Eine Geschichte des Scheiterns
Der Roman "Martin Kacur – Lebensbeschreibung eines Idealisten" von 1907 erzählt schonungslos vom persönlichen wie beruflichen Scheitern des anfangs noch jungen Lehrers Kacur. Das Buch ist einer der meistgelesenen Klassiker der modernen slowenischen Literatur und Schullektüre. Er beansprucht einen wichtigen Platz in der europäischen Literatur.
Ivan Cankars 1907 (mit der Jahreszahl 1906) erschienener Roman "Martin Kacur" – Lebensbeschreibung eines Idealisten – trägt einen sarkastischen Titel. Denn es handelt sich um die schonungslose Darstellung eines großen Scheiterns. Der Roman erzählt über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten hinweg die Entwicklung eines Lehrers, der - voller Tatendrang und Glauben an das Gute im Menschen - die Volksbildung und Kultur seines Landes fördern will, aber aufgrund der Reaktionen seines Umfelds und der gesellschaftlichen Verhältnisse zunehmend resigniert und schließlich zerbricht.
Zu Beginn des Romans, der um 1880 einsetzt, tritt der etwa 30-jährige Martin Kacur eine neue Lehrerstelle in dem kleinen Städtchen Zapolje an. Sein Versuch, einen Lese- und Bildungsverein für Bauern und die arbeitenden Massen zu gründen (damit diese nicht nur sonntags das Gebetbuch lesen können!) bringt ihm den Vorwurf ein, er habe gegen den Glauben gehetzt.
Kacur wird mangels Demut und Reue ob seiner "Tat" strafversetzt in ein erbärmliches dunkles Nest, Blatni Dol, wo keiner an seinen Reformbemühungen interessiert ist. Im Gegenteil: schnell muss Kacur erkennen, dass sein Streben nach Volksbildung ihn hier in Lebensgefahr bringt. Er ordnet sich aus purer Not den dumpfen, bedrückenden Verhältnissen unter und sucht in seiner Isolation und Einsamkeit Trost bei einer nicht ganz standesgemäßen Frau. Diese wird schwanger und er muss sie heiraten. Ein Jahrzehnt der Armut und seelischen Vereinsamung folgt.
Doch plötzlich wird Kacurs Strafversetzung aufgehoben, er bekommt eine neue Chance in dem prosperierenden Ort Lazi. Doch Kacur muss hier erkennen, dass sich die Zeiten völlig gewandelt haben und er nun zu den ewig Gestrigen gehört: im Bildungswesen ist eine Liberalisierung erfolgt, sein blinder Gehorsam und Unterwürfigkeit sind nun nicht mehr gefragt. Seine rauen, autoritären Schulmethoden, die er in Blatni Dol ganz an den bäurischen Umgangstil angepasst hatte und die auch eine Folge seiner Trunksucht sind, werden abgelehnt.
Besonders plastisch wird Kacurs Scheitern, als er einen ehemaligen Kollegen aus dem Ort Zapolje wieder trifft. Dieser, damals ein Opportunist und miserabler Lehrer, hat nun im neuen System Karriere gemacht und verhöhnt ihn. Auch von der Ehefrau wird er verachtet. Als Kacurs jüngster Sohn stirbt – an Spätfolgen der ärmlichen Ernährung in Blatni Dol, ist sein einziger Lebensinhalt verloren. Er nimmt sich das Leben.
"Martin Kacur - Lebensbeschreibung eines Idealisten" stellt die am besten gebaute, plastischste, stilistisch vollkommenste, gedanklich und formal am einheitlichsten konzipierte, beste Erzählung von Ivan Cankar dar" – so urteilte Izidor Cankar, Herausgeber der ersten gesammelten Schriften (1925-1936) seines Cousins. Und in der Tat ist der Roman äußerst kunstvoll komponiert.
Von den drei Kapiteln ist jeweils eines den erwähnten Orten gewidmet, die für Kacur schicksalshaft werden: Zapolje, Blatni Dol und Lazi. Jedes der Kapitel beginnt mit einer Reise an den neuen Einsatzort. Die Beschreibung der Natur korrespondiert dabei jeweils mit der inneren Befindlichkeit des Protagonisten, dessen Psychogramm durch innere Monologe und Traumwiedergaben plastisch wird.
So tragisch Martin Kacurs Leben verläuft, so wenig lässt Ivan Cankar doch Raum für Sentimentalitäten oder gar Pathos. Er schildert geradezu distanziert, ohne große Anteilnahme dessen Absturz, verwendet dabei auch humoristische, ironische Motive wie zum Beispiel in der Beschreibung des hemdsärmeligen, ganz unchristlichen Pfarrers von Blatni Dol.
"Martin Kacur" ist auch heute noch ein aktuelles Werk: Es ist einer der meistgelesenen Klassiker der modernen slowenischen Literatur und Schullektüre. Aber auch außerhalb Sloweniens ist es einer der bekanntesten und meistübersetzten Texte von Cankar und beansprucht einen wichtigen Platz in der europäischen Literatur. Eine italienische Wochenzeitung hat ihn 1986 zum "europäischen Roman des Jahres 1906" ernannt.
