Eine Hassfigur und ein Stück Wirtschaftsgeschichte
Die Journalistin und Buchautorin Inge Kloepfer glaubt, dass die Grenzen zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit beim verurteilten Ex-VW-Personalvorstand Peter Hartz fließend waren. „Peter Hartz ist niemand, der sich hinstellt und sagt, ich besteche jetzt vorsätzlich den Betriebsrat, damit das alles besser läuft. So einfach ist das nicht“, sagte Kloepfer im Deutschlandradio Kultur zum Erscheinen ihres Gesprächsbandes mit Hartz „Macht und Ohnmacht“.
Eckhard Roelcke: Im Studio begrüße ich nun Inge Kloepfer. Die Journalistin ist Wirtschaftsredakteurin bei der FAZ-Sonntagszeitung und sie hat Peter Hartz zum Reden gebracht. Ihr Buch „Macht und Ohnmacht“ erscheint heute. Frau Kloepfer, Peter Hartz hat lange geschwiegen. Man hat ein Kesseltreiben gegen ihn veranstaltet, sagt er. Er sprach gar von einer Rufmordkampagne. Wie ist es Ihnen denn gelungen, Peter Hartz zu diesem umfangreichen Gespräch zu motivieren?
Inge Kloepfer: Indem ich im Prinzip gar nichts gemacht habe, weil Peter Hartz auf mich zugekommen ist und mich gefragt hat, ob ich bereit wäre, mit ihm ein Buchprojekt zu machen. Die Form war noch gar nicht festgelegt, und ich habe, ehrlich gesagt, ein bisschen gezögert, denn ich wusste auch, dass Peter Hartz über die Jahre nach den Sozialreformen und dann natürlich mit dem VW-Skandal zur Hassfigur in Deutschland geworden war. Und es war schon ein großer Schritt, sich dazu zu entscheiden, zu sagen, ich spreche mal mit der am meist gehassten Figur, die wir derzeit haben.
Roelcke: Das zeigt aber doch auch, dass Peter Hartz ein gewisses Vertrauen Ihnen entgegengebracht hat.
Kloepfer: Das ist wohl so. Dazu müsste man natürlich Peter Hartz selbst fragen. Ich jedenfalls habe mir nach einigen Wochen Bedenkzeit doch überlegt, dass ich ihn zumindest einmal treffen könnte, und hatte eine Stunde dafür angesetzt.
Wir haben aber doch fast drei Stunden gesprochen, und ich habe begonnen, ihn all das zu fragen, was ich immer mal wissen wollte, über Piëch, über Schröder, über die Arbeitsmarktkommission, über die Stahlkrise im Saarland. Und das hat mich dann doch relativ in den Bann gezogen, denn Peter Hartz ist auch ein Stück Wirtschaftsgeschichte, das muss man sagen. Und dann habe ich beschlossen, dass ich mir vorstellen könnte, mit ihm ein Buchprojekt anzugehen.
Roelcke: Warum war er so lange sprachlos? Jemand, der so unter Druck steht, unter öffentlichem Druck, da könnte man doch denken, der geht auch von sich aus in die Offensive, in die Öffentlichkeit.
Kloepfer: Ich glaube, und das ist wirklich meine Interpretation, dass er lange Zeit gebraucht hat, um überhaupt zu verstehen, wie aus ihm eine Skandalfigur geworden ist. Ich glaube, hinzu kommt seine Vasallentreue gegenüber VW. Er hat immer gedacht, ich muss zurücktreten, ich muss schweigen, ich darf nichts sagen, um nicht VW weiter in die Schlagzeilen zu bringen.
Ich glaube, was die Arbeitsmarktreformen angeht, hat er lange nichts gesagt, auch aus Treue und Loyalität zu Gerhard Schröder, und auch deswegen, weil er genau wusste, seine Rolle ist eigentlich mit der Vorlage der Reformvorschläge beendet.
