Eine Koryphäe des deutschen Kinos

Von Wolfgang Martin Hamdorf · 30.01.2012
Das Zeughaus Kino, das Kino des Deutschen Historischen Museums in Berlin, feiert am 1. Februar seinen 20. Geburtstag und widmet dieses dem österreichisch-deutsch amerikanischen Regisseur Fritz Lang. Insgesamt werden 58 Film gezeigt und zwei Dokumentationen über ihn.
"Ja, manchmal ist mir, als ob ich selber hinter mir herliefe, ich will davon, vor mir selber davon laufen, aber ich kann nicht, kann mir nicht entkommen! Muss, muss den Weg gehen, den es mich jagt, muss rennen, rennen, endlose Straßen. Ich will weg, ich will weg! Und mit mir rennen die Gespenster, inmitten von Kindern, die gehen nie mehr weg. Die sind immer da, immer! Immer! IMMER!"

Ein Kindermörder verteidigt sich vor einem gespenstischen Tribunal in einem Kellergewölbe unter Berliner Mietskasernen. Die Kriminalpolizei hat ihn nicht stoppen können, aber die Berliner Unterwelt, die professionellen Verbrechersyndikate, haben ihn gejagt und gestellt. 1930 gedreht war "M- Eine Stadt sucht einen Mörder" Fritz Langs erster Tonfilm. Zu diesem Zeitpunkt war er als Stummfilmregisseur bereits weltbekannt.

Er hatte neben Agentenfilmen und Krimis die Nibelungen verfilmt und seine gigantische und apokalyptische Zukunftsvision "Metropolis" ist bis heute eine der teuersten Produktionen der deutschen Filmgeschichte. Lang überschritt die Grenzen zwischen den Genres, der Film war für ihn ein Gradmesser der Kultur, über ihn dramatisierte er die kollektiven Ängste seiner Zeit.

"Sie waren beauftragt die Aktion gegen die Überseebank vorzubereiten. Sie haben den Befehl nicht ausgeführt. Gehorsamsverweigerung ist gleich bedeutend mit Verrat. Auf beides steht der Tod."

"Lassen Sie die Frau frei! Machen Sie mit mir was Sie wollen, aber lassen Sie die Frau frei!"

"Sie und diese Frau werden diesen Raum lebend nicht mehr verlassen."

"Sie Bestie..."

Sein zweiter Tonfilm "Das testament des Doktor Mabuse" aus dem Jahre 1933 brachte ihn in Konflikt mit dem gerade etablierten Naziregime, erzählt Fritz Lang in einem Interview aus den 60er-Jahren:

"Ich machte damals 'Das Testament', das war der dritte Mabuse-Film und ich verwendete diesen Film zu ersten Mal als politische Waffe. Ich legte nämlich damals in den Mund eines wahnsinnigen Verbrechers Nazi-Slogans, also zu Beispiel: Man muss die Autorität, die der Bürger eingesetzt hat, völlig untergraben, so dass der Bürger selbst nicht mehr an die Autorität glaubt und dann, wenn alles in Trümmern ist, auf diesen Trümmern Hitler, oder die Nazis sagten, das Tausendjährige Reich aufbauen, ich sagte 'Das tausendjährige Reich des Verbrechens aufbauen.'"

Fritz Lang verließ Deutschland, ging über Paris nach Hollywood. Er passte sich zwar an, blieb sich dabei aber treu: "Fury" (Blinde Wut), aus dem Jahre 1936, ein Drama über Lynchjustiz, war sein erster Film in Hollywood:

"Der Held von 'Fury' war ursprünglich ein Rechtsanwalt. Das hatte ich gemacht, damit er eben alles erklären kann, dass es ein gebildeter Mensch ist. Und da wurde mir gesagt, hör mal zu, das können wir nicht machen, das macht man in Amerika nicht. Der Held muss ein Mann aus dem Volk sein, einer mit dem sich das Publikum identifizieren kann. Und das war eigentlich das wichtigste, was ich in Amerika, in der Emigration gelernt hatte."

Fritz Lang fand sich schnell ein in das amerikanische Studiosystem und inszenierte selbst ein ureigenes amerikanische Genre, wie den Western, für ein amerikanisches Publikum. Nach dem Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg produzierte er spannende antifaschistische Thriller, etwa 1943 "Hangmen also die" (Auch Henker sterben) in Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht und Hanns Eisler über das Heydrich-Attentat in Prag.

Fritz Lang blieb auch nach Kriegsende in Hollywood, kehrte aber für drei Filme in die junge Bundesrepublik zurück. 1959 drehte er das "remake" des Stummfilmklassikers "Das indische Grabmal", für das er 1920 bereits das Drehbuch für eine erste Version geschrieben.

Diesen und fast alle weiteren Fritz-Lang-Filme zeigt das Zeughaus Kino anlässlich seines Geburtstages in einer Retrospektive. In den vergangenen 20 Jahren hat das Kino des "Deutschen Historischen Museums" ein ganz eigenes Profil zwischen "Geschichte im Film" und "Filmgeschichte" entwickelt. Über die Wahl, jetzt eine Fritz-Lang-Retrospektive zu machen, sagt Kinoleiter Jörg Frieß:

" Er ist filmhistorisch für uns im Zeughauskino besonders interessant, weil sich mit ihm, mit seinen Filmen, nahezu 50 Jahre Film- und Kinogeschichte erzählen lassen: Die Zeit des Weimarer Kinos, die Stummfilmzeit, er ist ein wahnsinnig moderner Regisseur gewesen, der gleich mit seinem ersten Tonfilm M, sozusagen einen späten, einen avancierten Tonfilm gleich produziert hat, er hat im klassischen Hollywoodkino gearbeitet und er ist als einer der wenigen aus den USA zurück gekehrt und hat noch einmal im bundesrepublikanischen Kino gearbeitet."

Fritz Langs Gesamtwerk wirkt im Zusammenhang wie eine zeitgeschichtliche Radiographie, erzählt über Sagen, Krimis und Abenteuergeschichten von Angst, Elend und Aufstiegsfantasien zwischen den Nachkriegszeiten zweier Weltkriege. Mit 58 Filmen, darunter vielen selten gezeigten Werken seiner Stummfilmphase und seiner Zeit in Hollywood, ist die Retrospektive ein, auch für das Zeughaus Kino, ungewöhnlicher Aufwand:

"Fritz Lang ist für uns da eher eine Ausnahme, also wir machen selten eine so umfangreiche Retrospektive, aber wir haben gesagt, zu unserem 20. Geburtstag wollen wir uns das mal leisten. Also auch wirklich das teure, also in der Disposition teure, klassische Hollywoodkino nach Berlin bringen, für viel Geld hier zeigen, als Geschenk auch an unsere Zuschauer, denn wir haben festgestellt, dass wenn wir Fritz Lang berücksichtigen, was wir schon mehrmals getan haben, in unterschiedlichen thematischen Filmreihen, dann doch der Zuspruch bei den Fritz-Lang-Filmen doch immer ungewöhnlich hoch war."
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