Eine historische Wundertüte
Das restaurierte Schloss Schönhausen in Berlin-Pankow ist wieder für Besucher geöffnet. Zu sehen sind die Gemächer der preußischen Königin Elisabeth Christine ebenso wie das Arbeitszimmer von Wilhelm Pieck.
Jedes Schloss hat seine Geschichte, doch in Berlin Niederschönhausen steht ein ganz besonderes Exemplar. Samuel Wittwer von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.
Samuel Wittwer: „Hier ist das Besondere, dass es keine Kontinuität in der Art und Weise der Nutzung ist im Sinne von: es war königlich, war immer königlich und wurde dann Museum. Sondern eben, es war nicht königlich, dann wurde es königlich, dann wurde es Museum, und dann wurde es schließlich eben zu einem Repräsentationssitz einer ganzen Regierung, der DDR, und das sind natürlich Schichten, die einfach logischerweise nicht jedes Schloss bietet.“
Ein Schloss als historische Wundertüte, das den Spagat zwischen Barock und Kaltem Krieg mühelos schafft. Nach der Sanierung sind ganz unterschiedliche Zeit-Inseln sichtbar, und das historische Insel-Hopping führt kreuz und quer durch die deutsche Geschichte.
Im 17. Jahrhundert gehörte das Schloss der Adelsfamilie Dohna, bevor es 1691 zur preußischen Krone kam. Bis zu ihrer Flucht 1945 lebte die Familie in Ostpreußen. Das gerettete Inventar aus dem zerstörten Schloss Schlobitten ist jetzt in Schönhausen zu sehen.
1740 bekam Königin Elisabeth Christine Schloss Schönhausen als Sommersitz. Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.
Hartmut Dorgerloh: „Es ist ein Schloss, das dezidiert einer Königin und dazu noch der verkannten Elisabeth Christine, der Frau von Friedrich dem Großen, gewidmet ist. Das macht das Schloss schon einzigartig, denn wir haben ansonsten keine Königinnen-Schlösser.“
Einige Räume zeigen nun die Wohnkultur der Königin, die dort 50 Sommer lang wohnte. Das Schloss blieb bei der Krone, bis es 1918 staatlich wurde. Die Nationalsozialisten machten daraus Depot und Verkaufsstelle für Entartete Kunst. Das barocke Kleinod wurde zum Schauplatz von Unkultur.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzt die Regierung der DDR die Räum-lichkeiten. Die Gemächer im Obergeschoss wurden mehrfach umgewidmet. Das Kaminzimmer ist ein wilder Mix aus ganz verschiedenen Epochen: uralter Stuck, Türrahmen und Tapeten aus der Preußen-Zeit und edles Parkett aus den Sechzigerjahren, als das Schloss eine Herberge für Staatsgäste wurde. Das Bad mit den blass-lila Fließen ist heute ein verwegener Augenschmaus.
Hartmut Dorgerloh: „Wir haben die Geschichte schon versucht zu sortieren und zu ordnen. Es ist im Erdgeschoss Elisabeth Christine, es ist im ersten Obergeschoss das Schlossinventar aus Schlobitten, und auf der anderen Seite des grandiosen Festsaals dann schließlich die DDR-Zeit. Also insofern denke ich kann man sich auch hier in dem Haus ganz gut ein Bild davon machen, was hier an historischem Reichtum zu erleben ist.“
Vier Jahrzehnte stand Schloss Schönhausen im Dienste des Sozialismus, ohne sich selbst verleugnen zu müssen. Hartmut Dorgerloh.
Hartmut Dorgerloh: „Und dann ist es natürlich auch ein Ort, an dem die ambivalente Preußen-Rezeption der DDR fassbar wird, denn im gleichen Jahr, wo die SED das Berliner Schloss sprengt, schickt sie nun ausgerechnet ihren ersten Präsidenten in ein preußisches Sommerschloss. Und da wird schon deutlich, dass das eigentlich eine ganz spannende Frage ist, wie ist die DDR eigentlich mit diesem Haus umgegangen?“
Die Hausherren setzten alles daran, den königlichen Prunk zu bewahren und wenn‘s drauf ankam, im schönsten Bastel-Barock zu ergänzen.
