Ein Vermittler und Übersetzer
Unter den Patienten von Thomas Bock, dem Leiter der sozialpsychiatrischen Ambulanz am Hamburger Unikrankenhaus, sind viele Menschen, die in ihrer eigenen Welt leben. Der 57-Jährige kämpft darum, dass psychisch Kranke nicht in der Behandlungsmaschinerie der Anstalten verschwinden.
"Ich hab mal eine größere Untersuchung gemacht über Menschen, die Psychosen erleben, ohne mit Psychiatrie in Berührung zu kommen. Und da hat einer gesagt: Das Wichtigste, was Psychiater lesen müssen, sind nicht die ganzen Manuale und die ganzen diagnostischen Schemata, sondern Weltliteratur sollen sie lesen. Und er hat recht."
Das sagt Professor Thomas Bock.
Der Weg zu ihm führt über eine Baustelle durch einen Pressspantunnel in die sozialpsychiatrische Ambulanz des Hamburger Uni-Klinikums wie in eine andere, surreale Welt.
"Guten Morgen", feldwebelt eine Blondine. Harte Falten, entrückte Miene. Hinter ihr eine dünne Frau, versunken in die immer gleiche Kombination von Trippelschrittchen. Zahllose Glöckchen bimmeln an ihrem abgerissenen Rock.
Jetzt die Dame am Empfang. Ist sie Patientin oder Personal? Jedenfalls freundlich in einem weithin leuchtenden roten Kleid. Sie deutet auf einen Flur. Dort am Ende hat Thomas Bock sein Büro.
"Ich bin Professor für klinische Psychologie und Sozialpsychiatrie."
Klein, zierlich, großes Lächeln und eine sympathisch lädierte Topffrisur: Wenn Bock nachdenkt, stellt er die Füße einwärts und zwirbelt an seiner linken Augenbraue. Leicht gerät man auf die falsche Spur, denkt an Märchenwald und Wunderland. Aber nichts da.
Bocks Spezialgebiet sind Psychosen. Im Unterschied zur Neurose gilt die Psychose als etwas wirklich Ernstes. Als Systemwechsel. Ein Psychotiker schafft sich seine Welt und genügt sich darin selbst.
"Jemand, der psychotisch ist, der greift auf eine Wahrnehmungsform zurück, die eines kleinen Kindes, das auch alles auf sich bezieht. Ein zweijähriges Kind, wenn die Eltern sich streiten, fühlt es sich schuldig und verantwortlich, weil es noch gar nicht abstrahieren kann, weil Gehirn und Seele noch gar nicht so weit sind, von sich abstrahieren zu können.
Und jemand, der psychotisch wird, paranoid wird, wie wir das dann nennen, tut eigentlich nichts anderes: Der greift auf dieses Repertoire zurück. Die unübersichtliche Welt reduziert er, indem er alles mit sich in Beziehung setzt. Das ist eigentlich eine Bewältigungsstrategie. Das ist eigentlich ein Versuch, wieder irgendwie eine Ordnung zu schaffen. Wenn wir das wahrnehmen, dann kann man beides sehen. Dass das gleichzeitig unangemessen, insofern krank ist. Aber dass es gleichzeitig etwas zutiefst Menschliches ist."
Das ist Bocks Credo: Krankheiten, auch die seelischen, gehören zum Leben. Vor 13 Jahren hat er deshalb den Verein "Irre menschlich" gegründet. Der Zweck: Aufklärung. Psychotiker gehen zur Polizei, in Firmen oder an Schulen, um von ihren Erfahrungen zu berichten. Von Essstörungen, Stimmen im Kopf oder von Halluzinationen.
Kennenlernen dient dem gegenseitigen Angstabbau, weiß Bock. Auch die Trialogmethode zahlt in dieses Ziel ein: Profis, Angehörige und Betroffene kommen zusammen und tauschen sich aus. Bock hatte die Idee ...
" ... gemeinsam mit Dorothea Buck. Das ist eine inzwischen 94-jährige Dame, die in der Nazi-Zeit mehrmals in der Psychiatrie war und zwangssterilisiert wurde und die Euthanasie mit Mühe überstanden hat ... Und mit ihr zusammenhabe ich dann diese Initiative gestartet, solche Dialog-Foren oder Trialog-Foren zustande zu bringen."
Im Psychoseseminar berichtet heute eine Patientin, wie sie sich kürzlich im Kaufhaus einen Piratenanzug besorgte, um in dieser Faschingsmontur die Hamburger Hafen-Barkasse "Hulda" zu entführen. Es brauchte vier Polizisten, um mich zu stoppen, strahlt sie.
Bock: "Das klingt aber auch nach einem Spiel."
Patientin: "Mmh"
Bock: "Also, ich will zwar Halt, aber erst im letzten Moment. Ich will einen Gegenpol, aber vier Polizisten müssen es schon sein."
Patientin: "Jo! So hab ich das noch gar nicht gesehen."
Die Rolle des Vermittlers und Übersetzers sei ihm in die Wiege gelegt worden, sagt Thomas Bock. Und mehr will er über seine Motivation, den Beruf des Psychiaters zu ergreifen, eigentlich nicht verraten:
"Das weiß ich jetzt nicht genau, ob ich das veröffentlichen will, sozusagen. Weil ich auch nicht einschätzen kann, wie bedeutsam es wirklich ist ..."
