"Eine Katastrophe wäre es, wenn ich Gesetze erlassen würde"
Thomas Selter, Mitglied beim Verband Die Familienunternehmer, hat anlässlich der 9. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung davor gewarnt, nachhaltiges Wirtschaften per Gesetz erzwingen zu wollen.
Jörg Degenhardt: Hauptstadtpolitiker sprechen gerne davon, aber auch Firmenlenker, Wirtschaftsweise und nicht zuletzt wir Journalisten - von der Nachhaltigkeit. Worum geht es? Um es pathetisch mit dem Rat für Nachhaltige Entwicklung zu sagen: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes, ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen. Eben dieser Rat lädt heute zur 9. Jahreskonferenz unter der Überschrift: "Weichenstellung für Deutschland".
Auch die Kanzlerin hat sich mit einer Rede angekündigt. Nachhaltigkeit - Gewinn oder Schaden für die deutsche Wirtschaft? Darüber will ich jetzt reden mit einem Mann der Praxis, mit Thomas Selter, er ist der geschäftsführende Gesellschafter der Gustav Selter GmbH. Die Firma wurde 1829 gegründet, wird also dieses Jahr 180 Jahre alt und stellt Stricknadeln in allen erdenklichen Größen her und liefert sie bis in die USA. Selter ist zudem Mitglied bei Die Familienunternehmer. Guten Morgen, Herr Selter!
Thomas Selter: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Wie nachhaltig sind denn Ihre Produkte?
Selter: Also, wenn es sie 180 Jahre am Markt gibt, dann scheint das ja nicht ganz falsch gewesen zu sein, was wir da gemacht haben, und insofern, denke ich mal, hat das auch was zu tun mit zurück zur Natur oder selber machen. Und das Stricken ist ja, glaube ich, etwas, was mal in Anfangszeiten der Grünen auch als sehr nachhaltig empfunden wurde, also - so ganz falsch liegen wir da, glaube ich, nicht.
Degenhardt: Also: Nachhaltiges Wirtschaften, das ist für Sie und für die Mitglieder Ihres Verbandes Die Familienunternehmen mehr als eine Worthülse?
Selter: Ja, anders überleben wir nicht. Im Gegensatz zu leider der Politik, die das manchmal nur vierjährig sieht, sehen wir es halt doch über Generationen hinweg, und wenn wir nicht nachhaltig arbeiten, sprich, unsere Haushalte in Ordnung haben, dann existieren wir halt nicht länger und dann gibt es uns nicht mehr.
Degenhardt: Kann die Politik eigentlich die Wirtschaft zu einem nachhaltigeren Wirtschaften anstiften, oder muss der Impuls nicht von den Unternehmen selbst ausgehen?
Selter: Anstiften ist sicherlich okay. Ich meine, wenn Politiker der Auffassung sind, dass es da bestimmte Dinge gibt, die … nicht die Unternehmen, ich meine, die Unternehmen sind ja, ich sage mal, Wunscherfüllung der Kunden dahinter. Es ist ja nicht so, dass die Unternehmen sagen könnten, so, wir machen ab morgen alles irgendwie nur grünkariert und dann kaufen es alle Leute, sondern wir müssen ja die Kunden - das heißt die Bürger - motivieren, das zu tun, was wir oder die Politik oder die Bürger eben selber für richtig halten. Das ist der richtige Weg.
Schlimm wird es, wenn Politiker und Bürokraten glauben, nun die Weisheit mit allen möglichen Essinstrumenten gegessen zu haben und Gesetze erlassen und die Leute zwingen, etwas zu tun, was sie für richtig halten. Das hatten wir mal bei der Kernkraft, da haben wir Milliarden von Steuergeldern in die Kernkraft gesteckt, weil die Politiker der Meinung waren, das sei das Non plus ultra, und heute ist es die Katastrophe an sich bei den Politikern. Also, da sollte man immer sehr vorsichtig sein, wenn man das per Gesetz zwingen will.
Degenhardt: Sie haben völlig zu Recht die Verbraucher angesprochen und ihre entscheidende Rolle, also, der Verbraucher entscheidet natürlich mit seiner Nachfrage, was für ein Produkt auf den Markt kommt. Aber wie ist das zum Beispiel - um jetzt mal einen Fall aus einer anderen Branche zu nehmen -, wenn sich der Kunde eher für spritfressende Geländewagen entscheidet statt für kleine, umweltfreundliche Elektroautos?
