Ein Weltwunder des Barock

Von Jasper Barenberg |
Im Jahr 1650 begeisterte der Gottorfer Globus die Gelehrten in ganz Europa. Der von Wasserkraft angetriebene begehbare Globus zeigte im Inneren den Sternenhimmel und auf der Außenseite die damals bekannte Welt. Nun wurde im Garten des Herrensitzes in Schleswig-Holstein eine Nachbildung der Apparatur eröffnet.
Von makellosem Blau ist der Himmel über Schleswig, als sich 700 geladene Gäste zu Fuß vom Schloss aufmachen in den wieder zum Leben erweckten Barockgarten. Und zu dessen unbestrittenem neuen Zentrum: dem Globushaus. An der Spitze der Karawane: Ministerpräsident Peter Harry Carstensen.

Als erster betritt er das kubische Gebäude, als erster auch zwängt er seine Körperlänge von fast zwei Metern gut gelaunt durch die kleine Öffnung des begehbaren Riesenglobus, nimmt, gefolgt von seiner Stellvertreterin Ute Ersiek-Rave, im Inneren der Kugel Platz, die sich daraufhin und bei geschlossener Tür einmal um die eigene Achse dreht: Eine Reise durch das gesamte Universum in nur acht Minuten.

Peter Harry Carstensen / Ute Erdsiek Rave: "Eine alte Technik, die natürlich ein bisschen versteckt ist mit den alten Grundlagen, mit der Malerei zu verbinden, dass ist schon spannend. Das ist ein tolles Ding, ein richtiges Erlebnis.
Es ist schon eine gewaltiges Gefühl, dabei zu sein, das zu sehen, das zu empfinden - drinnen zu sitzen, die Bewegung zu erleben und das heute in die ganze Geschichte des Schlosses, eigentlich der ganzen Geschichte des Landes - das ist schon ein tolles Erlebnis!"

Wie das Original von 1650 zeigt der Globus im Inneren den Sternenhimmel, auf der Außenseite dagegen eine Karte der damals bekannten Welt. Vor 350 Jahren begeisterte die von Wasserkraft angetriebene Apparatur die Gelehrten in ganz Europa. Und Zar Peter der Große war von dem Wunderwerk so angetan, dass er sich den Globus 1713 kurzerhand zum Geschenk machen und in Holzkisten verpackt nach St. Petersburg schaffen ließ. Dort befindet er sich bis heute, wenn auch durch die lange und beschwerliche Reise, durch Feuer und durch Kriegswirren stark beschädigt.

Die Fertigstellung der Nachbildung ist Herwig Guratzsch ein ausgelassenes Gartenfest wert. Drei Jahre Arbeit liegen hinter dem Direktor der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, so manche Hürde war zu überwinden. Allein das Bemalen des Metallkörpers nahm acht Monate in Anspruch. Jetzt hofft der Direktor auf viele Besucher.

Herwig-Guratzsch: "Weil mit diesem Globus eine staunenswerte Geschichte aus der Vergangenheit wieder aktualisiert werden kann. Und ich vermute, dass viele Menschen dieses Staunen haben werden, die hier vor Ort sind und die dann sagen: Wie ist das möglich, dass um 1650 eine solche wissenschaftliche, naturwissenschaftliche und auch mechanische Arbeit gelungen ist. Und diese vielfältigen Qualitäten, die da alle eingegangen sind, das ist etwas, was in der Nachschöpfung nun auch wieder spürbar wird. Und die Menschen, die uns besuchen werden, werden nicht nur Schloss Gottorf spannend finden, sondern eben auch für das Barockzeitalter einen ganz neuen Zugang haben."

Davon ist auch Richard Schröder überzeugt. Der Philosoph und Theologe ist aus Berlin nach Schleswig gekommen, um sich vor der Festgesellschaft und im Angesicht der getreuen Replik Gedanken zu machen über die Unterschiede im Weltbild damals und heute. Und über Gemeinsamkeiten.

Richard Schröder: "Nämlich die Erwartung, dass Mathematik und Mechanik in der Lage sind, weltliche Vorgänge - in dem Fall sogar die Gesamtbewegung des Kosmos zu kopieren. Dieses ist so etwas wie der Einstieg in das technische Zeitalter, nur dass das eben hier erstmals spielerisch und als Fürstenvergnügen praktiziert wird. Der Unterschied ist diese über hohe Erwartung an Maschinen. Und wir wissen inzwischen, dass es neben diesen mechanisch erklärbaren Dingen diejenigen gibt, die sich so nicht erfassen lassen."

Mögen diese Zusammenhänge auch nicht jedem Besucher vor Augen stehen: Für ein Eintrittsgeld zwischen 9 und 13 Euro hat künftig jeder die Gelegenheit, in dem einstigen Weltwunder des Barock Platz zu nehmen. Und sich verzaubern zu lassen von einer Reise durch das Universum - wie einst die Gäste von Herzog Friedrich III. vor 350 Jahren.