Roelcke: Peter Hartz stammt aus einem proletarischen Elternhaus im Saarland. Aus der Provinz zum Topmanager in Deutschland, und dann Berater Gerhard Schröders, Erfinder der Hartz-Reform, nicht nur Hartz IV, muss man dazu sagen. Was hat Sie denn an Hartz mehr interessiert, der Aufstieg oder der Fall?
Kloepfer: Im Grunde ist es die Kombination von beidem, denn wenn die Fallhöhe hoch ist, dann muss vorher ein unglaublicher Aufstieg stattgefunden haben, und der Aufstieg von Peter Hartz ist atemberaubend und vor allen Dingen auch deswegen so faszinierend, weil er mit der mächtigen Gewerkschaft IG Metall letztendlich dreimal in den Sattel gehoben wurde. Und nach so einem Aufstieg ist natürlich die Fallhöhe so hoch und damit ein tiefer Fall auch gewissermaßen faszinierend, wenn auch für die Person, die betroffen ist, natürlich besonders tragisch.
Roelcke: Wir sind noch beim Aufstieg. Wenn wir jetzt über Peter Hartz sprechen, 2002 war die Welt, seine Welt noch in Ordnung. Der freundliche Revolutionär aus Wolfsburg, schrieben zum Beispiel die Kollegen von der „Welt“. Missionar in Sachen Beschäftigungssicherung, lobte die „Süddeutsche Zeitung“. Und Ferdinand Piëch, der Porsche-Enkel und VW-Vorstandsvorsitzende, pries Hartz als „unseren besten Mann“. Hat der große Erfolg von Peter Hartz ihn leichtsinnig gemacht?
Kloepfer: Ob er ihn leichtsinnig gemacht hat, weiß ich nicht. Er hat zumindest dazu verführt, dass Peter Hartz nicht mehr über die Bedingungen nachgedacht hat, unter denen sein Erfolg zustande gekommen ist. Das sagt er selbst auch in dem Buch. Er hat zu wenig über seine Macht reflektiert. Und wir wissen alle, dass diejenigen, die Macht haben, auch missbrauchsanfällig sind für diese Macht. Und Peter Hartz ist ein ganz prominentes Beispiel dafür. Das heißt, er hat letztendlich die Bedingungen, unter denen er erfolgreich war, nicht genügend reflektiert.
Roelcke: Frau Kloepfer, Peter Hartz schildert seine Sicht der Dinge selbstverständlich im VW-Skandal, Bestechung, Lustreisen. Als der Skandal im Sommer 2005 bekannt wird, da hatte er kein Unrechtsbewusstsein, das sagte er ganz eindeutig. Bis zu seinem Geständnis – und er hat gestanden 44 Mal die Untreue, das hat das Gericht dann auch bestätigt. Bis zu diesem Geständnis war das ein langer Prozess, ein langer Erkenntnisweg. Wie stark mussten Sie denn da nachhaken und nachbohren, um das aus ihm herauszulocken?
Kloepfer: Ich selbst musste da gar nicht stark nachbohren, weil diese Arbeit schon sein Strafverteidiger sozusagen erledigt hatte, der nämlich dem gestrauchelten Protagonisten erklärt hat, was Recht und Unrecht ist im juristischen Sinne und nicht im persönlich verstandenem Sinne, also im persönlichen Rechtsempfinden, das jeder von uns mit sich herumträgt und eben auch Peter Hartz.
Das heißt, ich habe ihn dann schon in einer Fassung erlebt, in der er sehr wohl reflektiert hat, dass das, was er gemacht hat, eben nicht in Ordnung ist. Man kann nicht, um bestimmte Ziele zu erreichen, Mitglieder des Betriebsrats kaufen.
