Eine Amerikanerin in Paris

Von Irene Hummel |
Mit 15 begann Madeleine Peyroux ihre Karriere als Straßenmusikerin. Heute interpretiert die 32-Jährige Jazzklassiker sowie Stücke aus Blues, Country und Swing. Die Platten der Amerikanerin, der Paris eine zweite Heimat wurde, verkaufen sich hunderttausendfach. Mit ihrem dritten Album "Half The Perfect World" ist sie gerade in Deutschland auf Tour.
" Als Kind schon liebte ich Musik, hörte viele Platten und machte selbst Musik. Besonders Singen liebte ich von Anfang an. In der Schule gab es dafür leider wenig Möglichkeiten. "

Obwohl ihre Eltern ihr Freude am Lernen vermittelt hatten, siegten schon früh der Wunsch nach künstlerischer Entfaltung und die Liebe zur Musik. Mit 15 warf Madeleine Peyroux die Schule hin und begann als Straßenmusikerin aufzutreten. Jahrelang tingelte sie mit einer professionellen Straßenmusikertruppe durch Europa.

" Viele Schulen bieten kaum Kunst und Musik an, aber das könnte bestimmte Bedürfnisse bei den Teenagern erfüllen und sie nähren. Ich glaube, dass das Fehlen dieser Angebote einer der Gründe ist, warum Teenager so kämpfen müssen. Natürlich rebellieren wir alle, aber die Straßenmusik hat mich echt vor den Depressionen in dieser Zeit bewahrt. "

Musik ist ihr Leben. Die nachdenkliche Sängerin, die so gar keine Starallüren pflegt, die bequem gekleidet und mit ihrer alten Gitarre auf der Bühne steht, formuliert ihre Antworten im Gespräch sorgfältig:

" Ich denke, beim Musikmachen geht es um die Übermittlung von etwas, was für mich und für den Zuhörer authentisch ist. Etwas, das Geschehnisse beschreibt, die Wahrheit erzählt und vielleicht etwas verändert, wenn nötig. Die Dinge, die wirklich Bedeutung haben im Leben, kann man meistens nicht sprachlich ausdrücken, wir können uns ihnen nur nähern. "

" Die Musik steht für meine Spiritualität, die Musik repräsentiert das, was ich über Moral und Wahrheit herauszufinden versuche. Daher ist sie größer als ich, ich sehe die Musik als meine Führung an und hoffe, der richtigen Muse zu folgen. "

Madeleine Peyroux wurde vor 32 Jahren in Athens in Georgia geboren. Ihr Vater stammt aus der Jazzmetropole New Orleans, wo sie nach wie vor ihre musikalischen Wurzeln sieht. Sie lebte mit ihrer Familie in Brooklyn, bis sich die Eltern scheiden ließen, da war sie 13. Mit ihrer Mutter, die bei einer internationalen Bank arbeitete, zog sie nach Paris.

" Als Amerikanerin in Paris hatte ich die Möglichkeit, Amerika von außen zu sehen (den Kontext zu sehen, den man aus der Innenperspektive niemals sieht). Außerdem fand ich dort eine sehr reiche Kultur vor. Durch die sozialistische Einstellung, durch die künstlerischen Bewegungen, die es in Paris schon immer gab, und durch die entspannte Atmosphäre bekam ich ganz neue Einsichten, einen zweiten Blick auf das Leben. Das alles kann ich nie verlieren, denn nun habe ich sozusagen beide Seiten des Ozeans in mir. "

Ihre Straßenmusikzeiten hätten ihr an Erfahrungen einige Jahre auf dem College ersetzt, sagt sie. Als 22-Jährige dann verblüfft sie mit ungewöhnlich reifen Interpretationen von Jazz- und Bluesklassikern. "Dreamland", ihr erstes Album, wird ein weltweiter Überraschungserfolg. Kritiker vergleichen ihre Stimme mit der von Billie Holiday.

Madeleine Peyroux genießt ihr neues Leben. Sie, die vorher noch nie ein Konzert besucht hatte, tritt nun bei Festivals mit Legenden wie Ray Charles und Nina Simone auf. Aber den Vermarktungsstrategien der Plattenfirmen unterwirft sie sich nicht, lässt sich nicht vorschreiben, was sie singt, wie sie sich kleidet usw. So gehen acht Jahre ins Land und sie tritt wieder in kleinen Bars und auf der Straße auf, bevor 2004 ein zweites Album erscheint.

Mit dem aktuellen dritten "Half The Perfect World" ist Madeleine Peyroux gerade auf Tour.

Ihr Privatleben hält Madeleine Peyroux konsequent aus den Medien heraus, über Liebesdinge spricht sie gar nicht. Andeutungen finden sich in ihren eigenen Kompositionen, wie die Trauer um verflossene Liebhaber.

" Diese Platte ist meine bisher persönlichste. Ich schrieb mehr Songs als auf den vorherigen Alben selbst und konnte so Erfahrungen aus meinem Leben einfließen lassen. "

Mit ihrem leicht rauchigen, bluesgetönten Timbre nimmt sie auch die Lieder anderer Komponisten in Besitz, als wären sie für sie selbst geschrieben worden.

" Ich mag meine Stimme nicht immer, aber es ist wohl normal für eine Sängerin, die eigene Stimme zu hören und sie sich ein kleines bisschen anders zu wünschen. Als Sängerin hat man grandiose Träume von den Möglichkeiten der eigenen Stimme und welche Gefühle man damit ausdrücken könnte. "

" Das Faszinierende an der menschlichen Stimme ist, dass man fast jedes Gefühl ausdrücken kann, und es wird sofort verstanden. Die Stimme ist das detaillierteste Instrument, das es gibt. Alles ist möglich. Okay, vielleicht nicht alles, da müsste man schon eine Wahnsinnstechnik haben. Manches ist sehr schwer zu lernen, aber die Stimme ist absolut das vielseitigste Instrument. "