Selter: Ja, genau das ist so ein Punkt, wo Frau Künast zum Beispiel immer die Automobilindustrie beschimpft, dass sie große Limousinen baut. Sie muss die Konsumenten beschimpfen, dass sie große Limousinen kaufen. Das heißt, ich muss einen Bewusstseinswandel – wenn ich das denn wollte – herbeiführen und muss halt dafür sorgen, dass es dann möglicherweise aber freiwillig nicht geschieht.
Eine Katastrophe wäre es, wenn ich Gesetze erlassen würde, die jetzt, weiß ich, alles über Hubraum XY verbietet und dann mit Wettbewerbsfähigkeit und weiß ich was in Frage stellt. Also, das muss schon irgendwo von den Verbrauchern herkommen, dann ist es richtig. Wenn es per ordre de mufti von oben runter befohlen wird, dann ist es halt eine Katastrophe oftmals.
Degenhardt: Aber wie kann man denn diesen Bewusstseinswandel, von dem Sie gerade gesprochen haben, bei den Kunden, beim Verbraucher herbeiführen?
Selter: Ich glaube, so blöd sind diese mündigen Bürger schon gar nicht. Die kriegen schon ganz gut mit, was so läuft, und wir sehen es ja auch gerade: Riesenautos, sage ich mal, ganz dicke Limousinen kommen auf einmal mit Spritverbräuchen daher, die wir früher bei Kleinwagen gewohnt sind.
Und dann passiert das auch, wenn der Bürger das möchte, wenn der mündige Bürger, sage ich mal immer, der ja von der Politik gern so gesehen wird, wenn er das … und der kriegt das auch mit, der weiß natürlich: Hier gibt es also irgendwo Dinge, die man tun sollte. Und dann reagiert die Industrie sofort. Das funktioniert ratzfatz und wir sollten die Suchprozesse, die heute im industriellen Bereich sind – was ist jetzt der beste Weg –, die sollten wir nicht kanalisieren, ich sage mal, nur auf Windkraft oder eben nur auf Kernkraftwerke oder was Politiker halt so gerne tun.
Degenhardt: Nun leben wir ja in Deutschland nicht auf einer Insel. Wenn der Rest der Welt nicht mitmacht beim nachhaltigen Wirtschaften, kann sich das dann für uns als Wettbewerbsnachteil entpuppen?
Selter: Also, wir stellen uns ja … Ja, natürlich kann es sich das. Wir sind heute in Weltmärkten unterwegs, und wir müssen halt auch uns um die Weltmärkte kümmern. Aber trotzdem ist es ja so, dass in ganz vielen Bereichen - das erlebe ich ja selbst hier bei uns, in unserer kleinen Welt, sage ich mal -, dass es halt Regelungen und Vorschriften gibt, die bestimmte Gefahrenstoffe vermeiden sollen und so weiter, die sofort auch international aufgegriffen werden, weil die Märkte wie Europa oder Amerika sind halt eben auch für Asien, sind für Osteuropa halt wichtig, und dann übernimmt man halt die Normen, die dort gesetzt werden. Aber das sind eben, ich sage mal, Input-Normen, man verbietet bestimmte, gefährliche Stoffe, das ist auch in Ordnung, und dann reagiert die Welt sofort. Also, das funktioniert sehr schnell.
Degenhardt: Wenn wir Nachhaltigkeit auch mit Zukunftsfähigkeit übersetzen und dann auf die neue Regierung schauen - heute spricht ja auch die Kanzlerin –, hat dann aus Ihrer Sicht Schwarz-Gelb speziell mit der Koalitionsvereinbarung die Weichen richtig gestellt für die Entwicklung konkret auch der mittelständischen Unternehmen?
Selter: Also, ich sage mal ganz vorsichtig: Ich würde mir sehr wünschen, dass die Politiker, die so viel von Nachhaltigkeit reden, erst mal ihren Haushalt nachhaltig in Ordnung bringen, dann ihre Steuergesetzgebung nachhaltig in Ordnung bringen und so ein paar Dinge, Hausaufgaben erst einmal nachhaltig in Ordnung bringen, bevor sie sich dann über die anderen Probleme dieser Welt auch noch unterhalten. Vielleicht nicht unbedingt in der Reihenfolge, aber es wäre ganz schön, wenn es parallel geschehen würde, und mich regt es immer so auf, dass wir als Unternehmen eben nachhaltig wirtschaften müssen, sonst gehen wir kaputt, gehen wir Konkurs, und dass diejenigen, die immer so viel von Nachhaltigkeit reden, in diesem Bereich offensichtlich nicht in der Lage sind, ihre Hausaufgaben zu machen. Das stört mich schon sehr.
