Eine 86 Jahre währende Karriere

Von Eva Maria Götz |
Vor zwei Jahren überließ der Sänger und Schauspieler Johannes Heesters der Berliner Akademie der Künste sein Archiv mit der Bitte, möglichst noch zu seinen Lebzeiten eine Ausstellung daraus zu gestalten. Man kam dem Angebot gern nach und begab sich mit der Sichtung des umfangreichen Materials "Auf die Spuren eines Phänomens" - so lautet nun auch der Titel der Ausstellung.
"Mein Herz müsste ein Rundfunksender sein, dann könntest du mich hören…"

Nicht nur die Rundfunksender übermitteln seine Liebeserklärungen an die Weiblichkeit seit nun bald 90 Jahren und so ist die Beschäftigung mit der einzigartigen Karriere des Johan Marius Nicolaas Heesters zugleich eine Zeitreise durch die Bühnen- und Mediengeschichte des letzten Jahrhunderts. Phänomenal, wie Wolfgang Trautwein, Direktor des Archivs der Akademie der Künste, findet:

"Ein Phänomen ist es in der Tat, wenn ein Bühnenkünstler auf eine 86-jährige Laufbahn zurückblicken kann, in der er immer in der ersten Reihe stand, wo er sich auch heute noch befindet. Ein Phänomen ist auch die Vielzahl der Kunstgenres, beziehungsweise der Medien, in denen er gearbeitet hat. Er begann beim Sprechtheater, dann ging er zum Stummfilm, dann Operettenbühne, dann Tonfilm, in den 30er war er im Rundfunk, schon 1942 war er beim Fernsehen dabei."

Kein Wunder, dass eine Schwierigkeit dieser Ausstellung darin bestand, aus der ungeheuren Fülle des Materials, das Heesters in seinem Bühnenleben gesammelt hat, sinnvoll auszuwählen. Für Kurator Torsten Museal stellten sich die Fragen:

"Können wir dem in der Öffentlichkeit bekannten Bild noch andere Facetten hinzufügen und wie geben wir einen Überblick über eine 86-jährige Karriere, ohne wichtige Stationen auszulassen und ohne, dass der Besucher überfordert wird?"

Das Ausstellungsteam entschied sich für einen chronologisch geordneten Bilderbogen. Hinter dem stilisierten roten Vorhang, durch den die Besucher die Ausstellung betreten, sind zunächst Familienfotos und Dokumente aus Schul- und Lehrzeit zu besichtigen. Theaterplakate beweisen, dass Heesters erste Frau, die Operettendiva Louise Ghijs, mindestens so charmant und sogar noch ein wenig berühmter war als er. Und kurze Ausschnitte aus Heesters Filmdebüt "Cirque hollandais" zeigen das innige Verhältnis, das ihn mit der Kamera verbindet: Liebe auf den ersten Blick.

Die zweite Station der Ausstellung zeigt Heesters Erfolge als Operettensänger in Wien und Berlin, seinen kometenhaften Aufstieg zum Revue- und Filmstar- und seine Verstrickung mit den Nationalsozialisten, die die Filmindustrie dirigierten.

Die Ausstellungsmacher geben sich da ganz politisch korrekt: Texttafeln erklären den kulturpolitischen Kontext der Unterhaltungsfilme, in denen Johannes Heesters brillierte, informieren über Reichsfilmkammer und Reichslichtspielgesetz und die jüdischen Kollegen von Film und Theater, die emigrieren mussten oder in Deutschland verfolgt und ermordet wurden. Ein wenig steif und verkürzt wirken diese Texte, mit denen sich die Akademie deutlich von der umstrittenen Arno Breker- Ausstellung in Schwerin abgrenzen will. Archiv- Direktor Wolfgang Trautwein:

"Die Schweriner Ausstellung zieht Heesters zum Vergleich heran, rückt ihn in einen Kreis von so genannten ‚prominenten Profiteuren’, und suggeriert Empörung darüber, dass Breker nicht wie die anderen seine Karriere nach dem Krieg hätte fortsetzen können. Da hätte man genauer hinsehen müssen: Schon auf den künstlerischen Rang, wo, wenn man die Unterhaltungskunst dort überhaupt gelten lässt, Heesters auf dem Olymp zu Hause ist, Breker aber nicht.

Vor allem aber, und hier wird die Schweriner Anmutung unanständig, hat Heesters nie ein ideologisches Ideal verkörpert, nie in Propagandafilmen mitgewirkt, nie nationalsozialistisches Gedankengut geäußert, im Gegenteil, seine Paraderolle des Danilo, der die Frauen und den Alkohol festen Dienstzeiten vorzieht ist, wie der von Heesters insgesamt verkörperte Rollentyp des Bonvivant und Frauenlieblings das genaue Gegenteil eines soldatischen Männerideals, wie es die Nationalsozialisten und Brekers nackte Recken verherrlichten."

Dass Heesters persönliche Arbeitsdisziplin wenig mit der seiner Paraderolle Danilo aus der Operette "Die lustige Witwe" gemein hat, zeigt das komplette Rollenverzeichnis im letzten Ausstellungsbereich: Von 1921 bis 2004 ist fast jedes Jahr verzeichnet, hat Heesters ununterbrochen gedreht, auf der Bühne gestanden, neue Rollen einstudiert. Und so geht es bis heute:

"Ich arbeite, arbeite und arbeite sonst sitze ich ja zu Hause und langweile mich!"
Wer erwartet, in der Ausstellung bisher unbekannte Seiten von Johannes Heesters zu entdecken, wird enttäuscht. Von Ecken und Kanten, Misserfolgen oder gar Skandalen ist nichts zu erfahren. Keine Tiefen, nur Höhen. Und: Das Erstaunliche an diesem Künstler ist, wie sehr sich seine Bilder gleichen.

Egal ob mit 20, 60, 80 oder 100 Jahren, das unverkrampft offene Lächeln, mit dem er in die unzähligen Kameras blickt, verändert sich nicht. Als ob nur das Foto gealtert sei, nicht aber der Mensch, den es abbildet. Ein Phänomen sogar für seinen Enkel Johannes Fischer, den Designer dieser Ausstellung:

"Einmal ist er seiner Berufung gefolgt und ist authentisch, er ist wirklich er selbst, ich hab nicht das Gefühl, dass er sich verstellt, sondern er steht 100 Prozent hinter dem, was er macht."

Service:

Die Ausstellung "Johannes Heesters- Auf den Spuren eines Phänomens" ist vom 25. August bis zum 22. Oktober 2006 in der Berliner Akademie der Künste im Hanseatenweg zu sehen.