Eine Dynastie von Politikern

30.12.2010
Pragmatismus und Unterordnung als Erfolgsrezept, konstatieren die Autoren den Bismarcks. Das Buch schildert die Geschicke des Clans durch die verschiedenen Zeitläufe und Epochen hindurch und ist damit ein Grundlagenbuch zur preußisch-deutschen Geschichte.
Seit seiner 1985 in Ost und West zugleich erschienenen Bismarck-Biographie weiß man’s: Ernst Engelberg, der Altmeister der DDR-Historiker, ehemaliger Direktor an der Akademie der Wissenschaften der DDR, mochte den ersten deutschen Reichskanzler. Noch kurz vor seinem Tod am 19. Dezember dieses Jahres - im Alter von 102 Jahren - legte er zusammen mit seinem Sohn Achim Engelberg eine Geschichte über die weitverzweigte Familie des Reichsgründers Otto von Bismarck vor, über dessen Vor- und Nachfahren, vom Mittelalter bis in die Gegenwart.

Geschildert wird, wie sich die Bismarcks, die aus dem märkischen Stendal stammen, gegen Ende des 12. Jahrhunderts binnen kurzem als Geschäftsleute einen Platz im städtischen Patriziat eroberten. Zunächst tüchtige, reisefreudige Tuchhändler, kamen sie als Dienstmannen der brandenburgischen Markgrafen zu Einfluss, bis sie Mitte des 16. Jahrhunderts in unmittelbare Nähe zum Haus der Hohenzollern aufrückten, eine Rolle, die sie bis 1918 nicht mehr aufgeben sollten. Den Kurfürsten, später den preußischen Königen dienten sie als Militärs in vorderster Front, vom Dreißigjährigen Krieg über die Expansionskriege unter Friedrich II. bis zu den Befreiungskriegen gegen Napoleon und den Schützengräben des Ersten Weltkriegs.

Das Buch spannt den Bogen nicht nur über die verschiedenen Zeitläufe und Epochen, es spinnt auch einen roten Faden durch die weitverzweigte dynastische Ahnenreihe, zwischen der Altmark und Pommern. Der heißt: Pragmatismus und Unterordnung, eine Eigenschaft, die die Engelbergs schon bei Klaus von Bismarck im 13. Jahrhundert diagnostizieren.

Wie dieser erste große Politakteur des Clans geschickt zwischen den papstfeindlichen Parteien und dem kirchentreuen Kaiser Karl IV. hin und herlavierte, das offenbart neben dem Talent zu einer Art Schaukelpolitik eine grundsätzliche Fähigkeit zur Anpassung. Mit diesem zielsicher eingesetzten Erbteil verwandelte sich schließlich der hervorragendste Vertreter der Ahnenreihe, Otto von Bismarck, vom reaktionären "Wadenbeißer" zum erfolgreichen Realpolitiker. Auch die Geschichte danach bleibt spannend, vom Absturz mancher Bismarcks in den Nationalsozialismus bis zum späteren Intendanten des WDR, Klaus von Bismarck, der schon 1954 dem Revisionismus adé sagte.

Auch wenn es der Untertitel glauben machen möchte, eine "Familiensaga" bietet das Buch nicht. Es fehlen die Frauen und somit die Geschichten um das Drama der Gefühle, um Kunst und Kultur. Selbst eine handfeste Mesalliance wie die zwischen der nicht standesgemäßen Demoiselle Louise Wilhelmine Mencken mit einem Bismarck-Spross bietet den Autoren kaum Anlass, das Skandalon ebenso wie die segensreichen Folgen einer solchen Verbindung zweier entgegengesetzter Welten zu erörtern. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf den Politikern im Hause Bismarck. Ihr Privatleben tritt in den Hintergrund. Nur wo es ihre soziale Stellung beeinflusste oder ihre politische Haltung mit prägte, wie im Falle Ottos von Bismarck, wird kurz darauf eingegangen.

Abgesehen von einigen verzopften Redeweisen – viel zu oft ist von der "herrschenden Feudalklasse" die Rede - ist das sehr informative Buch allgemeinverständlich geschrieben. Wer sich über preußisch-deutsche Geschichte und die Dynastie der Bismarcks informieren will, kommt an diesem Werk kaum vorbei.

Besprochen von Rezensiert von Edelgard Abenstein

Ernst und Achim Engelberg: Die Bismarcks - Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute
Siedler Verlag, München 2010
384 Seiten, 22,95 Euro