Einblick in die Überforderung
Die Reporterlegende von Watergate kennt sich auf den Washingtoner Hinterbühnen aus wie kaum jemand sonst. Doch Bob Woodward bietet mehr als Investigation, wenn er die Dauerkonflikte beschreibt, die Obama von Bush geerbt hat.
Der Titel des Buches gibt Rätsel auf. Wieviele Kriege führt Barack Obama denn? Außerdem waren es ja nicht seine Kriege, sondern die seines Vorgängers. Das Ende des Irak-Kriegs hat der amerikanische Präsident, Barack Obama, im vergangenen Spätsommer verkündet. Der in Afghanistan, der bis vor kurzem noch "Einsatz" hieß, scheint – Vietnam noch einmal? - kein Ende zu haben.
Der Plural in "Obamas Kriege" bezieht sich aber nicht auf Länder, sondern darauf, dass Obama auch in Dauerkonflikten seiner eigenen Administration über Afghanistan lebt. Davon handelt der ungemein anschauliche Bericht. In der amerikanischen Regierung, so lässt uns das Bob Woodward wissen, herrscht große Gespaltenheit über die richtige Strategie in dieser Auseinandersetzung.
Obama will den Ausstieg - "Ich mache ‚zehn Jahre’ nicht mit" -, kann sich aber gegenüber den Militärs nicht behaupten, die einen Ausstiegsplan bislang verweigern, sondern Strategien verfolgen, die mehr Truppen voraussetzen. Obamas Berater sind zerstritten und sprechen, um es vorsichtig auszudrücken, mit wenig Respekt übereinander. Sicherheitsexperten, Militärs, Geheimdienstleute, Politiker überwerfen sich bei diesem Thema. Teils, weil sie unterschiedlicher Ansicht sind, teils aber auch, weil sie sich persönlich verachten oder vom Beruf der anderen wenig halten.
Bob Woodward, die Reporterlegende von Watergate, kennt sich auf den Washingtoner Hinterbühnen aus wie kaum jemand sonst. Er gibt uns einen Überblick über so ziemlich alle Sitzungen, Reden, Unterredungen, Memoranden, die es unter Barack Obamas Präsidentschaft zum Afghanistan-Krieg gegeben hat. Er hat überdies Zugang zu zahlreichen unveröffentlichten Materialien und weiß die bitteren Rosinen herauszuziehen. Nur zwei Beispiele: Der amerikanische Geheimdienst C.I.A. hat danach eine eigene Truppe in Afghanistan, die sage und schreibe dreitausend Mann umfassen und überwiegend aus Afghanern selbst bestehen soll. Der afghanische Präsident Karzai leide, nach Geheimdienstquellen, an manisch-depressiven Zuständen, was ihn, je nachdem ob er gerade Medikamente nehme oder nicht, so unberechenbar mache.
Woodward bietet mehr als Investigation: einen sehr guten Einblick in die Überforderungen, die Politik erlebt, wenn sie Weltpolitik ist. Man sieht, dass es gar keine rationalen Entscheidungen geben kann, wenn es mindestens ein Dutzend gerechtfertigter Zwecke gibt, die sich alle widersprechen: das Ansehen der Nation, die Kosten, die Wiederwahl, die Sicherheit Amerikas, die Menschenrechte, die diplomatischen Beziehungen und so weiter. Außerdem sind die Folgen des Handelns unabsehbar. Und man kann sich auf fast niemanden verlassen. Selbst bei einfachsten Mitteilungen muss sich der Entscheider, der sie erhält, stets weniger fragen "Was wird mir da gesagt?" als vielmehr "Warum sagt man mir das?" Insofern klärt das Buch nicht nur über die Afghanistanfrage auf. Wer glaubt, dass Kriege vor allem dort stattfinden, wo gebombt wird, dem sei es doppelt empfohlen. Es spielt fast vollständig in Konferenzräumen.
Besprochen von Jürgen Kaube
Bob Woodward: Obamas Kriege. Zerreißprobe einer Präsidentschaft
DVA, München 2011
496 Seiten, 24,99 Euro
Der Plural in "Obamas Kriege" bezieht sich aber nicht auf Länder, sondern darauf, dass Obama auch in Dauerkonflikten seiner eigenen Administration über Afghanistan lebt. Davon handelt der ungemein anschauliche Bericht. In der amerikanischen Regierung, so lässt uns das Bob Woodward wissen, herrscht große Gespaltenheit über die richtige Strategie in dieser Auseinandersetzung.
Obama will den Ausstieg - "Ich mache ‚zehn Jahre’ nicht mit" -, kann sich aber gegenüber den Militärs nicht behaupten, die einen Ausstiegsplan bislang verweigern, sondern Strategien verfolgen, die mehr Truppen voraussetzen. Obamas Berater sind zerstritten und sprechen, um es vorsichtig auszudrücken, mit wenig Respekt übereinander. Sicherheitsexperten, Militärs, Geheimdienstleute, Politiker überwerfen sich bei diesem Thema. Teils, weil sie unterschiedlicher Ansicht sind, teils aber auch, weil sie sich persönlich verachten oder vom Beruf der anderen wenig halten.
Bob Woodward, die Reporterlegende von Watergate, kennt sich auf den Washingtoner Hinterbühnen aus wie kaum jemand sonst. Er gibt uns einen Überblick über so ziemlich alle Sitzungen, Reden, Unterredungen, Memoranden, die es unter Barack Obamas Präsidentschaft zum Afghanistan-Krieg gegeben hat. Er hat überdies Zugang zu zahlreichen unveröffentlichten Materialien und weiß die bitteren Rosinen herauszuziehen. Nur zwei Beispiele: Der amerikanische Geheimdienst C.I.A. hat danach eine eigene Truppe in Afghanistan, die sage und schreibe dreitausend Mann umfassen und überwiegend aus Afghanern selbst bestehen soll. Der afghanische Präsident Karzai leide, nach Geheimdienstquellen, an manisch-depressiven Zuständen, was ihn, je nachdem ob er gerade Medikamente nehme oder nicht, so unberechenbar mache.
Woodward bietet mehr als Investigation: einen sehr guten Einblick in die Überforderungen, die Politik erlebt, wenn sie Weltpolitik ist. Man sieht, dass es gar keine rationalen Entscheidungen geben kann, wenn es mindestens ein Dutzend gerechtfertigter Zwecke gibt, die sich alle widersprechen: das Ansehen der Nation, die Kosten, die Wiederwahl, die Sicherheit Amerikas, die Menschenrechte, die diplomatischen Beziehungen und so weiter. Außerdem sind die Folgen des Handelns unabsehbar. Und man kann sich auf fast niemanden verlassen. Selbst bei einfachsten Mitteilungen muss sich der Entscheider, der sie erhält, stets weniger fragen "Was wird mir da gesagt?" als vielmehr "Warum sagt man mir das?" Insofern klärt das Buch nicht nur über die Afghanistanfrage auf. Wer glaubt, dass Kriege vor allem dort stattfinden, wo gebombt wird, dem sei es doppelt empfohlen. Es spielt fast vollständig in Konferenzräumen.
Besprochen von Jürgen Kaube
Bob Woodward: Obamas Kriege. Zerreißprobe einer Präsidentschaft
DVA, München 2011
496 Seiten, 24,99 Euro