der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlung Dresden, Martin Roth. Morgen wird im Residenzschloss die "Türckische Cammer" feierlich eröffnet. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Roth!
Roth: Ich bedanke mich, Frau Führer!
Führer: Und Deutschlandradio Kultur feiert dann mit morgen Abend in einer "Fazit"-Sondersendung über die "Türckische Cammer". Ab 23:05 Uhr werden wir Ihnen die Schätze noch mal ausführlich präsentieren.
Martin Roth: Tag, Frau Führer!
Führer: Erzählen Sie doch mal, wie ist denn Dresden an all diese Schätze der "Türckischen Cammer" gekommen? Wurden sie geklaut, gekauft, geschenkt?
Roth: Von allem etwas. Die Frage nach der Beute ist in der Tat immer die erste, die kommt, insbesondere wenn wir in der Türkei präsentieren, was wir hier in Dresden machen. Und wenn wir dann sagen, dass es zwar einige wenige Stücke sind, aber der Rest von anderer Provenienz ist, dann sind doch die meisten sehr beruhigt. Also das ist sozusagen wirklich die Hürde, die wir immer zuerst nehmen müssen. Vieles andere – und das spricht natürlich auch für die inhaltliche Dimensionen für die Sammelleidenschaft der Herrscher in Dresden – ist wie heute auch der Kunstmarkt, sind protokollarische Geschenke, sind Geschenke der Habsburger und vieler anderer mehr. Aber es ist wirklich eine Kunstsammlung vom Allerfeinsten, die sich über viele Jahrhunderte dort bewahrt hat, und das ist, glaube ich, das größte Wunder an allem.
Führer: Ich habe gehört, dass im 18. Jahrhundert sächsische Diplomaten regelrecht auf Einkaufstouren nach Istanbul geschickt worden sind, um dort besonders prachtvolle Stücke für den Dresdner Hof anzukaufen. Was hat die sächsischen Fürsten eigentlich damals so interessiert am Orient?
Roth: Heute würde man das vielleicht Interesse an Regierungskunst, an Governments oder so ähnlich nennen, das heißt, das ist die Macht, die Macht am Hofe, das Protokollarische, Repräsentation in unterschiedlichen Kulturen und Zivilisationen. So hat man sich für den Kaiserhof in Peking interessiert - genauso wie für den Mogulhof und eben auch für den Hof des Sultans. Und das sammelt man eben dann auch in aller Breite, nicht nur in einzelnen Objekten, und das zelebriert man dann auch in Festen und in großen protokollarischen Aktionen.
Führer: Der Kunstwissenschaftler Nikolaus Bernau hat, wie ich finde, sehr schön gesagt: Die "Türckische Cammer" ist in weiten Teilen Pracht gewordene Diplomatie, und das sei erstaunlich, vor allem vor dem Hintergrund, weil ja heute die meisten Sammlungen osmanischer Kunst immer noch Türkenbeute heißen.
Roth: Ja, das ist natürlich in der Tat eine sehr schöne Bezeichnung dafür, hat auch sehr viel übrigens mit Furcht und Ehrfurcht zu tun, auch ein schöner Doppelbegriff, der, glaube ich, ziemlich treffend ist für das, was man da sehen wird. Es sind sehr viele Waffen darunter, das ist durchaus auch erklärungsbedürftig, weil das eben auch Gastgeschenke sind oder Symbole, Zeichen – für uns heute schwer nachvollziehbar, aber in jener Zeit und vor allen Dingen natürlich in der orientalischen oder arabischen oder osmanischen Welt sicherlich ein Statussymbol. Und ich wurde gestern gefragt, ob an diesen Waffen Blut klebt. Um Gottes Willen, nein, natürlich nicht, sondern das sind Wiedererkennungszeichen, Repräsentationszeichen, und das macht die Sammlung insgesamt aus.
Führer: Wir haben vorhin im Beitrag den Direktor Dirk Syndram gehört, der hat gesagt, die türkischstämmigen Bürger Deutschlands könnten in der "Türckischen Cammer" dem Reichtum der eigenen Geschichte begegnen. Es soll türkischsprachige Führungen und Prospekte geben, und Sie haben auf Millionen von Dönertüten auf Deutsch und auf Türkisch für die Ausstellung geworben. Haben Sie schon Rückmeldungen, Herr Roth, kommt das an?
Roth: Also wir haben einen sehr begabten Kollegen und Mitarbeiter in der Generaldirektion, Güven Günaltay, der mir kürzlich freudestrahlend erzählt hatte, er hätte sich mit dem Dönerverband getroffen, was ich im ersten Moment etwas überraschend fand, aber habe mich natürlich auch gefreut. Und das Ergebnis sehen wir demnächst in allen Dönerbuden. Also momentan haben wir vor allen Dingen die gute Resonanz der Presse zu diesem Thema, weil es ein Überraschungseffekt ist – übrigens auch zu den Plakaten, die wir großflächig verteilt haben. Dieses Thema Kültürdialog, und das ist nicht peschorativ, weil Kultur heißt wirklich Kültür auf Türkisch.
Führer: Martin Roth, der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlung Dresden im Gespräch im Deutschlandradio Kultur. Herr Roth, blicken wir mal auf das nächste Kunstgroßereignis in Dresden: Im April feiern Sie 450 Jahre Staatliche Kunstsammlung Dresden mit der großen Jubiläumssonderausstellung "Zukunft seit 1560". Diesen Titel müssen Sie mir erläutern.
