Eine ansehnliche Steppe

Von Susanne Billig |
So mag es sich hier angehört haben, im Winter, vor knapp zwei Millionen Jahren. Während sich in Nordeuropa dicke Eispanzer von rund 45 Millionen Quadratkilometern ausdehnten, fand hier das statt, was Vorgeschichtsforscher "Pluvialzeit" nennen: Eine ansehnliche Steppe, grünes Gras überzog diese Landschaft.
Noch früher, im Erdaltertum vor 500 Millionen Jahren, bedeckten Meere diese Region der Erde. Sie zogen sich zurück, überfluteten das Gebiet erneut, zogen sich wieder zurück. Am Ende hinterließen sie mächtige Schuttschichten und ein weiträumiges Netzwerk aus Becken. Diese Becken bilden heute die geologische Grundstruktur dieser Landschaft. Ihre weiten Ebenen und Senken sind vorwiegend mit Geröll und Kies bedeckt. Doch auch Gebirgsmassive finden sich hier.

Vulkane trugen ihren Teil zur Landschaftsbildung bei: Lava floss in die Gebirgstäler und bedeckte die Ebenen. Die Eruptionskegel der Vulkane verwitterten im Laufe der Zeit. Heute ragen HIER nur noch harte Lavakerne und erstarrte Basaltsäulen in den Himmel.

Nun, vor zwei Millionen Jahren, da gab es in dieser Region der Erde Flüsse, die im Winter reichlich Wasser führten. Die blühende Landschaft lockte auch Menschen an. Als steinzeitliche Jäger und Sammler, später auch als Hirten und Bauern wurden sie HIER heimisch. Sie hinterließen kunstvolle Felsmalereien, ganze Galerien, die Fruchtbarkeitsriten und die Tiere der damaligen Zeit darstellten: Den "Bubalus", einen seit Jahrtausenden ausgestorbenen Büffel mit riesigen Hörnern zum Beispiel, aber auch all die Wildtiere, die wir heute noch kennen, Löwen, Strauße, Flusspferde und Giraffen.

So sollte es jedoch nicht bleiben. Bald werden die Felsbilder ungelenk, halbfertige Strichmännchen und Klecksereien. Der Überfluss an Zeit und Nahrung hatte ein Ende. Die Temperaturen stiegen, die Steppen verschwanden, Tiere und Menschen mussten in andere Gegenden ziehen - oder sich anpassen. Sie lebt, diese Landschaft, aber wer hier heute zurechtkommen will, der muss ein Lebenskünstler sein. Die meisten grünen Pflanzen hier wappnen ihre mühsam errungenen Blüten und Blätter mit Giftstoffen gegen Fresser; die meisten Tiere hier sind wahre Hungerkünstler. Auch für dieses Tier gilt das:

... ein Blitz, das schönste aller Tiere,
sagt mir, indem es mir den Kopf zuwendet,
den Kopf, mit Haaren weich wie Seide,
ich beklage dich, weil du leidest,
aber auch ich kenne diesen Schmerz.


Als Allah den Menschen erschaffen hatte, so erzählen sich die Menschen hier, hatte er noch zwei Klümpchen Lehm übrig. Damit erschuf er jenes Tier, das da vorhin besungen wurde und zu dem die Menschen in dieser Region ein geradezu zärtliches Verhältnis pflegen. Aus dem zweiten Klümpchen Lehm wurde die Dattelpalme. Datteln gibt es in vielen Sorten und Geschmacksrichtungen, ein regelrechter Kult wird hier darum betrieben. Aus den Fasern der Palme lassen sich Seile, Besen, Körbe, Matten und Polstermaterial anfertigen. Im Schatten der Palmen gedeihen Gemüsegärten, aus ihrem weichen Stammholz werden Küchegeräte, Schalen oder Teller.

Neun Millionen Quadratkilometer ist diese Landschaft groß, die größte ihrer Art auf der Erde. Jahr für Jahr schiebt sie sich etwa zwanzig Kilometer weiter gen Süden und macht sich dort alles gleich. Der Verlust traditioneller Anbaumethoden, Kahlschlag, Überweidung und das Bohren immer neuer Brunnen tragen ihren Teil dazu bei. Mit jedem neuen Brunnen sinkt der Grundwasserspiegel regional ab, Brunnen an anderen Orten trocknen aus. Rund um die neuen Brunnen werden die Viehherden zu groß, fressen die schützende Vegetationsdecke ab. Der nackte Boden wird vom Wind davongetragen

Lösung: Die Sahara