Roelcke: Ein Satz aus Ihrem Buch oder ein Satz auch von Peter Hartz ist mir ziemlich unangenehm aufgefallen. Man hat den so oder so ähnlich ja schon häufiger gehört: „Als Manager steht man an so exponierter Stelle permanent mit einem Bein im Gefängnis“. Das klingt ja wie eine Entschuldigung eigentlich, und das ist dann doch, finde ich, ein bisschen erschreckend. Das bedeutet doch, als Topmanager muss man immer an Grenzen gehen, und wenn man darüber rausgeht, hat man Pech gehabt, weil man eingeholt wird vom Recht. Ist das so?
Kloepfer: Als Manager sollte man sich zumindest sehr genau darüber Gedanken machen, von wem man sich beraten lässt, und zwar auch in juristischer Hinsicht. Wir brauchen Regeln, wir brauchen auch ganz strenge Regeln, damit Manager eben, also angestellte Manager vor allem mit dem Unternehmen nicht so umgehen, als wäre es ihr eigenes. Sie müssen die Aktionäre schützen, Mitarbeiter schützen, die Gläubiger schützen, das heißt also, sie müssen in diesem engen Rechtsrahmen auch agieren. Und wenn man gut beraten ist, passiert das nicht.
Denken Sie an das Wertpapierhandelsgesetz, da steht man ziemlich schnell mit einem Bein im Gefängnis, aber man darf eben als Manager sein Wissen, seine Macht nicht zum eigenen Nutzen einsetzen. Und in dem Fall hat Peter Hartz das sicher getan. Er hat sich nicht persönlich bereichert um keinen Cent, aber er hat natürlich seine Macht eingesetzt, um auch seinen Erfolg durchzusetzen.
Roelcke: Ganz wichtige Stichpunkte in dem Zusammenhang sind ja Fahrlässigkeit oder Vorsatz. In dem Buch schildert er so ein bisschen, als habe er das alles nicht gewusst und habe so sein persönliches Rechtsempfinden. Im Urteil oder vor Gericht hat er dann aber doch den Vorsatz zugegeben. Das ist ein gewisser Widerspruch, einerseits die Fahrlässigkeit, da bin ich so reingerutscht, und andererseits Vorsatz, ja, ich habe es gewusst, ich habe es getan.
Kloepfer: Also mir hat mal ein Strafverteidiger mal erklärt, dass die Grenzen zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz – und das ist ja eine ganz spannende Frage – sehr fließend sind. Im Gerichtssaal allerdings können sie nicht mehr fließend sein. Sie brauchen Weiß und Schwarz, Gut und Böse, Richtig oder Falsch.
Und insofern musste Peter Hartz, um ein glaubhaftes Geständnis abzugeben, auch natürlich selbst vom Vorsatz sprechen oder sprechen lassen, denn im Gerichtssaal hat er selbst nicht gesprochen. Für ihn sind die Grenzen sicherlich fließend, denn ich würde sagen, Peter Hartz ist niemand, der sich da hinstellt und sagt, ich besteche jetzt vorsätzlich den Betriebsrat, damit das alles besser läuft. So einfach ist es nicht, und das kann man aus dem Buch auch sehr gut herauslesen.
Roelcke: Wir sollten es auch noch mal betonen, er hat sich nicht selbst bereichert, das steht dort drin. Das ist ganz wichtig im Gegensatz zu anderen VW-Protagonisten, die in dem Skandal ja doch wirklich auch für viel Aufsehen gesorgt haben, Stichwort Lustreisen, alles, was damit zusammenhängt. Frau Kloepfer, Sie haben das Buch – ich gehe mal davon aus – sicherlich autorisieren lassen. Gab es da so bestimmte Formulierungen, über die Sie dann auch gefeilscht haben?