Roth: Also das zeigt schon natürlich viel von dem, wie Dresden und Sachsen insgesamt mit dieser Sammlung umgeht. Was ich oder was wir damit meinen, ist, dass diese Sammlung haben der Stadt und der Region so was wie eine nachhaltige Entwicklung gegeben in kulturellen Zusammenhängen. Aber Sie müssen einfach daran denken, dass das, was man damals gesammelt hat und archiviert hat, dokumentiert hat und bis heute bewahrt hat – das ist ja das Unglaubliche daran –, dass dieses der ganzen Gesellschaft immer wieder die Möglichkeit gegeben hat, auch in sehr schwierigen Momenten zur eigenen Identität zurückzufinden, den aufrechten Gang immer wieder zu lernen und auch mit einem gewissen Stolz immer wieder die Vergangenheit mit der Zukunft zu verbinden. Natürlich ist für uns auch so eine Implikation darin, die dann heißt, das ist für uns nicht nur der Rückblick, sondern wir wollen auch wissen, wie es weitergeht. Also wie geht man in diesen Zeiten mit dem kulturellen, mit einem so reichen kulturellen Erbe um, wozu entscheidet sich Dresden in den nächsten Jahrzehnten, will man sich diesem kulturellen Erbe öffnen oder will man eine x-beliebige Stadt werden wie alle anderen? Sind wir hier eher in Zukunft Durchschnitt oder schaffen wir es, nicht nur im Bereich der Kunst, sondern auch der Musik und allen anderen elitären Bereichen, die wir hier in Dresden Gott sei Dank haben, sozusagen auch ein Zukunftsleben einzuhauchen.
Führer: Herr Roth, nun sind ja diese wunderbaren Sammlungen dadurch zustande gekommen, dass man in Dresden immer den Blick für die Gegenwart hatte, für das Zeitgenössische, und das auch gefördert hat. Und inzwischen sagen Sie, spricht man hauptsächlich darüber, wie kann man dieses kulturelle Erbe bewahren und pflegen. Das heißt, man blickt in Dresden offenbar – so ist häufiger zu hören zumindest – vor allem zurück, also in die prachtvolle Geschichte und nicht mehr nach vorne.
Roth: Ja, wobei ich das nicht ganz so sehe. Also nach all den Katastrophen und Dramen des letzten Jahrhunderts, finde ich, ist es schon auch angebracht, dass es eine Art von Rückbesinnung gibt und einen Selbstfindungsprozess, und das würde dann in Zukunft gehen. Also bloß als ein Beispiel: Wir werden im Zusammenhang mit der Eröffnung der 450-Jahre-Ausstellung einen Kongress machen mit Kindern und Jugendlichen international, die über die Zukunft des Museums und die Zukunft der Kultur in unserer Gesellschaft reden werden. Also das heißt, wir stellen uns, glaube ich, alle diese Aufgabe schon, aber Dresden hat natürlich immer dieser Wunsch geeinigt, die Stadt wiederherzustellen. Was mir viel größere Sorgen macht, ist die Tatsache – und vielleicht hört man heute auch so einen depressiven Unterton in meiner Stimme –, dass ich gerade aus einer Besprechung komme, in der uns allen noch mal deutlich klar wurde, welche Auswirkungen die Krise haben wird in den nächsten Jahren. Wir haben schon in den letzten Jahren extrem viel gespart, und die Zukunft wird desaströs. Ich weiß einfach nicht mehr, wie ich sozusagen in der Lage sein soll, diese Schätze vernünftig in die Zukunft zu bringen, und das ist wirklich dramatisch und tragisch im Moment. All das Wissen, das unsere Mitarbeiter über Jahrhunderte immer wieder weitertradiert haben, unsere Vorgänger und einzelne Kuratoren und Restauratoren, bricht einfach ab. Wir haben nicht mehr die Menschen zukünftig, die sich um diese Schätze kümmern. Das Thema, sich der Gegenwart stellen oder auch immer wieder kaufen, das schafft man auf unterschiedliche Art und Weise. Und es ist auch nicht so, dass wir gar nicht weiter sammeln, weil wir haben Sponsoren, Unterstützer, und selbst der Freistaat kauft immer mal wieder irgendetwas. Aber diese Grundsubstanz zu erhalten und in die Zukunft zu bringen – nicht nur die Gebäude, sondern das ist ja das, was uns wirklich verrückt machen kann, dass man sozusagen auf der einen Seite wir in der Lage sind, das alles wieder herzurichten, aber auf der anderen Seite keine Menschen mehr haben, die daran arbeiten. Das ist schon ein unerträglicher Zustand, und Sachsen trifft es besonders schlimm.
Führer: Der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlung Dresden, Martin Roth. Morgen wird im Residenzschloss die "Türckische Cammer" feierlich eröffnet. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Roth!
Roth: Ich bedanke mich, Frau Führer!
Führer: Und Deutschlandradio Kultur feiert dann mit morgen Abend in einer "Fazit"-Sondersendung über die "Türckische Cammer". Ab 23:05 Uhr werden wir Ihnen die Schätze noch mal ausführlich präsentieren.