Eine eigene Realität

Das Buch "Macht der Medien - Medien der Macht" von Matthias Eckoldt analysiert den Einfluss der Medien. Der Autor zeigt, dass Massenmedien mit Nachrichten, Unterhaltung und Werbung eine eigene, zweite Realität erzeugen.
Warum hat der oft geäußerte Manipulationsverdacht gegen die Medien keine nennenswerten Konsequenzen? Matthias Eckoldt, der selbst als Journalist arbeitet, antwortet in seinem Buch "Macht der Medien - Medien der Macht" mit Niklas Luhmann und Michel Foucault. Die Systemtheorie zieht Eckoldt für die Funktionsweise der Massenmedien heran, die Machtanalyse für deren gesellschaftliche Wirkung.

Eckoldts synthetische Vorgehensweise verdankt sich einer Besonderheit der Massenmedien, die die Systemtheorie vor Schwierigkeiten stellt: Anders als die sozialen Systeme Wirtschaft, Politik, Recht, Kunst etc., die nach je eigenen Prinzipien sich selbst erzeugend arbeiten und sich gegen die Umwelt, also auch die anderen Systeme, abschließen, sind Massenmedien mit allen anderen sozialen Systemen vernetzt. Sie berichten über Wirtschaft, Politik, Recht, Kunst etc.

Zudem hat Luhmann nur einmal und eher skizzenhaft Massenmedien analysiert. Und schließlich ist Eckoldt mit der ausschließlichen Beschreibung von Systemfunktionen unzufrieden: Auf die Fragen nach dem Entstehen und dem Vergehen von Systemen gebe Luhmann keine Antwort.

"Macht der Medien – Medien der Macht" referiert verständlich und in Grundzügen die Systemtheorie, um dann die von Luhmann und anderen genannten Eigenschaften des Systems Massenmedien zu korrigieren. Eckoldt zeigt, dass Massenmedien mit Nachrichten, Unterhaltung und Werbung eine eigene, zweite Realität erzeugen. Dadurch ermöglichen sie der Gesellschaft, sich selbst zu beobachten. Allerdings bewirkt der Umweg über die Massenmedien, dass die Gesellschaft nicht sich, sondern ein Bild von sich betrachtet: eine massenmediale, zweite Wirklichkeit. Sie bildet nicht die erste ab, weshalb für Eckholdt das Selbstverständnis des Journalismus als vierter Gewalt, die investigativ Missstände und Skandale aufdeckt, naiv ist. Die massenmediale Wirklichkeit steht für sich, und niemand kann ihr entkommen. Sie gibt vor, worüber geredet werden soll, was aktuell ist, und sie bietet Orientierung, indem sie "Codes, Hypes und Styles" vermittelt.

Allgegenwärtigkeit und Selbstbeobachtung führen Eckoldt zu Foucaults Machtdispositiv: Der französische Theoretiker entwickelt es mit Hilfe des panoptischen Gefängnisses, in dem der Gefangene in seiner transparenten Zelle nicht weiß, ob er von einem zentralen Wachturm aus beobachtet wird oder nicht. Daher verinnerlicht er die Überwachungsinstanz und mit ihr die Regeln der Disziplin. Das bürgerliche Subjekt entsteht durch die anonyme und automatisierte Disziplinarmacht. Das "postpanoptische Machtdispositiv" aber, so Eckoldt, sei das System Massenmedien. Die Selbstbeobachtung der modernen Gesellschaft stehe "im Zeichen überwachender Individualisierung" - Subjekt wird der moderne Mensch erst durch seinen freiwilligen und lustvollen Konsum der Massenmedien.

Der Titel verrät also schon alles: "Macht der Medien - Medien der Macht" schließt ja beide Hauptwörter kurz. Das wirkt so kraftvoll wie fragwürdig, denn es darf bezweifelt werden, ob man damit ihrer beider Komplexität gerecht wird. Fraglich bleibt auch, ob wegen des zunehmenden Einflusses der Wirtschaft noch von einem sich selbst erzeugenden System Massenmedien zu sprechen ist. Gibt es nicht bereits eine erhebliche ökonomische Fremdsteuerung, fragt Eckoldt in der Einleitung, ohne darauf zurückzukommen. Dennoch sind viele seiner Überlegungen auch für jene anregend, die die Prämissen der Systemtheorie nicht teilen.

Rezensiert von Jörg Plath

Matthias Eckoldt: "Macht der Medien - Medien der Macht" Kulturverlag Kadmos Berlin 2007,
214 Seiten, 19,90 Euro.