Klopfer: Das ist ein ganz normaler Prozess, das hat man immer mit Wortlaut-Interviews. Natürlich muss derjenige, der das Interview gibt, auch seine Worte, seine Sätze autorisieren. Und das ist dann so, dass Schwarz auf Weiß viele Dinge anders wirken, als wenn man sie im lockeren Gespräch erzählt. Insofern bleibt nicht alles stehen, was ich mal aufgeschrieben habe. Aber ich denke, im Grunde ist eigentlich das Wichtigste stehen geblieben. Bestimmte Dinge hat Peter Hartz als seine Privatsphäre definiert, und ich würde sagen, dass es akzeptiert wird.
Roelcke: Ein Satz noch. War das eine interessante Herausforderung für Sie, lohnenswert, erkenntnisreich?
Kloepfer: Lohnenswert, erkenntnisreich, ungemein spannend und auch menschlich sehr berührend.
Inge Kloepfer: Indem ich im Prinzip gar nichts gemacht habe, weil Peter Hartz auf mich zugekommen ist und mich gefragt hat, ob ich bereit wäre, mit ihm ein Buchprojekt zu machen. Die Form war noch gar nicht festgelegt, und ich habe, ehrlich gesagt, ein bisschen gezögert, denn ich wusste auch, dass Peter Hartz über die Jahre nach den Sozialreformen und dann natürlich mit dem VW-Skandal zur Hassfigur in Deutschland geworden war. Und es war schon ein großer Schritt, sich dazu zu entscheiden, zu sagen, ich spreche mal mit der am meist gehassten Figur, die wir derzeit haben.
Roelcke: Das zeigt aber doch auch, dass Peter Hartz ein gewisses Vertrauen Ihnen entgegengebracht hat.
Kloepfer: Das ist wohl so. Dazu müsste man natürlich Peter Hartz selbst fragen. Ich jedenfalls habe mir nach einigen Wochen Bedenkzeit doch überlegt, dass ich ihn zumindest einmal treffen könnte, und hatte eine Stunde dafür angesetzt.
Wir haben aber doch fast drei Stunden gesprochen, und ich habe begonnen, ihn all das zu fragen, was ich immer mal wissen wollte, über Piëch, über Schröder, über die Arbeitsmarktkommission, über die Stahlkrise im Saarland. Und das hat mich dann doch relativ in den Bann gezogen, denn Peter Hartz ist auch ein Stück Wirtschaftsgeschichte, das muss man sagen. Und dann habe ich beschlossen, dass ich mir vorstellen könnte, mit ihm ein Buchprojekt anzugehen.
Roelcke: Warum war er so lange sprachlos? Jemand, der so unter Druck steht, unter öffentlichem Druck, da könnte man doch denken, der geht auch von sich aus in die Offensive, in die Öffentlichkeit.
Kloepfer: Ich glaube, und das ist wirklich meine Interpretation, dass er lange Zeit gebraucht hat, um überhaupt zu verstehen, wie aus ihm eine Skandalfigur geworden ist. Ich glaube, hinzu kommt seine Vasallentreue gegenüber VW. Er hat immer gedacht, ich muss zurücktreten, ich muss schweigen, ich darf nichts sagen, um nicht VW weiter in die Schlagzeilen zu bringen.
Ich glaube, was die Arbeitsmarktreformen angeht, hat er lange nichts gesagt, auch aus Treue und Loyalität zu Gerhard Schröder, und auch deswegen, weil er genau wusste, seine Rolle ist eigentlich mit der Vorlage der Reformvorschläge beendet.
Roelcke: Peter Hartz stammt aus einem proletarischen Elternhaus im Saarland. Aus der Provinz zum Topmanager in Deutschland, und dann Berater Gerhard Schröders, Erfinder der Hartz-Reform, nicht nur Hartz IV, muss man dazu sagen. Was hat Sie denn an Hartz mehr interessiert, der Aufstieg oder der Fall?
