Einblicke in ein komplexes System

Die Erde - dein unbekanntes Wesen – so könnte man den Sammelband auch überschreiben, denn die Autoren aus Wissenschaft und Journalismus machen dem Leser rasch klar, dass unser Wissen über den Planeten, auf dem wir leben, noch immer ziemlich dürftig ist.
Das liegt zum einen daran, dass es immer noch Bereiche in der Erdkruste und in der Tiefsee gibt, über die die Wissenschaft bislang wenig weiß und zum anderen, dass es viele wechselseitige Beeinflussungen zum Beispiel beim Klima gibt, die noch nicht hinreichend erforscht sind. Das Buch, das heißt seine Aufsätze versuchen, den aktuellen Stand der Erkenntnis möglichst allgemeinverständlich zu präsentieren. Das gelingt auch weitgehend mit wenigen Ausnahmen. Manches muss man angesichts der Fülle der Fachbegriffe, auch wenn sie in Randnotizen immer wieder erklärt werden, mehrfach lesen. Eingestreut zwischen Wissenschaftsartikel finden sich immer wieder Zeitungsreportagen und journalistische Zusammenfassungen, die bereits in der ZEIT beziehungsweise in ZEIT Wissen erschienen sind.

Die Bandbreite des Buches ist enorm: Umwelt, Klima, Mensch. Es beginnt mit einer Reportage über den abenteuerlichen Besuch eines der ältesten Felsbuckel der Welt, dem rund vier Milliarden Jahren alten Acasta-Gneis mitten in der kanadischen Wildnis. Anschließend kommen die harten Fakten, wird die Geologie der Erde erklärt, wie Gebirge und Meere entstanden sind, sich die Erdkugel aufbaut.

Deutlich wird, auf wie unsicherem Boden wir leben, denn die Kontinente und Meere bilden nur eine ziemlich dünnen Kruste, die auf einem weitgehend flüssigen Erdkern aufschwimmt und durch eben diesen auf immer wieder verändert wird. Die Kontinente, so wie wir sie heute sehen, haben sich im Verlaufe von Milliarden Jahren vollkommen verändert, denn die tektonischen Platten, also die Erdteile bewegen sich ständig, reiben aneinander, reißen auseinander, wenn auch für menschliches Ermessens unendlich langsam. Dennoch bemerken wir es und zwar bei Erdbeben. An anderen Stellen dringt der flüssige Kern, das Magma durch Spalten an die Oberfläche und entlädt sich als Vulkan. Mehrere Aufsätze begründen, warum es so schwierig ist, Beben und Vulkanausbrüche vorherzusagen.

Zu diesen natürlichen Katastrophen kommen heute die vom Menschen gemachten hinzu. Die Klimaveränderung ist ein weiterer großer Schwerpunkt des Buches. In knapper Form wird erklärt, warum sie eine Tatsache und keine Spekulation ist, diesmal kein natürliches Phänomen, wie es in der Erdgeschichte bereits mehrfach vorgekommen ist. Geboten wird Grundlagenwissen über die Meere und ihre Strömungen sowie die Atmosphäre und ihre Kapriolen in Form von Tornados, Wirbelstürmen, Hurricans.

Immer wieder verdeutlichen Tabellen, eindrucksvolle vierfarbige Zeichnungen und Graphiken sowie Fotos die Sachverhalte. Die ästhetisch gelungene Zusammenfassung erlaubt eine Vertiefung der Themen, wie sie für das Jahr des Planten Erde nur zu wünschen ist.

Bisweilen sagen schon die Überschriften der Aufsätze alles: unter dem Titel "Endliche Ressourcen oder Plündern wie unseren Planeten?" fordert Michael Jischa einen umsichtigeren Umgang mit Energieträgern und Rohstoffen, Wasser, Wald und fruchtbarem Boden, denn alles wird knapper. Vor allem die rasante Artenvernichtung hält er so wörtlich für ein "wirtschaftliches Fiasko, eine wissenschaftliche Tragödie und einen moralischen Skandal".

Welche verschwenderische und verblüffende Vielfalt die Evolution hervorgebracht hat, veranschaulicht der Altmeister und Erfinder der Soziobiologie Edward O.Wilson anhand extremer Umweltverhältnisse. So existieren Bakterien in 105 Grad heißen vulkanischen Tiefseeschloten ebenso wie in Schwefelquellen oder Salzgärten. Sie überstehen extrem hohe Strahlendosen, siedeln im völligen Dunkeln in 3000 m tiefen Höhlen. Für Wilson ist durchaus vorstellbar, dass solche widerstandsfähigen Bakterien auch auf vermeintlich toten Planeten zu finden sind. Ständig wird Neues entdeckt. Für den Biologen hat die Erforschung des Lebens gewesen gerade erst begonnen.

Das Buch präsentiert in großen Verdichtung und Verknappung im Schnelldurchgang alle wichtigen Themen und entwirft ein Abbild des Planeten Erde, so wie ihn die Wissenschaft heute versteht. Sie birgt noch viele Geheimnisse.

Rezensiert von Johannes Kaiser

Andreas Sentker, Frank Wigger (Hrsg.): Planet Erde: Umwelt, Klima, Mensch
Spektrum Verlag Heidelberg 2008
302 Seiten, 24,95 Euro