Der Mann der andere ständig zum Reden bringt, spricht nur ungern über sich selbst:
"Also ich komme aus einer Familie mit extrem katholischen und extrem evangelischen Großeltern, die eigentlich die Ehe meiner Eltern für die Hölle hielten. Und ich war dann der Friedensstifter sozusagen. Und habe sozusagen eine Verbindungsfunktion gehabt. Aber das ist jetzt ein bisschen weit hergeholt und ob das jetzt ... als Erklärung dient, das scheint mir selber etwas fragwürdig."
Das sagt Professor Thomas Bock.
Der Weg zu ihm führt über eine Baustelle durch einen Pressspantunnel in die sozialpsychiatrische Ambulanz des Hamburger Uni-Klinikums wie in eine andere, surreale Welt.
"Guten Morgen", feldwebelt eine Blondine. Harte Falten, entrückte Miene. Hinter ihr eine dünne Frau, versunken in die immer gleiche Kombination von Trippelschrittchen. Zahllose Glöckchen bimmeln an ihrem abgerissenen Rock.
Jetzt die Dame am Empfang. Ist sie Patientin oder Personal? Jedenfalls freundlich in einem weithin leuchtenden roten Kleid. Sie deutet auf einen Flur. Dort am Ende hat Thomas Bock sein Büro.
"Ich bin Professor für klinische Psychologie und Sozialpsychiatrie."
Klein, zierlich, großes Lächeln und eine sympathisch lädierte Topffrisur: Wenn Bock nachdenkt, stellt er die Füße einwärts und zwirbelt an seiner linken Augenbraue. Leicht gerät man auf die falsche Spur, denkt an Märchenwald und Wunderland. Aber nichts da.
Bocks Spezialgebiet sind Psychosen. Im Unterschied zur Neurose gilt die Psychose als etwas wirklich Ernstes. Als Systemwechsel. Ein Psychotiker schafft sich seine Welt und genügt sich darin selbst.
"Jemand, der psychotisch ist, der greift auf eine Wahrnehmungsform zurück, die eines kleinen Kindes, das auch alles auf sich bezieht. Ein zweijähriges Kind, wenn die Eltern sich streiten, fühlt es sich schuldig und verantwortlich, weil es noch gar nicht abstrahieren kann, weil Gehirn und Seele noch gar nicht so weit sind, von sich abstrahieren zu können.
Und jemand, der psychotisch wird, paranoid wird, wie wir das dann nennen, tut eigentlich nichts anderes: Der greift auf dieses Repertoire zurück. Die unübersichtliche Welt reduziert er, indem er alles mit sich in Beziehung setzt. Das ist eigentlich eine Bewältigungsstrategie. Das ist eigentlich ein Versuch, wieder irgendwie eine Ordnung zu schaffen. Wenn wir das wahrnehmen, dann kann man beides sehen. Dass das gleichzeitig unangemessen, insofern krank ist. Aber dass es gleichzeitig etwas zutiefst Menschliches ist."
Das ist Bocks Credo: Krankheiten, auch die seelischen, gehören zum Leben. Vor 13 Jahren hat er deshalb den Verein "Irre menschlich" gegründet. Der Zweck: Aufklärung. Psychotiker gehen zur Polizei, in Firmen oder an Schulen, um von ihren Erfahrungen zu berichten. Von Essstörungen, Stimmen im Kopf oder von Halluzinationen.
Kennenlernen dient dem gegenseitigen Angstabbau, weiß Bock. Auch die Trialogmethode zahlt in dieses Ziel ein: Profis, Angehörige und Betroffene kommen zusammen und tauschen sich aus. Bock hatte die Idee ...
" ... gemeinsam mit Dorothea Buck. Das ist eine inzwischen 94-jährige Dame, die in der Nazi-Zeit mehrmals in der Psychiatrie war und zwangssterilisiert wurde und die Euthanasie mit Mühe überstanden hat ... Und mit ihr zusammenhabe ich dann diese Initiative gestartet, solche Dialog-Foren oder Trialog-Foren zustande zu bringen."
Im Psychoseseminar berichtet heute eine Patientin, wie sie sich kürzlich im Kaufhaus einen Piratenanzug besorgte, um in dieser Faschingsmontur die Hamburger Hafen-Barkasse "Hulda" zu entführen. Es brauchte vier Polizisten, um mich zu stoppen, strahlt sie.
Bock: "Das klingt aber auch nach einem Spiel."
Patientin: "Mmh"
Bock: "Also, ich will zwar Halt, aber erst im letzten Moment. Ich will einen Gegenpol, aber vier Polizisten müssen es schon sein."
Patientin: "Jo! So hab ich das noch gar nicht gesehen."
Die Rolle des Vermittlers und Übersetzers sei ihm in die Wiege gelegt worden, sagt Thomas Bock. Und mehr will er über seine Motivation, den Beruf des Psychiaters zu ergreifen, eigentlich nicht verraten:
"Das weiß ich jetzt nicht genau, ob ich das veröffentlichen will, sozusagen. Weil ich auch nicht einschätzen kann, wie bedeutsam es wirklich ist ..."
Der Mann der andere ständig zum Reden bringt, spricht nur ungern über sich selbst:
"Also ich komme aus einer Familie mit extrem katholischen und extrem evangelischen Großeltern, die eigentlich die Ehe meiner Eltern für die Hölle hielten. Und ich war dann der Friedensstifter sozusagen. Und habe sozusagen eine Verbindungsfunktion gehabt. Aber das ist jetzt ein bisschen weit hergeholt und ob das jetzt ... als Erklärung dient, das scheint mir selber etwas fragwürdig."