Dennoch bleibt Cankars Werk immer noch für viele unbekannt. Das unerwartet große Echo des 1994 erschienenen Bandes "Wiener Skizzen" veranlasste den Klagenfurter Drava Verlag, eine Cankar-Werkausgabe in deutscher Sprache in Angriff zu nehmen. Diese erscheint seither in jährlichen Einzelbänden.
Ivan Cankar: Martin Kacur. Lebensbeschreibung eines Idealisten
Übersetzt von Erwin Köstler
Roman, Drava Verlag 2006
240 Seiten
Zu Beginn des Romans, der um 1880 einsetzt, tritt der etwa 30-jährige Martin Kacur eine neue Lehrerstelle in dem kleinen Städtchen Zapolje an. Sein Versuch, einen Lese- und Bildungsverein für Bauern und die arbeitenden Massen zu gründen (damit diese nicht nur sonntags das Gebetbuch lesen können!) bringt ihm den Vorwurf ein, er habe gegen den Glauben gehetzt.
Kacur wird mangels Demut und Reue ob seiner "Tat" strafversetzt in ein erbärmliches dunkles Nest, Blatni Dol, wo keiner an seinen Reformbemühungen interessiert ist. Im Gegenteil: schnell muss Kacur erkennen, dass sein Streben nach Volksbildung ihn hier in Lebensgefahr bringt. Er ordnet sich aus purer Not den dumpfen, bedrückenden Verhältnissen unter und sucht in seiner Isolation und Einsamkeit Trost bei einer nicht ganz standesgemäßen Frau. Diese wird schwanger und er muss sie heiraten. Ein Jahrzehnt der Armut und seelischen Vereinsamung folgt.
Doch plötzlich wird Kacurs Strafversetzung aufgehoben, er bekommt eine neue Chance in dem prosperierenden Ort Lazi. Doch Kacur muss hier erkennen, dass sich die Zeiten völlig gewandelt haben und er nun zu den ewig Gestrigen gehört: im Bildungswesen ist eine Liberalisierung erfolgt, sein blinder Gehorsam und Unterwürfigkeit sind nun nicht mehr gefragt. Seine rauen, autoritären Schulmethoden, die er in Blatni Dol ganz an den bäurischen Umgangstil angepasst hatte und die auch eine Folge seiner Trunksucht sind, werden abgelehnt.
Besonders plastisch wird Kacurs Scheitern, als er einen ehemaligen Kollegen aus dem Ort Zapolje wieder trifft. Dieser, damals ein Opportunist und miserabler Lehrer, hat nun im neuen System Karriere gemacht und verhöhnt ihn. Auch von der Ehefrau wird er verachtet. Als Kacurs jüngster Sohn stirbt – an Spätfolgen der ärmlichen Ernährung in Blatni Dol, ist sein einziger Lebensinhalt verloren. Er nimmt sich das Leben.
"Martin Kacur - Lebensbeschreibung eines Idealisten" stellt die am besten gebaute, plastischste, stilistisch vollkommenste, gedanklich und formal am einheitlichsten konzipierte, beste Erzählung von Ivan Cankar dar" – so urteilte Izidor Cankar, Herausgeber der ersten gesammelten Schriften (1925-1936) seines Cousins. Und in der Tat ist der Roman äußerst kunstvoll komponiert.
Von den drei Kapiteln ist jeweils eines den erwähnten Orten gewidmet, die für Kacur schicksalshaft werden: Zapolje, Blatni Dol und Lazi. Jedes der Kapitel beginnt mit einer Reise an den neuen Einsatzort. Die Beschreibung der Natur korrespondiert dabei jeweils mit der inneren Befindlichkeit des Protagonisten, dessen Psychogramm durch innere Monologe und Traumwiedergaben plastisch wird.
So tragisch Martin Kacurs Leben verläuft, so wenig lässt Ivan Cankar doch Raum für Sentimentalitäten oder gar Pathos. Er schildert geradezu distanziert, ohne große Anteilnahme dessen Absturz, verwendet dabei auch humoristische, ironische Motive wie zum Beispiel in der Beschreibung des hemdsärmeligen, ganz unchristlichen Pfarrers von Blatni Dol.
"Martin Kacur" ist auch heute noch ein aktuelles Werk: Es ist einer der meistgelesenen Klassiker der modernen slowenischen Literatur und Schullektüre. Aber auch außerhalb Sloweniens ist es einer der bekanntesten und meistübersetzten Texte von Cankar und beansprucht einen wichtigen Platz in der europäischen Literatur. Eine italienische Wochenzeitung hat ihn 1986 zum "europäischen Roman des Jahres 1906" ernannt.
Dennoch bleibt Cankars Werk immer noch für viele unbekannt. Das unerwartet große Echo des 1994 erschienenen Bandes "Wiener Skizzen" veranlasste den Klagenfurter Drava Verlag, eine Cankar-Werkausgabe in deutscher Sprache in Angriff zu nehmen. Diese erscheint seither in jährlichen Einzelbänden.
Ivan Cankar: Martin Kacur. Lebensbeschreibung eines Idealisten
Übersetzt von Erwin Köstler
Roman, Drava Verlag 2006
240 Seiten