Eine hinreißende Liebesgeschichte
"Treibholz im Fluss" von Daniel Katz ist ein hinreißender Liebesroman. Ein abgerissener Bootssteg bringt eine verführerische junge Frau aus Bosnien und einen einsamen Gymnasiallehrer zusammen.
Finnland ist nicht Bosnien. Doch auch im hohen Norden, am Ufer des "saumseligen Flusses N.", sind die Auswirkungen des vergangenen Krieges zu spüren. Der Fluss erinnert nicht zufällig an "Die Brücke über die Drina" von Ivo Andric. Immer wieder zitiert der 1938 in Helsinki geborene finnisch-jüdische Autor Daniel Katz aus Andrics berühmtem Werk. Am Ende seines Romans "Treibholz im Fluss" befindet sich der Held in Wischegrad, am Fuß der legendären Brücke über die Drina, um vor Ort Andrics Auffassung von Geschichte zu studieren. Denn um Geschichte geht es Katz, oder vielmehr: um ihre Anwesenheit und ihre Wirksamkeit bis in ferne Regionen und Zeiten.
Katz bezeichnet sich als einen "verfluchten Kosmopoliten". Einige Jahre lebte er in Israel, war Tunnelbohrer und Sprengmeister und gab an der jüdischen Volkshochschule in Helsinki Religionsunterricht. Seit 1968 schrieb er sieben Romane und vier Erzählungsbände, nur drei Bücher sind bisher ins Deutsche übersetzt worden. Dass er hier nahezu unbekannt geblieben ist, sollte sich spätestens mit "Treibholz im Fluss" ändern, einem hinreißenden Liebesroman voller Leidenschaft und Entsagung. Aber was vermag die Liebe gegenüber den Verwundungen und Bindungen, die aus der Geschichte resultieren?
"Die Geschichte ist ein Nilpferd", heißt es einmal. Sie walzt jeden nieder, der sich ihr in den Weg stellt. Das muss auch der Lehrer Henry Loimu begreifen, der eine gescheiterte Ehe hinter sich hat und an einer Liebschaft laboriert, die er gerne beenden würde. Loimu, so ist zu erfahren, bedeutet auf finnisch "Glut, Feuer". So mischen sich die Elemente, denn Henry taucht am Anfang aus dem Fluss auf, der sich während eines Hochwassers in einen reißenden Strom verwandelt hat. Eigentlich wollte er nur seinen Bootssteg reparieren, wird dann aber mit den Brettern mitgerissen und auf ein fremdes Grundstück am andren Ufer gespült.
Dort scheint er schon erwartet worden zu sein. Empfangen wird er von einem Mann, der sich als bosnischer Tierarzt und Pferdezüchter vorstellt. Er ist der Bedienstete eines erblindeten, finnischen Oberst, der für die Vereinten Nationen im Bosnienkrieg war und dort bei einem Minenunfall sein Augenlicht verlor. Der Oberst ist mit der Tochter des Pferdezüchters verheiratet, der bildschönen, blutjungen Mavra, die ihm sehr viel, vielleicht ihr Leben zu verdanken hat und deshalb unlösbar an ihn gebunden ist. Natürlich verliebt Henry sich sofort unsterblich in diese Frau, misstrauisch beäugt von ihrem Vater und, wenn man so sagen kann, vom blinden Oberst.
Die Gespräche der Männer sind voller Fallen. Sie belauern sich, legen falsche Fährten und sind doch voll gegenseitiger Achtung. Ihre philosophischen und durchaus poetischen Gespräche kreisen um die Geschichte, um Frauen und die Liebe, und wie alles miteinander zusammenhängt. Während Henry von ewiger Liebe spricht, erwidert der Oberst kühl: "Die Geschichte kennt einen solchen Begriff nicht." Der Oberst ist damit beschäftigt, den russisch-finnischen Krieg zu studieren, aus dem ihm sein Vater Aufzeichnungen hinterlassen hat. Mavra möchte nichts lieber, als ihre Kriegserlebnisse vergessen. Henry sagt: "Ich weiß nicht, was man dir in deinem Heimatdorf angetan hat, ich kann es nur ahnen. Wenn du nicht darüber sprichst, wird es dich umbringen. Oder du nimmst einem anderen das Leben."