Degenhardt: Der mittelständische Unternehmer Thomas Selter, vielen Dank für das Gespräch und einen guten Tag!
Selter: Gern geschehen, Ihnen auch!
Auch die Kanzlerin hat sich mit einer Rede angekündigt. Nachhaltigkeit - Gewinn oder Schaden für die deutsche Wirtschaft? Darüber will ich jetzt reden mit einem Mann der Praxis, mit Thomas Selter, er ist der geschäftsführende Gesellschafter der Gustav Selter GmbH. Die Firma wurde 1829 gegründet, wird also dieses Jahr 180 Jahre alt und stellt Stricknadeln in allen erdenklichen Größen her und liefert sie bis in die USA. Selter ist zudem Mitglied bei Die Familienunternehmer. Guten Morgen, Herr Selter!
Thomas Selter: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Wie nachhaltig sind denn Ihre Produkte?
Selter: Also, wenn es sie 180 Jahre am Markt gibt, dann scheint das ja nicht ganz falsch gewesen zu sein, was wir da gemacht haben, und insofern, denke ich mal, hat das auch was zu tun mit zurück zur Natur oder selber machen. Und das Stricken ist ja, glaube ich, etwas, was mal in Anfangszeiten der Grünen auch als sehr nachhaltig empfunden wurde, also - so ganz falsch liegen wir da, glaube ich, nicht.
Degenhardt: Also: Nachhaltiges Wirtschaften, das ist für Sie und für die Mitglieder Ihres Verbandes Die Familienunternehmen mehr als eine Worthülse?
Selter: Ja, anders überleben wir nicht. Im Gegensatz zu leider der Politik, die das manchmal nur vierjährig sieht, sehen wir es halt doch über Generationen hinweg, und wenn wir nicht nachhaltig arbeiten, sprich, unsere Haushalte in Ordnung haben, dann existieren wir halt nicht länger und dann gibt es uns nicht mehr.
Degenhardt: Kann die Politik eigentlich die Wirtschaft zu einem nachhaltigeren Wirtschaften anstiften, oder muss der Impuls nicht von den Unternehmen selbst ausgehen?
Selter: Anstiften ist sicherlich okay. Ich meine, wenn Politiker der Auffassung sind, dass es da bestimmte Dinge gibt, die … nicht die Unternehmen, ich meine, die Unternehmen sind ja, ich sage mal, Wunscherfüllung der Kunden dahinter. Es ist ja nicht so, dass die Unternehmen sagen könnten, so, wir machen ab morgen alles irgendwie nur grünkariert und dann kaufen es alle Leute, sondern wir müssen ja die Kunden - das heißt die Bürger - motivieren, das zu tun, was wir oder die Politik oder die Bürger eben selber für richtig halten. Das ist der richtige Weg.
Schlimm wird es, wenn Politiker und Bürokraten glauben, nun die Weisheit mit allen möglichen Essinstrumenten gegessen zu haben und Gesetze erlassen und die Leute zwingen, etwas zu tun, was sie für richtig halten. Das hatten wir mal bei der Kernkraft, da haben wir Milliarden von Steuergeldern in die Kernkraft gesteckt, weil die Politiker der Meinung waren, das sei das Non plus ultra, und heute ist es die Katastrophe an sich bei den Politikern. Also, da sollte man immer sehr vorsichtig sein, wenn man das per Gesetz zwingen will.
Degenhardt: Sie haben völlig zu Recht die Verbraucher angesprochen und ihre entscheidende Rolle, also, der Verbraucher entscheidet natürlich mit seiner Nachfrage, was für ein Produkt auf den Markt kommt. Aber wie ist das zum Beispiel - um jetzt mal einen Fall aus einer anderen Branche zu nehmen -, wenn sich der Kunde eher für spritfressende Geländewagen entscheidet statt für kleine, umweltfreundliche Elektroautos?
Selter: Ja, genau das ist so ein Punkt, wo Frau Künast zum Beispiel immer die Automobilindustrie beschimpft, dass sie große Limousinen baut. Sie muss die Konsumenten beschimpfen, dass sie große Limousinen kaufen. Das heißt, ich muss einen Bewusstseinswandel – wenn ich das denn wollte – herbeiführen und muss halt dafür sorgen, dass es dann möglicherweise aber freiwillig nicht geschieht.
