Eine Frage der Ehre

Von Eberhard Schade |
Gegen Inter Mailand auf dem Platz gestanden, Pelé auf der Zuschauertribüne und FIFA-Boss Sepp Blatter als Gast zum 150. Geburtstag des Clubs - der Sheffield F. C. bewegt sich in den höchsten Fußballkreisen. Dabei stand der Kreisligist vor einigen Jahren noch kurz vor der Pleite und hatte weder Vereinsheim noch Stadion zur Verfügung. Doch dann kam ein neuer Präsident. Der fußballverrückte Richard Tims hat eine Vision - und viele Kontakte.
Steve holt Eimer und Pinsel, geht direkt zum Elfmeterpunkt. Der junge Mann mit Basecap und Armyjacke ist ganz allein im Stadion, markiert die wichtigsten Spots. Dabei malt er mit weißer Farbe mehr auf Matsch als auf Gras - egal. Spielplan ist Spielplan, der Kartoffelacker von einst jetzt ein Fußballfeld. Und heute Abend können die Jungs vom Club auf dem Platz den Einzug ins Pokalfinale schaffen.

"Sheffield ist auf Asche gebaut. Die hält das Wasser, und so wirst du es einfach nicht los. Es ist ein Alptraum! Vor allem bei dem Job, den ich hier machen soll: nämlich das Spielfeld in Schuss halten und noch dazu in so einer wichtigen Saison."

Steve lässt ein paar weiße Tropfen auf Anstoß- und Elfmeterpunkt tropfen, schwingt kurz den Pinsel rüber. Walzen, mähen, markieren und hoffen, dass es nicht regnet … "Mehr kann ich nicht tun", sagt er und verschwindet dann im Geräteraum.

Zeitgleich, zehn Kilometer weiter südlich in einem der typischen kleinen Reihenhäuser aus rotem Ziegelstein. Ein junger Mann sitzt mit Laptop auf den Knien auf einer durchgesessenen Couchgarnitur, stellt die Mannschaftsaufstellung ins Netz.

"Die Website ist relativ leicht zu pflegen. Heute Abend nach dem Spiel werden wir eine neue Überschrift einfügen, die da hoffentlich lautet: Sheffield hat wieder gewonnen. Wir sollten gewinnen, aber Parkgate hat am vergangenen Wochenende 5:0 gewonnen, es wird also hart, aber wir werden es hoffentlich in diesem Jahr wieder in das Cup-Finale schaffen."

Der junge Mann trägt das Heimtrikot seiner Mannschaft, bordeauxrot mit aufgenähtem Vereinslogo, darunter wölbt sich ein kleiner Bierbauch. Im Wohnzimmer läuft eine amerikanische Fernsehserie ohne Ton, auf dem Boden und in Kiefernregalen: DVDs statt Bücher. Stuart arbeitet tagsüber für eine Supermarktkette. Nach Feierabend ist Fußballzeit. Aber nicht etwa die Spiele des nahen FC Liverpool, der ganz oben in Englands

Premier League und in der Champions League mitspielt, oder die der beiden Profimannschaften Sheffields United und Wednesday. Nein, es ist der Sheffield Football Club, dem Stuart verfallen ist. Achte Liga, Kreisklassenniveau. Und doch mehr als ein gewöhnlicher Fußballverein, sagt er. Auch sein Sohn Liam guckt heute Abend nicht etwa Liverpool oder Chelsea im Fernsehen, sondern macht sich schick für den Amateurliga-Kick.

Vater und Sohn brechen auf. Zum Spiel. Stuarts Frau kommt nicht mit. Sie will zum Kirchenkreis.

"Es ist sehr wichtig, mit deinem Club durch dick und dünn zu gehen. Selbst zu einem Spiel, das auf den ersten Blick nicht wichtig erscheint, fahren wir. Okay, manchmal muss man Kompromisse machen, wegen der Arbeit oder wenn etwas in der Schule anliegt. Aber ansonsten gilt: Wann immer es geht, sind wir dabei."

