Einblick in Körper und Geist
Nicht erst die Kultur hat den Menschen in Geist und Körper aufgeteilt. Auch die Natur kennt diese Unterscheidung. Beide Seiten des Menschseins lassen sich heute mit naturwissenschaftlichen Methoden untersuchen. Durch die Zusammenführung beider Welten gibt das Buch von Sandra und Matthew Blakeslee dem schwammigen Begriff „Ganzheitlichkeit“ einen neuen Sinn.
Die beiden Wissenschaftsautoren präsentieren anschaulich und kompetent einen neuen Blick auf das menschliche Gehirn. Sie sehen es nicht allein als eine biologische Zentrale für Informationsspeicherung und -verarbeitung. Alle Vergleiche mit Computern führen deshalb in die Irre. Denn zu den Hauptaufgaben des Gehirns gehört die körperliche Wahrnehmung und die Beherrschung des eigenen Körpers, dessen Position im Raum und seine Bewegungen. Biologische Intelligenz, davon sind die beiden Autoren dieses Buches überzeugt, ist ohne das Zusammenwirken von Geist und Körper nicht vorstellbar.
Alle Körperteile haben ihre Entsprechung im Gehirn eines Menschen. Dabei sind sie keineswegs gleichberechtigt. Die Hände nehmen in unserem Denkorgan weit mehr Raum ein als der Rumpf oder die Beine. Die Zuständigkeit für jeden einzelnen Finger lässt sich dank moderner bildgebender Verfahren in einer Gehirnkarte darstellen. Die jedoch ist allenfalls eine Momentaufnahme.
In ihrem Buch „Der Geist im Körper“ finden Sandra und Matthew Blakeslee hierzu Beispiele, die leicht verständlich die Entstehung und Veränderung der Karten im Gehirn erklären. Ganz anders als bei Karten auf Papier sind die Zuordnungen zwischen Gehirn und Körper sehr flexibel. Werden Ring- und Mittelfinger einer Versuchsperson zusammengebunden, ändert sich auch die Gehirnkarte. In kürzester Zeit erstellt das Gehirn ein neues Bild vom eigenen Körper. Dieser hat fortan im Selbstbild vier statt fünf Finger.
Umgekehrt können Prothesen, wie ein einfacher Blindenstock, Teil des Körpers werden. Der Stock liefert Informationen über die Umwelt, und wird bei Bewegungen als Teil des ganzen wahrgenommen. Manchmal ändert sich das Bild vom Körper innerhalb einer Sekunde. Wer einen Zylinder trägt, weiß instinktiv, dass er sich tiefer bücken muss, wenn er durch eine Tür geht. Für manche wird gar das Auto zum Teil des eigenen Körpers. Ein kleiner Blechschaden wird als Verletzung der eigenen Person wahrgenommen und verursacht entsprechend eine emotionale Reaktion.
Geist und Körper bilden nicht von Anfang an eine Einheit. Der Geist muss sich über das Gehirn und die Nerven seinen Körper erobern. Erst dann wird das Ich eine biologische Einheit. Diese These steht im Mittelpunkt des Buches. Das Mutter-Sohn-Team Sandra und Matthew Blakeslee steigt tief in die Neurobiologie ein. Nicht mit esoterischen Sprechblasen, sondern durch Einblicke in die Arbeit und die Motivation führender Neurowissenschaftler füllen die Autoren das oft missbrauchte Wort „ganzheitlich“ mit konkretem Inhalt. Immer wieder weben sie die Ergebnisse moderner Hirnforschung in die Alltagserfahrung jedes einzelnen ein. So entsteht ein Buch, das auch Lesern, die nicht vorinformiert sind, neueste Erkenntnisse aus der Hirnforschung vermittelt.