Kloepfer: Im Grunde ist es die Kombination von beidem, denn wenn die Fallhöhe hoch ist, dann muss vorher ein unglaublicher Aufstieg stattgefunden haben, und der Aufstieg von Peter Hartz ist atemberaubend und vor allen Dingen auch deswegen so faszinierend, weil er mit der mächtigen Gewerkschaft IG Metall letztendlich dreimal in den Sattel gehoben wurde. Und nach so einem Aufstieg ist natürlich die Fallhöhe so hoch und damit ein tiefer Fall auch gewissermaßen faszinierend, wenn auch für die Person, die betroffen ist, natürlich besonders tragisch.
Roelcke: Wir sind noch beim Aufstieg. Wenn wir jetzt über Peter Hartz sprechen, 2002 war die Welt, seine Welt noch in Ordnung. Der freundliche Revolutionär aus Wolfsburg, schrieben zum Beispiel die Kollegen von der „Welt“. Missionar in Sachen Beschäftigungssicherung, lobte die „Süddeutsche Zeitung“. Und Ferdinand Piëch, der Porsche-Enkel und VW-Vorstandsvorsitzende, pries Hartz als „unseren besten Mann“. Hat der große Erfolg von Peter Hartz ihn leichtsinnig gemacht?
Kloepfer: Ob er ihn leichtsinnig gemacht hat, weiß ich nicht. Er hat zumindest dazu verführt, dass Peter Hartz nicht mehr über die Bedingungen nachgedacht hat, unter denen sein Erfolg zustande gekommen ist. Das sagt er selbst auch in dem Buch. Er hat zu wenig über seine Macht reflektiert. Und wir wissen alle, dass diejenigen, die Macht haben, auch missbrauchsanfällig sind für diese Macht. Und Peter Hartz ist ein ganz prominentes Beispiel dafür. Das heißt, er hat letztendlich die Bedingungen, unter denen er erfolgreich war, nicht genügend reflektiert.
Roelcke: Frau Kloepfer, Peter Hartz schildert seine Sicht der Dinge selbstverständlich im VW-Skandal, Bestechung, Lustreisen. Als der Skandal im Sommer 2005 bekannt wird, da hatte er kein Unrechtsbewusstsein, das sagte er ganz eindeutig. Bis zu seinem Geständnis – und er hat gestanden 44 Mal die Untreue, das hat das Gericht dann auch bestätigt. Bis zu diesem Geständnis war das ein langer Prozess, ein langer Erkenntnisweg. Wie stark mussten Sie denn da nachhaken und nachbohren, um das aus ihm herauszulocken?
Kloepfer: Ich selbst musste da gar nicht stark nachbohren, weil diese Arbeit schon sein Strafverteidiger sozusagen erledigt hatte, der nämlich dem gestrauchelten Protagonisten erklärt hat, was Recht und Unrecht ist im juristischen Sinne und nicht im persönlich verstandenem Sinne, also im persönlichen Rechtsempfinden, das jeder von uns mit sich herumträgt und eben auch Peter Hartz.
Das heißt, ich habe ihn dann schon in einer Fassung erlebt, in der er sehr wohl reflektiert hat, dass das, was er gemacht hat, eben nicht in Ordnung ist. Man kann nicht, um bestimmte Ziele zu erreichen, Mitglieder des Betriebsrats kaufen.
Roelcke: Ein Satz aus Ihrem Buch oder ein Satz auch von Peter Hartz ist mir ziemlich unangenehm aufgefallen. Man hat den so oder so ähnlich ja schon häufiger gehört: „Als Manager steht man an so exponierter Stelle permanent mit einem Bein im Gefängnis“. Das klingt ja wie eine Entschuldigung eigentlich, und das ist dann doch, finde ich, ein bisschen erschreckend. Das bedeutet doch, als Topmanager muss man immer an Grenzen gehen, und wenn man darüber rausgeht, hat man Pech gehabt, weil man eingeholt wird vom Recht. Ist das so?