Wann immer es geht dabei sein, das heißt mindestens zweimal in der Woche. Bei Auswärts- und Heimspielen. Auswärts kann das für Stuart schon mal 300 Kilometer Fahrerei bedeuten. Eine Strecke bis rauf nach North Wales. Heute aber ist Heimspiel, keine Eile also. Stuart lenkt seinen Wagen durch die hügelige Landschaft von Yorkshire, von einem Kreisverkehr zum nächsten. Bis nach Dronfield.

Viel gibt es nicht zu erzählen über Dronfield, sagt er, außer vielleicht, dass es das größte Dorf Englands ist. Eine typische Satellitenstadt eben, sagt Stuart. Wo die Leute aus der ehemaligen Stahlarbeiter- und mittlerweile sehr schicken und teuren Stadt Sheffield hinziehen, weil die Mieten niedriger sind. Das Bright-Finance-Stadion, benannt nach einer örtlichen Sparkasse, gibt es noch nicht sehr lange hier, und der Name klingt repräsentativer als das, was sich dahinter verbirgt. Nämlich: ein Fußballfeld in katastrophalem Zustand, zwei mit Wellblech überdachte Zuschauertribünen mit insgesamt 200 Sitzplätzen und ein Vereinsheim aus Baucontainern. Alles liegt direkt an der Hauptstraße, gerade noch so im Zehnmeilenradius um die Kathedrale von Sheffield. So schreiben es die original Statuten des Vereins vor.

Stuart parkt auf dem staubigen Parkplatz, geht direkt Richtung Pub. Der liegt direkt neben dem Stadion, gegenüber der Bushaltestelle. Auf dem Weg dorthin, zwischen Altkleidercontainer und Behindertenparkplatz, prangt ein zehn Meter langes Blechschild: The oldest football club in the world.

Tainer Dave McCarthy wartet im Board-Room, einer Art VIP-Lounge, im Vereinsheim aus Baucontainern. Seine Spieler sind noch auf Arbeit, sagt er, trudeln erst später ein. VIPs sind auch keine da, aber das macht nichts. Hängt der Raum doch voller Trophäen. Wimpel, Pokale, unter Glas gerahmte und signierte Trikots. Von großen Clubs wie den Tottenham Hotspurs, Aston Villa, Ajax Amsterdam und Inter Mailand.

"Ja, wir haben gegen Inter Mailand gespielt, es war fantastisch, vor 19.000 Zuschauern. Milan mit Materazzi, dem Weltmeister, und fünf anderen Spielern mit Champions-League-Erfahrung. Wir haben 5:2 verloren, aber darum ging es nicht. Pelé saß auf der Tribüne, hat vor dem Spiel allen unseren Spielern die Hand geschüttelt - das war wichtig. Und als wir dann noch irgendwie zwei Tore gegen Milan geschossen haben, war das ein tolles Erlebnis für unsere Spieler."

Noch vor ein paar Jahren ist der F. C. Sheffield ein abgehalfteter Neuntligist. Nahezu pleite, ohne Vereinsheim und eigenes Stadion. McCarthys Männer spielen oft vor einem Zuschauer und einem Hund. Und er mit dem Gedanken, den Laden einfach dichtzumachen. Dann kommt plötzlich ein fußballverrückter neuer Präsident, und alles wird gut. Richard Tims will der Welt unbedingt beweisen, dass hier, in Sheffield, die Wiege des Fußballs ist. Das haben er und Trainer McCarthy mittlerweile schwarz auf weiß - mit Stempel von der FIFA.

"Wir sind das erste Team, das mit einer Latte auf den Pfosten gespielt hat, vorher hing da eine Wäscheleine. Wir haben den Freistoß, den Abschlag, Abseits und Elfmeter erfunden. Und wir waren diejenigen, die das Köpfen im Fußball erfunden haben. Butting hieß das früher. Damals spielten unsere Jungs gegen London. Und als ein Spieler von Sheffield köpfte, mussten die Spieler der gegnerischen Mannschaft so sehr lachen, dass das Spiel fast abgebrochen werden musste. Ja, das alles hat hier angefangen, im Sheffield Football Club."

