Ein weises Weltumrundungsbuch

29.11.2012
In 80 Tagen um die Welt - der Österreicher Franz Hammerbacher hat dieses Abenteuer auf einem Containerschiff erlebt. Aus seinen Beobachtungen ist ein Logbuch entstanden, dessen Textminiaturen mit ihrer Komik und Tiefe einen Sog entwickeln, dem man sich nicht mehr entziehen kann.
Er ist nur der Passagier. Er hat keine Arbeit, keine Funktion, nur Zeit im Überfluss: der Mitfahrer auf einem Containerschiff. Franz Hammerbacher war ein solcher Passagier, und seine Passage – so der gängige Ausdruck für eine Schiffsfahrt – dauerte genau achtzig Tage. Es hat für Hammerbacher gereicht, um die Welt zu umrunden – und um Buch darüber zu führen, ein Tagebuch, ein Logbuch, ein Erinnerungsbuch. "Passagen" hat der österreichische Schriftsteller diese Aufzeichnungen genannt – und genau das sollen die Textminiaturen auch sein: Flüchtig scheinende Niederschriften des Gesehenen, vermischt mit Zitaten aus der Weltliteratur oder aus der Schifffahrt. Mal erzählt das Buch von der spektakulären Durchfahrt durch den Panamakanal, wo das tonnenschwere Schiff nach und nach auf 26 Meter Höhe gehievt wird, dann wiederum widmet es sich dem ganz und gar unspektakulären Alltag auf einem Containerschiff: Vom Bordkiosk, der heutzutage nicht selten vom Kapitän selbst bewirtschaftet wird, über den Trainingsraum, eine der wenigen Freizeitmöglichkeiten für die Seefahrer, bis zum Landgang in einer chinesischen Hafenstadt, der in einen Friseurbesuch mündet.

Der Stil, in dem Franz Hammerbacher schreibt, ist durch und durch bemerkenswert: Anfangs liest man sich recht gut unterhalten durch die ersten Tage seiner Reise, anfangs noch hat man das Gefühl, es hier mit einem Buch zu tun zu haben, das man zwar lesen kann, aber nicht unbedingt lesen muss. Doch entwickeln Hammerbachers Textminiaturen im Laufe der Lektüre einen Sog, eine Komik und eine Tiefe, der man sich nicht mehr entziehen kann: Gebannt wird man selbst zum Passagier ohne Aufgabe, ja, man leidet förmlich mit dem Reisenden, wenn das Essen aus der Seemannsküche vollkommen ungenießbar ist, man freut sich mit ihm, wenn er auf der letzten Etappe seiner Reise ausgerechnet auf einem Containerschiff mit französischer Crew landet, wo die Bordverpflegung zu den Höhepunkten des Lebens auf dem Meer gehört.

Bevor der 1967 in Niederösterreich geborene Hammerbacher sich auf Weltreise auf ein Containerschiff begeben hat, war er Universitätslektor und Verleger, anschließend, nach einem Burn-out, verpflichtete er sich als Soldat in friedenserhaltenden Missionen mit Einsätzen auf dem Balkan und im Nahen Osten. Und ja, man merkt diesem Schriftsteller an, dass er vor seiner Containerschiffreise – in achtzig Tagen um die Welt! – schon viel erlebt hat: Seine feine Ironie und große Gelassenheit, seine Liebe zum verschrobenen Detail und seine fast kindliche Freude an der selbst gewählten Entschleunigung machen die "Passagen" zu einem Band, der sich trotz seiner Kürze nicht vor seinen literarischen Vorgängern zu verstecken braucht: Ein geradezu weises Weltumrundungsbuch, bei dem man selbst Zeit und Ort vergessen kann, bei dem man am Ende höchstens noch einen einzigen Wunsch hat: dass diese Reise nicht enden soll.

Besprochen von Martin Becker

Franz Hammerbacher: Passagen.
Edition Korrespondenzen, Wien 2012
160 Seiten, 18 Euro