Eine amerikanisch-orientalische Familiengeschichte

"Die Sphinx von Montana" des Autors Paul Toutonghi ist eine rasante Boulevardkomödie mit Tiefgang. Der Schriftsteller legt eine amerikanisch-orientalische Familiengeschichte voller Humor und Menschlichkeit vor - kurzweilig, unterhaltsam, voller Action, irrer Einfälle und liebenswerter Charaktere.
Kupfer-, Gold- und Silbervorkommen machten Butte in Montana Ende des 19. Jahrhunderts zu einer der florierendsten Städte in den USA. Heute ist von dem einstigen Wohlstand nicht mehr viel geblieben, die Kupferminen schlossen vor Jahrzehnten, die Arbeitslosigkeit ist hoch.

Im Andenken an den berühmtesten Sohn der Stadt, den Motorradartisten Evel Knievel, findet jährlich Ende Juli ein gigantisches Bikertreffen statt, die "Evel Knievel days". So heißt der Roman des 1976 geborenen amerikanischen Autors Paul Toutonghi im Original. 38 Unfälle hatte Knievel im Laufe seiner Karriere, und selbst nach dem missglückten Versuch, im Londoner Wembley-Stadion mit dem Motorrad über eine Reihe von Doppeldeckerbussen zu fliegen, griff er, die Hüfte zertrümmert, mit gebrochener Hand noch zum Mikrofon, um zum Publikum zu sprechen.

Der Held und Ich-Erzähler in Toutonghis Roman, Khosi Saqr, ist Fan von Evel Knievel, doch alles andere als ein Draufgänger: Anfang 20, Sohn einer Amerikanerin und eines Ägypters, arbeitet er als Führer in Buttes Bergbaumuseum. Ein liebenswerter Zwangscharakter, er ordnet Bücher und Hemden nach Farben, Bleistifte nach Länge, berührt jeden Morgen nach dem Falten seines Bettlakens alle vier Zimmerwände und zitiert dabei Aussprüche John Waynes.

Hingebungsvoll kümmert er sich um seine an einer Nervenkrankheit leidende Mutter und will Butte nie verlassen. Bis ihm eines Tages seine Jugendfreundin mitteilt, sie habe sich verlobt und im Museum ein mysteriöser Mann auftaucht, den Khosi für seinen vor 20 Jahren verschwundenen Vater hält.

Paul Toutonghi, selbst Sohn eines ägyptischen Vaters, versetzt seinen Helden unversehens in die quirlig-chaotische Megacity Kairo. Ausgestattet nur mit einem Autogramm von Evel Knievel, zwei DIN-A5-Pappkärtchen mit Adressen sowie verstaubten Arabischkenntnissen - die Frage nach einem Supermarkt formuliert Khosi folgendermaßen: "Werter Herr, hätten Sie die unendliche Güte, mir den Weg zum nächstgelegenen Kaufmann für feinste Kost zu weisen?".

Kein Wunder, dass er bei der Vatersuche in allerlei absurde und bedrohliche Situationen gerät. Glücklicherweise erscheint auch der Geist seines irischen Ururgroßvaters und lotst ihn durch das allzu häufig selbstverschuldete Chaos. Das steigert sich bis zum Ende des Romans - zur Freude des Lesers.

Paul Toutonghi hat eine rasante Boulevardkomödie mit Tiefgang geschrieben. Eine amerikanisch-orientalische Familiengeschichte voller Humor und Menschlichkeit, angereichert mit Rezepten ägyptischer Speisen sowie dem einer "Haschisch-Crème-brulée nach Art von Alice B. Toklas".

Ob der Autor selbst beim Schreiben davon gegessen hat, ist nur zu mutmaßen. Sicher hingegen lässt sich sagen, dass sein Buch kurzweilig, unterhaltsam, voller Action, irrer Einfälle und liebenswerter Charaktere ist. Toutonghi zeigt charmant und gewitzt, dass im Leben Gut und Böse, Normalität und Wahnsinn eng beieinander liegen - und es einfach nur darauf ankommt, nach jedem Sturz wieder aufzustehen.

Besprochen von Carsten Hueck

Paul Toutonghi: Die Sphinx von Montana
Aus dem Englischen von Eva Bonné
Rowohlt Berlin, Berlin 2013, 317 Seiten, 19,90 Euro