Und zwar vor 150 Jahren. Da sitzen der Weinhändler William Prest und der Anwalt Nathaniel Creswick zusammen und suchen nach einem sportlichen Zeitvertreib für die Wintermonate. Die Wahl der beiden passionierten Cricketspieler trifft auf Fußball. Prest und Creswick sammeln Regeln, suchen die aus, die ihnen brauchbar scheinen. Am 24. Oktober 1857 gründen beide den Sheffield Football Club.

Es hat lange gedauert, bis die englische Fußballgemeinde aufgewacht ist, sagt McCarthy und richtet ein gerahmtes Foto an der Wand aus, auf dem Prinz Philip beim Jubiläums-Gala-Dinner zu sehen ist. Jetzt aber, mit der Marke "ältester Fußballclub der Welt" im Rücken, läuft es plötzlich auch sportlich. Der Teamgeist ist fantastisch, sagt er, die Atmosphäre in der Umkleide super. Einer für alle, alle für einen. Keine Primadonnen.

"Zum ersten Mal seit Langem hat man das Gefühl, dass uns von allen Seiten sehr viel Respekt entgegengebracht wird. Zum ersten Mal kommen Clubs auf mich zu und bieten mir Spieler an und nicht umgekehrt. War ein langer Weg, und den wollen wir weitergehen."

Im Board-Room bollert der Gasofen, drinnen wird es immer wärmer und stickiger. McCarthy will kurz an die frische Luft, bevor er in die Kabine muss. Draußen lehnt er sich an einen knallroten, wie eine Ziehharmonika zusammengefalteten Kunststoffschlauch - Sheffields neuer Spielertunnel. Einmal ausgefahren, stehen darin beide Teams im Trockenen, bevor sie auf den pitschnassen Acker müssen. In Yorkshire regnet es viel. Der Tunnel ist also eigentlich Spielerei, aber irgendwie ist auch er Symbol für den Aufbruch beim Sheffield F. C.
Fußball für jede Altersklasse attraktiv machen, das wollten und wollen der neue Präsident und McCarthy. Und es scheint zu funktionieren.

Der Club - das sind heute fünf Teams von "unter acht" bis "unter 19", drei Mädchen- beziehungsweise Frauenmannschaften und drei Mannschaften für Kinder mit körperlichen Behinderungen. Und nicht nur die Erste Herren siegt und siegt und steigt im Sommer wahrscheinlich wieder auf. Auch die anderen Teams beim Sheffield F. C. sind erfolgreich. Vor ein paar Jahren arbeitete McCarthy noch nebenbei als Bankmanager. Heute: unmöglich, sagt er. 70 Stunden für den Club in der Woche sind längst der Normalfall. Jetzt, am Ende der Saison, ist er nur noch müde.

"Es ist ein echt harter Job, und manchmal wenn ich diese Spieler und Manager in der Ersten Liga sehe, und sie sehen müde aus, dann weiß ich nicht, wie die müde sein können, weil sie gar nicht wissen, was ein echter Fußballjob ist, nämlich dieser hier."

18.30 Uhr, die ersten Spieler trudeln ein. Verteidiger Gavin Smith, Kapitän Tom Jones und Mittelfeldspieler Darryl Winters. Jones sieht exakt aus wie der deutsche Ex-Nationalspieler Fredi Bobic, Winters wie Mehmet Scholl. Beide tragen die Haare kurz, in der Mitte wuschelig nach oben gegelt. Smith ist Lehrer, kommt gerade aus der Schule, zwei seiner Teamkollegen studieren noch. Die anderen haben Jobs als Taxifahrer, Klempner oder Elektriker. Vom Sheffield F. C. bekommen sie 150 britische Pfund in der Woche - Spesen für Sprit und die vielen Stunden, die sie unterwegs sind, vor allem bei Auswärtsspielen. Die Spieler gehen direkt in die Umkleide, McCarthy hinterher. Er will jetzt allein sein mit der Mannschaft, schließt die Tür hinter sich.