Wilhelm Pieck, erster und einziger Staatspräsident der DDR, hatte im Schloss sein Arbeitszimmer. Später landeten die Möbel im Museum für Deutsche Geschichte. Jetzt sind sie zurückgekehrt und erzählen von den frühen Fünfzigerjahren, als noch alles geschmackvoll und bieder war. Ein trügerisches Idyll, denn dem Schreibtisch sieht man nicht an, dass hier im Namen der Diktatur Todesurteile unterschrieben wurden.
Das Schloss wurde später Gästehaus. Für den Schah von Persien gab es aufwändig Umbauten, aber er konnte dann doch nicht kommen, weil die Revolution ihn entmachtet hatte. Fidel Castro, Jassir Arafat und Indira Ghandi haben in Pankow wirklich gewohnt und auch Richard von Weizäcker kam.
Nach der Wende traf sich der Runde Tisch in Schönhausen und die Zwei-plus-Vier-Gespräche über die Deutsche Einheit fanden dort statt, danach versank das Schloss in einen langen Dornröschenschlaf. Zum Glück, denn die Zeit ist ein kostbares Gut, wenn sie der tieferen Erkenntnis dient. Heute schaut man gelassener auf das Erbe der DDR. Kurator Alfred Hagemann.
Alfred Hagemann: „Man hat ja direkt nach der Wende sehr vieles vernichtet aus Überdruss, das wäre wahrscheinlich hier auch passiert. Dieses Abwarten hat doch den Blick ein bisschen freier gemacht, dass das einfach eine historische Phase dieses Hauses ist, die vielleicht die wichtigste Phase in seiner Geschichte ist, weil es ja immerhin der Sitz eines Staatsoberhauptes war.
Und die Zeit hat die Nüchternheit gebracht zu sagen, das können wir so zeigen und das dokumentieren wir so, weil das ist ja unser Thema, wir zeigen authentische Räume in Schlössern, und da gab es einen Raum aus den Siebziger-, Sechziger- und Fünfzigerjahren, und die zeigen wir eben auch.“
Das Schloss Bellevue, Amtssitz des Bundespräsidenten, steht in jedem Berlin Reiseführer. Sein Pendant in Pankow hoffentlich bald auch. Der Weg ist ganz einfach: Die Schönhauser Allee führt geradewegs zum Sommerschloss einer Königin, das in der DDR politisch groß Karriere machte.
Samuel Wittwer: „Hier ist das Besondere, dass es keine Kontinuität in der Art und Weise der Nutzung ist im Sinne von: es war königlich, war immer königlich und wurde dann Museum. Sondern eben, es war nicht königlich, dann wurde es königlich, dann wurde es Museum, und dann wurde es schließlich eben zu einem Repräsentationssitz einer ganzen Regierung, der DDR, und das sind natürlich Schichten, die einfach logischerweise nicht jedes Schloss bietet.“
Ein Schloss als historische Wundertüte, das den Spagat zwischen Barock und Kaltem Krieg mühelos schafft. Nach der Sanierung sind ganz unterschiedliche Zeit-Inseln sichtbar, und das historische Insel-Hopping führt kreuz und quer durch die deutsche Geschichte.
Im 17. Jahrhundert gehörte das Schloss der Adelsfamilie Dohna, bevor es 1691 zur preußischen Krone kam. Bis zu ihrer Flucht 1945 lebte die Familie in Ostpreußen. Das gerettete Inventar aus dem zerstörten Schloss Schlobitten ist jetzt in Schönhausen zu sehen.
1740 bekam Königin Elisabeth Christine Schloss Schönhausen als Sommersitz. Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.
Hartmut Dorgerloh: „Es ist ein Schloss, das dezidiert einer Königin und dazu noch der verkannten Elisabeth Christine, der Frau von Friedrich dem Großen, gewidmet ist. Das macht das Schloss schon einzigartig, denn wir haben ansonsten keine Königinnen-Schlösser.“
Einige Räume zeigen nun die Wohnkultur der Königin, die dort 50 Sommer lang wohnte. Das Schloss blieb bei der Krone, bis es 1918 staatlich wurde. Die Nationalsozialisten machten daraus Depot und Verkaufsstelle für Entartete Kunst. Das barocke Kleinod wurde zum Schauplatz von Unkultur.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzt die Regierung der DDR die Räum-lichkeiten. Die Gemächer im Obergeschoss wurden mehrfach umgewidmet. Das Kaminzimmer ist ein wilder Mix aus ganz verschiedenen Epochen: uralter Stuck, Türrahmen und Tapeten aus der Preußen-Zeit und edles Parkett aus den Sechzigerjahren, als das Schloss eine Herberge für Staatsgäste wurde. Das Bad mit den blass-lila Fließen ist heute ein verwegener Augenschmaus.