Eine Katastrophe wäre es, wenn ich Gesetze erlassen würde, die jetzt, weiß ich, alles über Hubraum XY verbietet und dann mit Wettbewerbsfähigkeit und weiß ich was in Frage stellt. Also, das muss schon irgendwo von den Verbrauchern herkommen, dann ist es richtig. Wenn es per ordre de mufti von oben runter befohlen wird, dann ist es halt eine Katastrophe oftmals.
Degenhardt: Aber wie kann man denn diesen Bewusstseinswandel, von dem Sie gerade gesprochen haben, bei den Kunden, beim Verbraucher herbeiführen?
Selter: Ich glaube, so blöd sind diese mündigen Bürger schon gar nicht. Die kriegen schon ganz gut mit, was so läuft, und wir sehen es ja auch gerade: Riesenautos, sage ich mal, ganz dicke Limousinen kommen auf einmal mit Spritverbräuchen daher, die wir früher bei Kleinwagen gewohnt sind.
Und dann passiert das auch, wenn der Bürger das möchte, wenn der mündige Bürger, sage ich mal immer, der ja von der Politik gern so gesehen wird, wenn er das … und der kriegt das auch mit, der weiß natürlich: Hier gibt es also irgendwo Dinge, die man tun sollte. Und dann reagiert die Industrie sofort. Das funktioniert ratzfatz und wir sollten die Suchprozesse, die heute im industriellen Bereich sind – was ist jetzt der beste Weg –, die sollten wir nicht kanalisieren, ich sage mal, nur auf Windkraft oder eben nur auf Kernkraftwerke oder was Politiker halt so gerne tun.
Degenhardt: Nun leben wir ja in Deutschland nicht auf einer Insel. Wenn der Rest der Welt nicht mitmacht beim nachhaltigen Wirtschaften, kann sich das dann für uns als Wettbewerbsnachteil entpuppen?
Selter: Also, wir stellen uns ja … Ja, natürlich kann es sich das. Wir sind heute in Weltmärkten unterwegs, und wir müssen halt auch uns um die Weltmärkte kümmern. Aber trotzdem ist es ja so, dass in ganz vielen Bereichen - das erlebe ich ja selbst hier bei uns, in unserer kleinen Welt, sage ich mal -, dass es halt Regelungen und Vorschriften gibt, die bestimmte Gefahrenstoffe vermeiden sollen und so weiter, die sofort auch international aufgegriffen werden, weil die Märkte wie Europa oder Amerika sind halt eben auch für Asien, sind für Osteuropa halt wichtig, und dann übernimmt man halt die Normen, die dort gesetzt werden. Aber das sind eben, ich sage mal, Input-Normen, man verbietet bestimmte, gefährliche Stoffe, das ist auch in Ordnung, und dann reagiert die Welt sofort. Also, das funktioniert sehr schnell.
Degenhardt: Wenn wir Nachhaltigkeit auch mit Zukunftsfähigkeit übersetzen und dann auf die neue Regierung schauen - heute spricht ja auch die Kanzlerin –, hat dann aus Ihrer Sicht Schwarz-Gelb speziell mit der Koalitionsvereinbarung die Weichen richtig gestellt für die Entwicklung konkret auch der mittelständischen Unternehmen?
Selter: Also, ich sage mal ganz vorsichtig: Ich würde mir sehr wünschen, dass die Politiker, die so viel von Nachhaltigkeit reden, erst mal ihren Haushalt nachhaltig in Ordnung bringen, dann ihre Steuergesetzgebung nachhaltig in Ordnung bringen und so ein paar Dinge, Hausaufgaben erst einmal nachhaltig in Ordnung bringen, bevor sie sich dann über die anderen Probleme dieser Welt auch noch unterhalten. Vielleicht nicht unbedingt in der Reihenfolge, aber es wäre ganz schön, wenn es parallel geschehen würde, und mich regt es immer so auf, dass wir als Unternehmen eben nachhaltig wirtschaften müssen, sonst gehen wir kaputt, gehen wir Konkurs, und dass diejenigen, die immer so viel von Nachhaltigkeit reden, in diesem Bereich offensichtlich nicht in der Lage sind, ihre Hausaufgaben zu machen. Das stört mich schon sehr.
Degenhardt: Der mittelständische Unternehmer Thomas Selter, vielen Dank für das Gespräch und einen guten Tag!
Selter: Gern geschehen, Ihnen auch!