Zusammen mit den Spielern kommen einige Freiwillige, die entweder als Ordner im Stadion arbeiten, Hotdogs und Tee verkaufen und für die Sponsoren in der VIP-Lounge ein paar selbst gemachte Leckereien anrichten. Dronfield ist ein Nest, im Container kennt jeder jeden.

Alles läuft ohne viele Worte, wie in einer großen Familie. Und dort, wo eben noch Trainer und Manager McCarthy vom 2:5 gegen Milan schwärmte, steht jetzt Elisabeth, eine Mitfünfzigerin mit Brille, Sommersprossen, die roten Haare zu einem Zopf geflochten. Elisabeth stand bis vor einer Stunde noch zu Hause in ihrer Küche, am Herd. Hat Brötchen aufgewärmt und eine Quiche gebacken. Jetzt holt sie Aufschnitt und Kuchen aus ihren Tupperdosen, arrangiert alles liebevoll auf ein paar großen Platten. Zwei Jahre macht sie das nun schon, bei jedem Heimspiel. Ganz selbstverständlich. Sie möchte dem Verein einfach etwas zurückgeben, sagt sie.

"Der Sheffield F. C. hat den Fußball an die Gemeinde zurückgegeben. Es ist bezahlbar, hierherzukommen, sich ein Spiel anzusehen. Der Club arbeitet mit Schulen zusammen, hilft Behinderten - also da ist eine ganze Menge, was der Club leistet für die Gemeinde neben dem Fußball."

Besonders gern erinnert sich Elisabeth an den Tag, an dem FIFA-Boss Sepp Blatter nach Sheffield kam, um den 150. Geburtstag des Clubs zu feiern. Morgens bei einer Messe in Sheffields Kathedrale, abends bei einem Galadinner. Elisabeth bekommt noch heute eine Gänsehaut, wenn sie daran denkt, sagt sie.

"Als wir in die Kirche kamen, haben zuerst sieben Afrikaner aus Simbabwe gesungen - wunderschön. Dann sprach ein Mann aus einem Flüchtlingscamp in Palästina. Er erzählte, dass er das ganze Leid dort immer für einen Augenblick vergessen konnte, wenn er Fußball spielte. Sepp Blatter sagte später beim Dinner, er habe noch nie eine so bewegende Messe erlebt. Daraufhin bin ich zu ihm und habe ihm gesagt, wie glücklich ich bin, dass ihm alles hier so viel gegeben hat. Er machte eine kleine Verbeugung, gab mir zwei Küsschen, eins auf jede Wange. Ich bin mir sicher, ich war die einzige Person an diesem Abend, die von Sepp Blatter geküsst wurde."

Hinter Elisabeth steht Steve, der stark übergewichtige Ehrensekretär des Clubs. Steve hat ein rotes Gesicht, schwitzt, raucht und sieht aus, als ob er jeden Moment einen Herzinfarkt bekommt. 24 Jahre ist er schon in Diensten des Sheffield F. C. Ganz früher als Spieler, heute als Mädchen für alles. Steve steht auf einen Teewagen gestützt, füllt zwei Blechkannen mit kochendem Wasser, wirft zwei Beutel Tee hinein, rührt drei Löffel Zucker dazu. Abendbrot für die Spieler.

"Ein Pott voll Tee, 18 Becher und Zucker. Die meisten der Spieler kommen ja direkt von der Arbeit, können natürlich unmittelbar vor dem Spiel nichts essen, aber trinken - und das ist das, was sie bekommen."

Steve rollt den ersten Wagen in die Kabine der Gäste, den zweiten in die der Heimmannschaft. Weil sich inzwischen einige Spieler draußen warm machen, geht er danach raus an den Spielfeldrand und ruft sie rein. Wie ein Vater seine Kinder.