Kloepfer: Als Manager sollte man sich zumindest sehr genau darüber Gedanken machen, von wem man sich beraten lässt, und zwar auch in juristischer Hinsicht. Wir brauchen Regeln, wir brauchen auch ganz strenge Regeln, damit Manager eben, also angestellte Manager vor allem mit dem Unternehmen nicht so umgehen, als wäre es ihr eigenes. Sie müssen die Aktionäre schützen, Mitarbeiter schützen, die Gläubiger schützen, das heißt also, sie müssen in diesem engen Rechtsrahmen auch agieren. Und wenn man gut beraten ist, passiert das nicht.
Denken Sie an das Wertpapierhandelsgesetz, da steht man ziemlich schnell mit einem Bein im Gefängnis, aber man darf eben als Manager sein Wissen, seine Macht nicht zum eigenen Nutzen einsetzen. Und in dem Fall hat Peter Hartz das sicher getan. Er hat sich nicht persönlich bereichert um keinen Cent, aber er hat natürlich seine Macht eingesetzt, um auch seinen Erfolg durchzusetzen.
Roelcke: Ganz wichtige Stichpunkte in dem Zusammenhang sind ja Fahrlässigkeit oder Vorsatz. In dem Buch schildert er so ein bisschen, als habe er das alles nicht gewusst und habe so sein persönliches Rechtsempfinden. Im Urteil oder vor Gericht hat er dann aber doch den Vorsatz zugegeben. Das ist ein gewisser Widerspruch, einerseits die Fahrlässigkeit, da bin ich so reingerutscht, und andererseits Vorsatz, ja, ich habe es gewusst, ich habe es getan.
Kloepfer: Also mir hat mal ein Strafverteidiger mal erklärt, dass die Grenzen zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz – und das ist ja eine ganz spannende Frage – sehr fließend sind. Im Gerichtssaal allerdings können sie nicht mehr fließend sein. Sie brauchen Weiß und Schwarz, Gut und Böse, Richtig oder Falsch.
Und insofern musste Peter Hartz, um ein glaubhaftes Geständnis abzugeben, auch natürlich selbst vom Vorsatz sprechen oder sprechen lassen, denn im Gerichtssaal hat er selbst nicht gesprochen. Für ihn sind die Grenzen sicherlich fließend, denn ich würde sagen, Peter Hartz ist niemand, der sich da hinstellt und sagt, ich besteche jetzt vorsätzlich den Betriebsrat, damit das alles besser läuft. So einfach ist es nicht, und das kann man aus dem Buch auch sehr gut herauslesen.
Roelcke: Wir sollten es auch noch mal betonen, er hat sich nicht selbst bereichert, das steht dort drin. Das ist ganz wichtig im Gegensatz zu anderen VW-Protagonisten, die in dem Skandal ja doch wirklich auch für viel Aufsehen gesorgt haben, Stichwort Lustreisen, alles, was damit zusammenhängt. Frau Kloepfer, Sie haben das Buch – ich gehe mal davon aus – sicherlich autorisieren lassen. Gab es da so bestimmte Formulierungen, über die Sie dann auch gefeilscht haben?
Klopfer: Das ist ein ganz normaler Prozess, das hat man immer mit Wortlaut-Interviews. Natürlich muss derjenige, der das Interview gibt, auch seine Worte, seine Sätze autorisieren. Und das ist dann so, dass Schwarz auf Weiß viele Dinge anders wirken, als wenn man sie im lockeren Gespräch erzählt. Insofern bleibt nicht alles stehen, was ich mal aufgeschrieben habe. Aber ich denke, im Grunde ist eigentlich das Wichtigste stehen geblieben. Bestimmte Dinge hat Peter Hartz als seine Privatsphäre definiert, und ich würde sagen, dass es akzeptiert wird.
Roelcke: Ein Satz noch. War das eine interessante Herausforderung für Sie, lohnenswert, erkenntnisreich?
Kloepfer: Lohnenswert, erkenntnisreich, ungemein spannend und auch menschlich sehr berührend.