Hartmut Dorgerloh: „Wir haben die Geschichte schon versucht zu sortieren und zu ordnen. Es ist im Erdgeschoss Elisabeth Christine, es ist im ersten Obergeschoss das Schlossinventar aus Schlobitten, und auf der anderen Seite des grandiosen Festsaals dann schließlich die DDR-Zeit. Also insofern denke ich kann man sich auch hier in dem Haus ganz gut ein Bild davon machen, was hier an historischem Reichtum zu erleben ist.“
Vier Jahrzehnte stand Schloss Schönhausen im Dienste des Sozialismus, ohne sich selbst verleugnen zu müssen. Hartmut Dorgerloh.
Hartmut Dorgerloh: „Und dann ist es natürlich auch ein Ort, an dem die ambivalente Preußen-Rezeption der DDR fassbar wird, denn im gleichen Jahr, wo die SED das Berliner Schloss sprengt, schickt sie nun ausgerechnet ihren ersten Präsidenten in ein preußisches Sommerschloss. Und da wird schon deutlich, dass das eigentlich eine ganz spannende Frage ist, wie ist die DDR eigentlich mit diesem Haus umgegangen?“
Die Hausherren setzten alles daran, den königlichen Prunk zu bewahren und wenn‘s drauf ankam, im schönsten Bastel-Barock zu ergänzen.
Wilhelm Pieck, erster und einziger Staatspräsident der DDR, hatte im Schloss sein Arbeitszimmer. Später landeten die Möbel im Museum für Deutsche Geschichte. Jetzt sind sie zurückgekehrt und erzählen von den frühen Fünfzigerjahren, als noch alles geschmackvoll und bieder war. Ein trügerisches Idyll, denn dem Schreibtisch sieht man nicht an, dass hier im Namen der Diktatur Todesurteile unterschrieben wurden.
Das Schloss wurde später Gästehaus. Für den Schah von Persien gab es aufwändig Umbauten, aber er konnte dann doch nicht kommen, weil die Revolution ihn entmachtet hatte. Fidel Castro, Jassir Arafat und Indira Ghandi haben in Pankow wirklich gewohnt und auch Richard von Weizäcker kam.
Nach der Wende traf sich der Runde Tisch in Schönhausen und die Zwei-plus-Vier-Gespräche über die Deutsche Einheit fanden dort statt, danach versank das Schloss in einen langen Dornröschenschlaf. Zum Glück, denn die Zeit ist ein kostbares Gut, wenn sie der tieferen Erkenntnis dient. Heute schaut man gelassener auf das Erbe der DDR. Kurator Alfred Hagemann.
Alfred Hagemann: „Man hat ja direkt nach der Wende sehr vieles vernichtet aus Überdruss, das wäre wahrscheinlich hier auch passiert. Dieses Abwarten hat doch den Blick ein bisschen freier gemacht, dass das einfach eine historische Phase dieses Hauses ist, die vielleicht die wichtigste Phase in seiner Geschichte ist, weil es ja immerhin der Sitz eines Staatsoberhauptes war.
Und die Zeit hat die Nüchternheit gebracht zu sagen, das können wir so zeigen und das dokumentieren wir so, weil das ist ja unser Thema, wir zeigen authentische Räume in Schlössern, und da gab es einen Raum aus den Siebziger-, Sechziger- und Fünfzigerjahren, und die zeigen wir eben auch.“
Das Schloss Bellevue, Amtssitz des Bundespräsidenten, steht in jedem Berlin Reiseführer. Sein Pendant in Pankow hoffentlich bald auch. Der Weg ist ganz einfach: Die Schönhauser Allee führt geradewegs zum Sommerschloss einer Königin, das in der DDR politisch groß Karriere machte.