Die Zuschauer klackern jetzt im Sekundentakt durchs Drehkreuz des Stadions. Der junge Mann im Kassenhäuschen kennt fast alle mit Namen, einige Zuschauer begrüßt er mit Handschlag. Ähnlich geht es Bill, dem Stadionsprecher. Der steht jetzt mit dem Rücken zum Container, holt ein Mikrofon und einen abgegriffenen Zettel aus seiner Hosentasche und liest ab.

Bill wünscht schon vorab eine gute Heimfahrt und empfiehlt die 14 Sorten Bier im Pub nebenan. Sagt aber auch: kein Alkohol im Stadion. 250, 300 Zuschauer sind mittlerweile da. Fast ausschließlich Männer, viele Väter mit Söhnen. Nur einer fehlt fünf Minuten vor Anpfiff: Richard Tims, der Präsident.

Zwei Ordner rollen den Spielertunnel aus. Prompt beschwert sich ein Zuschauer, dass er nicht mehr auf direktem Weg an den Hotdogstand kommt. Ordner und Zuschauer - stellt sich später raus - kennen sich, wollen nur Spaß. Jetzt aber wird es ernst, die Spieler laufen ein. Bono von U2 singt "It’s a beautiful day" dazu, damit auch der Letzte hier in Stimmung kommt.

Anpfiff. Der Gast aus Parkgate erwischt den besseren Start, hat gleich zwei, drei gute Szenen im Strafraum von Sheffield, scheitert jedoch an Sheffields starkem Schlussmann Martin Kearny. Vielleicht sind die gegnerischen Stürmer aber auch beeindruckt vom Fanblock hinter Kearny, dort stehen nämlich Sheffields Hardcorefans: die Noisy-Boys. Das ist eine Gruppe Jugendlicher in weißen T-Shirts, die mit Trommeln, Pauken und Schlachtrufen ihre Mannschaft antreiben.

Nur ein paar Meter weit weg von ihnen stehen auch Stuart und Liam. Auch sie sehen trotz Anfangsoffensive des Gegners einfach nur glücklich und zufrieden aus.

"Es ist immer wieder schön, hier zu sein. Und auf jeden Fall besser, als sich eines der anderen Sheffield-Teams anzugucken. Hier ist es wenigstens unterhaltsam, die Spiele der anderen machen nur depressiv. Diese Jungs hier geben alles - ohne viel Geld dafür zu bekommen. Die anderen - das ist schon wie FC Hollywood."

Neben Stuart steht Dave, ein wortkarger Mittvierziger in dünner Windjacke und Turnschuhen. Auch er ist bei jedem Heimspiel da. Immer hier, hinterm Tor, immer mit derselben Clique.

"Gute Atmosphäre einfach, freundlicher, friedlicher Club. Finde auch gut, dass sie Frauen-, Jugend- und Behindertenteams haben. Meine Tochter ist körperlich behindert, und wenn sie wollte, könnte sie herkommen und spielen. Das Angebot ist doch toll."

Der Boss ist da. Das weiß jeder hier, wenn in dem Container über dem Container der Sponsoren-Lounge die Tür offen steht. Richard Tims hat von hier oben den besten Blick aufs Spielfeld. Breitbeinig steht der 44-Jährige mit den daumenhohen Koteletten da, die Arme vor dem Körper verschränkt, erzählt ohne viel Umschweife, wie er es geschafft hat, aus dem Nichts eine Marke zu machen, und was ihn dabei immer wieder antreibt.

"Leidenschaft! Und als Kaufmann habe ich gelernt, Klinken zu putzen. Ich glaube, wir haben einfach ein tolles Produkt hier. Nur dass wir marketingtechnisch gedacht lange Zeit das Problem hatten, dass die Welt da draußen es nicht wusste. Das ändert sich nun allmählich. Wir haben gegen Milan gespielt, wir hatten Pelé hier zum Galadinner, und wir haben Herrn Blatter nett unterhalten. Ich glaube, einige Leute wissen mittlerweile, wer wir sind."