Nach und nach enthüllt Daniel Katz die Geheimnisse seiner faszinierenden Figuren, lässt sie in Träumen und Erzählungen in traumatische Situationen zurückkehren. Doch all das ist eingebunden in das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen Vater und Tochter, Ehemann und Liebhaber. Die beiden jungen Liebenden erhalten reichlich Gelegenheit, ihre Leidenschaft auszukosten. Und der blinde Oberst bekommt die Chance, zu einem Sehenden zu werden. Oder hat er die ganze Zeit nur geblufft? Die Geschichte hat in diesem sinnlichen, heiter-lakonischen und aufwühlenden Roman mehr als nur einen doppelten Boden.
Daniel Katz: Treibholz im Fluß
Roman
Aus dem Finnischen von Stefan Moster
Klett-Cotta, Stuttgart 2005
406 Seiten, 23,50 Euro.
Katz bezeichnet sich als einen "verfluchten Kosmopoliten". Einige Jahre lebte er in Israel, war Tunnelbohrer und Sprengmeister und gab an der jüdischen Volkshochschule in Helsinki Religionsunterricht. Seit 1968 schrieb er sieben Romane und vier Erzählungsbände, nur drei Bücher sind bisher ins Deutsche übersetzt worden. Dass er hier nahezu unbekannt geblieben ist, sollte sich spätestens mit "Treibholz im Fluss" ändern, einem hinreißenden Liebesroman voller Leidenschaft und Entsagung. Aber was vermag die Liebe gegenüber den Verwundungen und Bindungen, die aus der Geschichte resultieren?
"Die Geschichte ist ein Nilpferd", heißt es einmal. Sie walzt jeden nieder, der sich ihr in den Weg stellt. Das muss auch der Lehrer Henry Loimu begreifen, der eine gescheiterte Ehe hinter sich hat und an einer Liebschaft laboriert, die er gerne beenden würde. Loimu, so ist zu erfahren, bedeutet auf finnisch "Glut, Feuer". So mischen sich die Elemente, denn Henry taucht am Anfang aus dem Fluss auf, der sich während eines Hochwassers in einen reißenden Strom verwandelt hat. Eigentlich wollte er nur seinen Bootssteg reparieren, wird dann aber mit den Brettern mitgerissen und auf ein fremdes Grundstück am andren Ufer gespült.
Dort scheint er schon erwartet worden zu sein. Empfangen wird er von einem Mann, der sich als bosnischer Tierarzt und Pferdezüchter vorstellt. Er ist der Bedienstete eines erblindeten, finnischen Oberst, der für die Vereinten Nationen im Bosnienkrieg war und dort bei einem Minenunfall sein Augenlicht verlor. Der Oberst ist mit der Tochter des Pferdezüchters verheiratet, der bildschönen, blutjungen Mavra, die ihm sehr viel, vielleicht ihr Leben zu verdanken hat und deshalb unlösbar an ihn gebunden ist. Natürlich verliebt Henry sich sofort unsterblich in diese Frau, misstrauisch beäugt von ihrem Vater und, wenn man so sagen kann, vom blinden Oberst.
Die Gespräche der Männer sind voller Fallen. Sie belauern sich, legen falsche Fährten und sind doch voll gegenseitiger Achtung. Ihre philosophischen und durchaus poetischen Gespräche kreisen um die Geschichte, um Frauen und die Liebe, und wie alles miteinander zusammenhängt. Während Henry von ewiger Liebe spricht, erwidert der Oberst kühl: "Die Geschichte kennt einen solchen Begriff nicht." Der Oberst ist damit beschäftigt, den russisch-finnischen Krieg zu studieren, aus dem ihm sein Vater Aufzeichnungen hinterlassen hat. Mavra möchte nichts lieber, als ihre Kriegserlebnisse vergessen. Henry sagt: "Ich weiß nicht, was man dir in deinem Heimatdorf angetan hat, ich kann es nur ahnen. Wenn du nicht darüber sprichst, wird es dich umbringen. Oder du nimmst einem anderen das Leben."
Nach und nach enthüllt Daniel Katz die Geheimnisse seiner faszinierenden Figuren, lässt sie in Träumen und Erzählungen in traumatische Situationen zurückkehren. Doch all das ist eingebunden in das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen Vater und Tochter, Ehemann und Liebhaber. Die beiden jungen Liebenden erhalten reichlich Gelegenheit, ihre Leidenschaft auszukosten. Und der blinde Oberst bekommt die Chance, zu einem Sehenden zu werden. Oder hat er die ganze Zeit nur geblufft? Die Geschichte hat in diesem sinnlichen, heiter-lakonischen und aufwühlenden Roman mehr als nur einen doppelten Boden.
Daniel Katz: Treibholz im Fluß
Roman
Aus dem Finnischen von Stefan Moster
Klett-Cotta, Stuttgart 2005
406 Seiten, 23,50 Euro.