Ein Vollblut-Sänger

Von Christoph Vratz |
46 Jahre zählte er zum Ensemble der Rheinoper in Düsseldorf und Duisburg: der Bariton Peter-Christoph Runge. Er ist im Alter von 77 Jahren gestorben. Runge gehört zu einer Spezies Sänger, die im heutigen Opernbetrieb nicht mehr selbstverständlich ist.
Eigentlich sollte er in der von Harald Schmidt inszenierten "Lustigen Witwe" mitwirken. An den ersten Proben hatte er noch teilgenommen, doch dann meldete er sich krank: Peter-Christoph Runge, der im vergangenen Jahr letztmalig als einer der neun Ältesten in Arnold Schönbergs "Moses und Aron" auf der Bühne stand. Runge war ein Vollblut-Sänger.

Obwohl Runge, in Lübeck geboren, schon früh im Chor Bach und Händel gesungen hatte, entschied er sich zunächst für eine handwerkliche Ausbildung und legte 1957 seine Meisterprüfung als Kunstbuchbinder ab, bevor er ein Studium der Musik, Germanistik und Philosophie anschloss.

Erst danach folgte er dem Lockruf des Sängerlebens. Erstes Debüt: 1958 am Stadttheater von Flensburg als Guglielmo in Mozarts "Così fan tutte". Über Wuppertal kam Runge 1964 – gemeinsam mit dem damaligen Intendanten Grischa Barfuß – an die Rheinoper nach Düsseldorf und Duisburg. Dem Haus hielt er bis zuletzt die Treue, auch wenn Gastspiele ihn u.a. nach Glyndebourne, Brüssel, Amsterdam oder Salzburg lockten.

Peter-Christoph Runge war im besten Sinne ein Ensemble-Sänger: enorm vielseitig und nie selbstdarstellerisch. Denn er war ein Charakterdarsteller, einer, der sich in komplexe Figuren wunderbar hineinversetzen konnte wie etwa als Don Alfonso bei Mozart. Runge war ein Meister der Zwischentöne. Ihm ging es nie um die große vokale Geste, er zählte zu jenen, die das Publikum erst auf den zweiten Blick hin entdeckt und dann umso mehr ins Herz geschlossen hat.

Papageno und Figaro-Graf bei Mozart und Rossini – das sind einige der Hauptrollen, die Runge vor allem in den ersten Jahrzehnten seiner Laufbahn oft gesungen hat. Zu seinen wenigen Titelpartien zählt der Pelléas in Debussys "Pelléas et Mélisande", den er gleich in seiner ersten Düsseldorfer Saison verkörperte. Ins Wagner-Fach hat es ihn nur einmal gelockt - als Beckmesser in den "Meistersingern".

Herr Fluth bei Lortzing, Baron Weps in Zellers "Vogelhändler", der König in "Die Kluge" oder Schlemihl in "Hoffmanns Erzählungen" – Peter-Christoph Runge hat die ganz großen Rollen gemieden, sich nie an den voluminösen Partien seines Faches verhoben.

In genauer Selbsteinschätzung seiner stimmlichen Möglichkeiten zog er die etwas diskreteren Partien vor. Die aber erfüllte er umso lebendiger – mit einer gewissen Raffinesse und, wo geboten, sogar schelmig.

Neben der Oper hat sich Runge immer auch fürs Liedfach eingesetzt, unter anderem als Dozent an den Hochschulen von Düsseldorf und Köln.

Runge war ein lebensfroher Mensch, durchweg fröhlich und mit positiver Ausstrahlung. Die Leidenschaft, auf der Bühne zu stehen, blieb bis zuletzt ungebrochen. Seine Absage für die "Lustige Witwe" galt nur unter Vorbehalt. Nächste Saison, so ließ er den Düsseldorfer Operndirektor wissen, werde er wiederkommen. Doch der liebe Gott wollte es anders ...