Die zwei zentralen Ziele jedenfalls, die er sich setzt, als er 1999 seinen Job als Verleger hinschmeißt - ein eigenes Stadion und so viel Einnahmen, dass der Club überleben kann -, hat Tims erreicht. Der gelernte Marketingmann ist so gut vernetzt, dass er mittlerweile über 50 Sponsoren hat - das schafft kaum ein durchschnittlicher Erstligist. Und Tims will mehr. Auch wenn es kostet.

"Unser Ehrgeiz ist es, auf dem höchsten Level zu spielen, ohne ein Profiteam zu sein. Also Vierte, vielleicht Fünfte Liga. Es wäre ein schöner Gedanke, das mit demselben Team zu schaffen, ich glaube aber, wir müssen weiter investieren, anders ist das nicht möglich."

Gerade hat er Land dazugekauft, darauf möchte er eine zweite Tribüne errichten. Darüber hinaus will Tims dort, wo jetzt noch die alten verwitterten Container stehen, ein neues Clubhaus und ein Fußballmuseum bauen. Offenbar zählt er auf sein Netzwerk von Freunden und Sponsoren.

Fußball hat sich verändert, sagt er. Und: Auch wenn wir viel Wert auf unsere Geschichte legen, müssen wir mit der Zeit gehen.
Angst, dass er dabei abhebt, Spieler und Fans seinen Ehrgeiz und Eifer irgendwann nicht mehr teilen, hat er nicht. Und auch wenn er manchmal ein bisschen sehr dick aufträgt - sich zum Beispiel, ohne rot zu werden, einen "Heilsbringer" nennt und seine Angestellten seine "Jünger" - der Sheffield F. C. bleibt für den Geschäftsmann immer auch Herzensangelegenheit.

"Die Fußballwelt heute ist besessen vom Erfolg. Champions League, EM, WM - überall Geld. Wir sind nur ein winzig kleiner Fußballclub, aber da ist etwas in meinem Herzen, und ich glaube, die Menschen, mit denen ich rede, die sehen es."

Halbzeit. Tims hat Besuch bekommen, Geschäftsbesuch. Er will jetzt rüber in den Pub, ein Bier trinken. Ich glaube nicht, dass uns noch einer den Titel "ältester Fußballclub der Welt" streitig machen wird, sagt er auf dem Weg dorthin. Und erzählt, dass es Cambridge zwar versucht, die Regeln aber nie so schön aufgeschrieben hat. Dasselbe gilt für die Chinesen und die Italiener.

"Nein, nein, die Chinesen haben Bälle rumgeschossen, die Römer auch. Aber es brauchte jemanden, der eine Ordnung in das Chaos bringt, und das sind wir. Wir sind der erste Fußballclub der Welt."

Im Pub ist der Präsident einer von vielen. Wie alle steht er an die Bar gelehnt, trinkt sein Pint Bier, redet über Fußball und Familie. Aber auch über Steuertricks und Marketing-Coups wie seine neueste Idee, ausrangierte Schuhe internationaler Fußballstars nach Afrika zu schicken. Nicht zuletzt, um den Absender bekannter zu machen: den Sheffield Football Club. Sicher wird er dabei wieder einige prominente Mitglieder und Sponsoren werben. Warum nicht?, fragt Tims nur und grinst. Obwohl er findet, dass er eigentlich alles hat, was ein Mann so braucht.

""Einen eigenen Pub, einen eigenen Fußballclub, was braucht ein Mann noch? Prost!”"

Draußen hat die zweite Halbzeit längst begonnen. Diesmal drückt Sheffield, schießt zwei Tore in fünf Minuten. Am Ende heißt es 3:0, der Club steht im Pokalfinale. Richard Tims steht jetzt auf der Haupttribüne, mitten zwischen den Fans, sieht zufrieden aus. Auch er weiß: Siege sind immer noch die beste Werbung für sein Produkt: Sheffield F. C. - ältester Fußballclub der Welt.