Leider sind nicht alle Beispiele hilfreich und leicht verständlich, zumal typisch amerikanisch. Wer nicht Golf spielt oder keine Ahnung von Baseball-Regeln hat, kann mit einigen Geschichten aus der Sportwelt wenig anfangen. Gelegentlich tauchen Fachbegriffe auf, sodass das Glossar am Ende des Buches weiterhelfen muss. Die Lektüre ist dennoch stets informativ und unterhaltsam, der Umgang mit den Fakten seriös und zugleich spielerisch, wie die Anregung, sich als handzentrierter Primat einmal in die Haut eines schnauzenzentrierten Schweins zu versetzen. So hilft das Buch jedem Leser, den eigenen Körper besser zu verstehen.
Besprochen von Michael Lange
Sandra Blakeslee und Matthew Blakeslee: Der Geist im Körper – Das Ich und sein Raum
Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2009
341 Seiten, 24,95 Euro
Alle Körperteile haben ihre Entsprechung im Gehirn eines Menschen. Dabei sind sie keineswegs gleichberechtigt. Die Hände nehmen in unserem Denkorgan weit mehr Raum ein als der Rumpf oder die Beine. Die Zuständigkeit für jeden einzelnen Finger lässt sich dank moderner bildgebender Verfahren in einer Gehirnkarte darstellen. Die jedoch ist allenfalls eine Momentaufnahme.
In ihrem Buch „Der Geist im Körper“ finden Sandra und Matthew Blakeslee hierzu Beispiele, die leicht verständlich die Entstehung und Veränderung der Karten im Gehirn erklären. Ganz anders als bei Karten auf Papier sind die Zuordnungen zwischen Gehirn und Körper sehr flexibel. Werden Ring- und Mittelfinger einer Versuchsperson zusammengebunden, ändert sich auch die Gehirnkarte. In kürzester Zeit erstellt das Gehirn ein neues Bild vom eigenen Körper. Dieser hat fortan im Selbstbild vier statt fünf Finger.
Umgekehrt können Prothesen, wie ein einfacher Blindenstock, Teil des Körpers werden. Der Stock liefert Informationen über die Umwelt, und wird bei Bewegungen als Teil des ganzen wahrgenommen. Manchmal ändert sich das Bild vom Körper innerhalb einer Sekunde. Wer einen Zylinder trägt, weiß instinktiv, dass er sich tiefer bücken muss, wenn er durch eine Tür geht. Für manche wird gar das Auto zum Teil des eigenen Körpers. Ein kleiner Blechschaden wird als Verletzung der eigenen Person wahrgenommen und verursacht entsprechend eine emotionale Reaktion.
Geist und Körper bilden nicht von Anfang an eine Einheit. Der Geist muss sich über das Gehirn und die Nerven seinen Körper erobern. Erst dann wird das Ich eine biologische Einheit. Diese These steht im Mittelpunkt des Buches. Das Mutter-Sohn-Team Sandra und Matthew Blakeslee steigt tief in die Neurobiologie ein. Nicht mit esoterischen Sprechblasen, sondern durch Einblicke in die Arbeit und die Motivation führender Neurowissenschaftler füllen die Autoren das oft missbrauchte Wort „ganzheitlich“ mit konkretem Inhalt. Immer wieder weben sie die Ergebnisse moderner Hirnforschung in die Alltagserfahrung jedes einzelnen ein. So entsteht ein Buch, das auch Lesern, die nicht vorinformiert sind, neueste Erkenntnisse aus der Hirnforschung vermittelt.
Leider sind nicht alle Beispiele hilfreich und leicht verständlich, zumal typisch amerikanisch. Wer nicht Golf spielt oder keine Ahnung von Baseball-Regeln hat, kann mit einigen Geschichten aus der Sportwelt wenig anfangen. Gelegentlich tauchen Fachbegriffe auf, sodass das Glossar am Ende des Buches weiterhelfen muss. Die Lektüre ist dennoch stets informativ und unterhaltsam, der Umgang mit den Fakten seriös und zugleich spielerisch, wie die Anregung, sich als handzentrierter Primat einmal in die Haut eines schnauzenzentrierten Schweins zu versetzen. So hilft das Buch jedem Leser, den eigenen Körper besser zu verstehen.
Besprochen von Michael Lange
Sandra Blakeslee und Matthew Blakeslee: Der Geist im Körper – Das Ich und sein Raum
Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2009
341 Seiten, 24,95 Euro