Eine kleine Netzmusik

Von Tarik Ahmia |
NNach Bloggen und Podcasten dringt das Web in immer neue Domänen vor. Neuerdings können sich auch Musiker in virtuellen Tonstudios im Internet treffen und dort gemeinsam musizieren. Der Vater dieser Idee heißt Karl Steinberg. Bereits in den 80er Jahren revolutionierte seine Software die Musikproduktion, heute betreibt er das Online-Musikstudio <papaya:link href="http://www.digitalmusician.net" text="digitalmusician.net" title="digitalmusician.net" target="_blank" />.
Was hier so schön traditionell vor sich herrockt, ist vielleicht der Anfang einer musikalischen Revolution. Denn der Song "run with the tide" ist komplett über das Internet entstanden – die beteiligten Musiker haben sich dafür nur virtuell getroffen.
Mit Hilfe der Webplattform digitalmusician.net können Musiker aus der ganzen Welt so zusammenarbeiten, als würde sie nur die Glasscheibe eines Studios voneinander trennen. Inspiration und musikalische Talente werden rund um den Globus gebündelt.

"Ein Amerikaner aus Hawaii, der in den Niederlanden lebt, hat gesungen, hat die Vocals und den Text beigesteuert, dann gab’s eine Gitarristen aus dem süddeutschen Raum, der hat Gitarre gespielt und aus Knoxville USA kamen die Livedrums von BB Brown…"

Hans-Jörg Bordin ist selber Musiker, Produzent – und Geschäftsführer des Online Tonstudios digitalmusician.net. Bald 10.000 Hobby- und Profimusiker aus allen Kontinenten und Musikgenres nutzen die Plattform mittlerweile, um mit anderen zu musizieren.
Von Techno bis Tango werden hier musikalische Fähigkeiten und Ideen ausgetauscht. Arrangeuer Stefika aus Bulgarien sucht etwa nach einem Cellisten aus Peking. Jazzyman aus Andorra hat einen Demosong online gestellt, für den er noch einen Bassisten braucht.

Das Musikerforum ist auch kreative Plattform für Songentwürfe. Strider sucht etwa für seinen Sommerbossa noch einen Sänger, weil er seine eigene Stimme für grässlich hält.

Herzstück des Online-Tonstudios ist eine Gratissoftware, die die PCs der Musiker mit einer Bild- und Tonverbindung zusammenschaltet. Wer dann noch über einen handelsüblichen Personal Computer sowie eine DSL-Internet-Verbindung verfügt, kann sein Instrument in das heimische Audiointerface stöpseln und gemeinsam über das Internet live jammen und aufnehmen.

"Ich starte jetzt Dein DRM und dann nehme ich Dich auf"

Die Keyboardspur kommt aus Berlin - die elektrische Gitarre wird live aus Hamburg dazugespielt. Dort sitzt Karl Steinberg am anderen Ende des virtuellen Onlinestudios. Er ist der Mann, dessen Musiksoftware schon vor 20 Jahren normale PCs in Aufnahmestudios verwandelt und seitdem in allen Studios der Welt Standard ist.
Die letzten zwei Jahre hat Karl Steinberg mit seinem Team an der Technik für das Internet-Musikstudio getüftelt. Jetzt blickt er aus dem Videofenster der neuen Musiksoftware und erklärt das Aufnahmeprinzip.

"Es ist eigentlich wie eine Studio Situation: Da wir ja auch eine Videoverbindung haben, ist es schon so wie mit jemandem, der im Aufnahmeraum ist wo die Scheibe dazwischen ist und ich starte als Produzent das Band und sage: ‚Jetzt sing mal schön’ oder ‚Spiel Gitarre’. Das ist genau wie eine Studioaufnahme Situation."

Das Spektrum von digitalmusician reicht von Spaßprojekten bis hin zu global vernetzten Profimusikern.

Zum ersten Mal muss es kein Nachteil sein, wenn etwa der Hip-Hopper Misja aus der schwedischen Provinz Anschluss an die globale Hip-Hop-Szene sucht.

"Das war eben auch so ein Grundgedanke: Wie kann man denn diese ganzen Millionen von talentierten Musikern irgendwie dazu bringen, dass die miteinander etwas machen können… Es gibt sehr viele gute Musiker, die auch gerne Sessionmusiker wären… aber die halt am falschen Ort leben… wo eben die großen Studios nicht sind… und die haben jetzt einfach die Möglichkeit, an den verschiedensten Sachen mitzumachen."

Für professionelle Musiker ist die Webplattform deshalb nicht nur Forum, sondern auch Jobbörse. Studiomusiker können über das Internet ihre Jobs vom heimischen PC aus erledigen – ganz ohne Reisekosten oder Studiomieten. Durch die weltweite Vernetzung der Musik-Spezialisten könnte sich die Produktionsweise für Musik ähnlich grundlegend verändern wie schon einmal durch den Einzug des PCs.

"Kann die Musik nicht besser sein, wenn man mit Musikern arbeitet, die darauf spezialisiert sind? Das war ja früher im Tonstudio so, das man jemanden hatte, der kannte sich toll mit dem Mischpult aus, der andere toll mit der Bandmaschine, der andere konnte toll einen Song arrangieren, der andere konnte toll singen… Heute ist es so, dass die Leute meist zu Hause sitzen und vielleicht eine Sache ganz toll können, aber den Rest nur so ein bisschen. Über das Netz gibt es jetzt die Möglichkeit kooperativ zusammenzuarbeiten… Bestes Beispiel ist ja die Wikipedia-Enzyklopädie, wo man halt durch das Wissen von vielen im Ganzen zu einem besseren Ergebnis kommt."

So wie mit der Wikipedia durch die Zusammenarbeit von Tausenden etwas ganz Neues entstanden ist, soll digitalmusician die eigentliche Stärke der vernetzen Musiker fördern: Das gemeinsame Musizieren.

"Hier geht es nicht darum, technikverliebt zu sein, sondern wir wollen das wieder zurückbringen in die Musik, was sie auszeichnet: dass dort eine Interaktivität ist, etwas Lebendiges ist.""

Nach der ersten digitalen Revolution könnte nun das Internet dafür sorgen, dass der Entstehungsprozess von Musik erneut auf den Kopf gestellt wird – nicht zuletzt, weil es so einfach geht.

"Mein Kumpel ist Sänger und der blickt nicht die Bohne durch, was mit diesem Computerkram abgeht. Da ist es schon sehr hilfreich so ein Tool zu haben. Der muss einmal sein Mikro einrichten und dann muss ich eigentlich nur noch Record drücken und dann habe ich seinen Gesang aufgenommen. Das ist schon klasse."