Ein virtuoser Künstler

Von Carsten Probst · 20.11.2008
Omer Fast gilt als einer der markantesten Film- und Videokünstler der jüngeren Generation. In Hannover ist nun die erste Übersichtspräsentation seiner Arbeiten zu sehen.
Ein amerikanischer Soldat aus dem Irakkrieg erzählt von einem blutigen Zwischenfall während einer Patrouillenfahrt. Seine Stimme kommt aus dem Off, während dazu auf zwei Leinwänden nebeneinander Szenenfolgen ablaufen, die auf verwirrende Weise gar nichts oder dann vielleicht doch etwas miteinander zu tun haben.

Auf der rechten Leinwand sieht man Bilder, die die Szenen von der Patrouillenfahrt in der irakischen Wüste nachstellen. Auf der linken Seite sieht man dagegen eine nächtliche Autofahrt eines jungen Paares, die eher einem Psychotrip mit überhöhter Geschwindigkeit gleicht und in einem Crash endet. Und plötzlich erzählt auch die Stimme des Soldaten von dieser nächtlichen Autofahrt. Die beiden Geschichten wechseln sich ab, laufen ineinander, das Liebesdesaster und das Kriegstrauma. Das könnte ziemlich kitschig und banal sein. Aber die Art, wie Omer Fast die Montage von Bild- und Tonspuren präsentiert, ist virtuos und zieht den Betrachter sofort ins Geschehen hinein.

Fast: "Es gab ganz kurz bei Gus van Sant in "My private Idaho" so eine kleine kurze Liebesszene zwischen drei Männern, und die wurde ganz gefroren dargestellt, und das habe ich eben vor, keine Ahnung was, zehn Jahren oder länger gesehen. Trotzdem würde ich sagen, dass diese kurze Liebesszene für mich eine Art gewesen war, eine ganze Geschichte zu inszenieren, und es ging auch darum, dass es die erste Arbeit war, wo ich richtig mit so einem Team gearbeitet habe, und ich wusste das als Regisseur, dass es für mich ganz hilfreich sein würde, wenn ich nicht unbedingt mit Dramaturgie arbeiten muss oder mich beschäftigen muss, sondern einfach mit der Inszenierung."

Die Erinnerung des Soldaten inszeniert Fast mit der Technik, die an die früheren "tableaux vivantes" angelehnt ist. Das heißt: Seine Filme bestehen oft nicht auf laufenden Bildern, sondern die Schauspieler erstarren für Sekunden in bestimmten Posen, die für die Erinnerung besonders relevant sind. So werden lauter starre kleinen Szenen wie Schnappschüsse aneinandergeschnitten, bei denen man freilich immer sie, wie sich hier ein Augenlid oder dort der Rauch einer Zigarette weiterbewegt. So funktioniert die Erinnerung: In einzelnen, schlaglichtartigen Szenen, und sie vermischt die Geschichten miteinander. Zugleich aber ist Omer Fasts Montagetechnik dadurch besonders distanziert. Denn in vielen seiner Filme spielen eigene biografische Geschichten eine Rolle.

Fast: "Diesen biografischen Faktoren sind leider nicht zu entkommen. Insofern versuchen die Arbeiten, eine gewisse Flexibilität zu zeigen, wie man etwas spielerisch mit der eigenen Vergangenheit so umgehen kann. Weil sonst ist Geschichte, groß geschrieben für mich: History, eine Falle."

Das sieht man deutlich auch in einer Arbeit aus diesem Jahr, dem Film "Take a Deep Breath", in der es um den Augenzeugen eines Selbstmordattentats in Jerusalem geht. Die Szenen unmittelbar nach dem Attentat werden in dem Film wieder in der Technik der "tableaux vivants" nachgestellt - doch plötzlich werden die Arbeiten von der israelischen Polizei unterbrochen, das ganze Filmteam muss sich rechtfertigen, was es hier tue, denn über all liegen präparierte Leichteile und Trümmer herum. Da beginnt eine zweite Erzählung, in der offenbar ein Schauspieler, der vom Set gefeuert wurde, sich rächen wollte, indem er das Filmteam als Terroristen anzeigte. Geschichte ist eine Falle.

Fast: "Um dieser Falle zu entkommen, versuche ich einen gewissen Spielraum zu schaffen, indem ich zum Beispiel die Zusammenstellung von unterschiedlichen Perspektiven oder das ganze Umschreiben von Ereignissen oder sogar Humor, Beschäftigung mit Genre und schließlich auch das zu zeigen, wie eine Arbeit entsteht, wie die Produktion der Arbeit, wie das Erzählen eigentlich eine Rolle spielt, so dass ich nicht nur die Geschichte vermittle, sondern auch das Entstehen einer Arbeit."

Omer Fast sieht sich nicht in erster Linie als Filmemacher, sondern als bildender Künstler. Mit gutem Grund: Schon seine ersten Arbeiten zeigen eine Mischung aus Film und künstlerischer Strategie, die darauf schließen lässt, dass er lieber Bilder manipuliert als einfach nur welche macht. Noch als Kunststudent lieh er sich Videos aus einer Videothek aus, schnitt eigene Tonspuren hinein und gab die Videos dann zurück.

Fast: "Es ging nicht darum, die Filme kürzer oder etwas auszuschneiden, sondern ganz, ganz kurze Geschichten darüber zu kopieren, so dass man den Film ununterbrochen so sehen kann, und plötzlich, sagen wir in der sechzehnten Minute, taucht eine Stimme auf und erzählt eine sehr kurze Geschichte, die ungefähr 30 Sekunden lang ist, die quasi passend ist zu dem Film, was man sieht, aber natürlich nichts damit zu tun hat, und die Kurzgeschichten waren einfach reinkopiert, und dann wurden die Kassetten zurück in die Videotheken gebracht."

Gut möglich, dass nie jemandem aufgefallen ist, dass an diesen Videos etwas nicht stimmte. Die Vorgehensweise hat Omer Fast inzwischen jedenfalls kultiviert, nur dass er nicht mehr auf fremde, sondern auf seine eigenen Filme zurückgreift. Das, sagt er, sei für ihn übrigens die größte Herausforderung. Denn ein Filmset mit 50 Leuten zu führen und anzuleiten und Gelder dafür aufzutreiben, das hat ihm in seinem Kunststudium niemand beigebracht. Und wenn er davon erzählt, wirkt der stille, intellektuelle Typ, der er eigentlich ist, immer noch ein wenig überfordert von soviel unkünstlerischer Nebenarbeit.