Eine Huldigung an Mozarts Musik

Von Stefan Keim |
Humorvoll bezieht Regisseur Simon McBurney in seiner Inszenierung von Mozarts "Zauberflöte" das Niederländische Kammerorchester mit ein. Der spielerische Aspekt der Oper kommt an diesem Abend wunderbar zur Geltung - das ist charmant und originell.
Normalerweise setzt Tamino die Zauberflöte an die Lippen, und ein Musiker im Orchestergraben versucht, möglichst synchron zu spielen. In Amsterdam ist das anders. Der Tenor Maximilian Schmitt steigt über eine Treppe ins Orchester und reicht das Instrument an den Solisten weiter. Die Zuschauer sollen sehen, wo die Musik wirklich herkommt. Wenig später setzt sich Papageno ans Glockenspiel und spielt selbst. Der dafür vorgesehene Musiker betritt die Bühne, sieht, dass er nicht gebraucht wird und geht wieder ab. Humorvoll bezieht Regisseur Simon McBurney in seiner Inszenierung von Mozarts "Zauberflöte" das Niederländische Kammerorchester mit ein. Seine Regie ist eine Huldigung an die Musik.

Das fängt bereits am Anfang an. Während der Ouvertüre schreibt ein Mann "Die Zauberflöt" auf eine Tafel. Dann hält die Musik kurz inne, der Schreiber auch. Es geht weiter, und nun erst folgt das fehlende "e". All dies wird per Livekamera auf eine Leinwand projiziert. Simon McBurney ist bekannt für seine Multimediaperformances. Seine letzte Inszenierung "Der Meister und Margarita" nach Michail Bulgakow begeisterte Publikum und Kritiker unter anderem bei den Wiener Festwochen und den Ruhrfestspielen.

In seiner zweiten Operninszenierung hat sich McBurney zwar eine Menge einfallen lassen, doch der Respekt und die naive Bewunderung für diese Kunstform ist überdeutlich. Eine klare Haltung scheut der Regisseur, er deutet nicht, er deutet nur an. Sarastros besserwisserischer Männerbund - Mozart spiegelt hier eindeutig eine Freimaurerloge - wird normalerweise kritisch hinterfragt. McBurney belässt es bei sanfter Ironie. Da tritt Sarastro (Brindley Sherratt) nach der Pause mit einem Mikrofon direkt vor die erste Reihe, spricht von der Bewältigung einer Krise und setzt sich mit seinen Brüdern an einen runden Tisch. Im Publikum wird laut geschmunzelt, doch dann kommt nichts mehr.

Dafür hat McBurney eine Menge hinreißender Ideen. Die drei Knaben sind hier ausgemergelte Greise, denen die Rippen aus den Körpern heraus stechen. Wenn Papageno sich erst umbringen will und dann die Liebe findet, flattert ein Statistenensemble über die Bühne. In den Händen halten sie Papierflieger, deren Flügel sie bewegen. Das einfache Material entfaltet eine riesige, poetische Wirkung. Der spielerische Aspekt der "Zauberflöte" kommt an diesem Abend wunderbar zur Geltung. Was ja auch in Ordnung ist. Eine kritische Analyse gibt es bald mal wieder.

Marc Albrecht neigt am Dirigentenpult zu sehr straffen Tempi. Das tut zum Beispiel Sarastros Arien sehr gut, weil so keine bedeutungsschwangere Schwere entsteht. In anderen Moment allerdings leidet die Textverständlichkeit, und die Rasanz wirkt gehetzt. Doch das sind kleine Einwände gegenüber einer über weite Strecken phänomenalen Leistung. Christina Landshamer als Pamina und Maximilian Schmitt als Tamino sind frische, junge Mozartstimmen, Thomas Oliemanns als Papageno sprüht vor Spielwitz und bleibt auch in Actionszenen volltönend und exakt. Iride Martinez ist eine viel gebuchte "Königin der Nacht", setzt die Koloraturen souverän und fährt hier mit einem Rollstuhl auf die Bühne, die Fürstin der Dunkelheit ist ein Pflegefall. Kurzer, aber heftiger Jubel für eine unterhaltsame "Zauberflöte", die nicht in die Rezeptionsgeschichte eingehen wird, aber mit Originalität und Charme punktet.