Ein überzeugendes Ensemble
Aus dem Provisorium zurück ins glänzend renovierte und festlich erleuchtete Haus: Diesen Weg machte das Premierenpublikum in Gelsenkirchen gemeinsam und feierte damit zugleich den 50. Geburtstag des Musiktheaters im Revier und den Abschluss der Sanierungsmaßnahmen: in neunmonatiger Bauzeit wurde der Zuschauerraum um etwa sechs Meter erhöht, um die Akustik des Hauses zu verbessern, Beleuchtung und Klimatechnik wurden modernisiert, die Stühle neu gepolstert. Die Stadt investierte trotz angespannter Finanzlage rund 6,5 Millionen.
Bevor das Publikum das alles in Besitz nahm, erlebte es eine Doppelpremiere in der Kirche St. Georg. Der neoromanische Bau in der Nähe des Musiktheaters war in den vergangenen Monaten Ausweichspielstätte gewesen. Für das Jubiläumswochenende wurde er Schauplatz für ganz altes und ganz neues Musiktheater.
Die "Lamenti" von Claudio Monteverdi und "Neither" von Morton Feldman markierten Fundamente und aktuelle Entwicklungen des Musiktheaters, sein Herzstück, die Oper aller Opern, Mozarts "Zauberflöte", war das festliche Eröffnungswerk für das neu renovierte Große Haus.
Bevor der Chefdirigent Rasmus Baumann den Taktstock für die Ouvertüre hob, konnten die Zuschauer schon einen genialen Theatercoup des Architekten erleben. Der inzwischen 87-jährige Werner Ruhnau, der 1959 als junger Mann mit dem Bau des Gelsenkirchner Theaters zu internationalem Ruhm aufstieg, hatte mit 50-jähriger Verspätung sein zunächst aus Kostengründen verändertes, originales Beleuchtungskonzept realisiert.
Und so auf den Punkt gebracht, was immer spürbar, aber nie mit solcher Konsequenz zu erleben gewesen war: Dass der ganze Bau auf die Bühne zielt und darauf, den Zuschauer mit allen Sinnen zur Konzentration auf diesen magischen Ort zu zwingen. Es ist dunkel in Ruhnaus Zuschauerraum, wie in einer Kirche oder einem Tempel.
An der Decke strahlt ein Sternenhimmel aus hunderten von Lichtpunkten auf schwarzem Grund, unten zwischen den Sitzreihen erleuchten Lampen an den Rückenlehnen der Stühle den Gang, die Platznummern, dienen als Leseleuchten für diejenigen, die im Programmheft blättern wollen. Der Saal aber bleibt dunkel, nur das Bühnenportal, auf das sich alle Erwartungen richten, ist hell erleuchtet. Die Wirkung ist frappant, die Stimmen der Zuschauer nur noch gedämpft, die Konzentration, die Spannung schon vor Beginn deutlich spürbar.
Und dann tritt an diesem Wieder-Eröffnungsabend der Glücksfall ein, dass Musik und Szene diese Magie zum Ereignis werden lassen. Mozarts "Zauberflöte" ist (auch) ein Stück, in dem das Theater sich selber feiert: seinen phantastischen Bühnenzauber und die pralle Lebendigkeit seiner Figuren, seine wundersame Fähigkeit, Philosophie und Posse, Märchen und intellektuelle Parabel in einem unerschöpflichen Ganzen zu verschmelzen.
Der junge niederländische Regisseur und Bühnenbildner Michiel Dijkema , der zum ersten Mal am Musiktheater im Revier arbeitet, erzählt die Geschichte als "Theater auf dem Theater" und bezieht sich damit ganz deutlich auf den Gelsenkirchener Raum. Seine Bühne ist eine Fortsetzung des Zuschauerraums nach Art der sich nach hinten verjüngenden barocken Gassenbühne. Die Wände ziehen sich in identischen Farben und Materialien in die Tiefe, der rote Vorhang wiederholt sich immer wieder, gibt, wenn er geöffnet wird, die Sicht auf einen neuen roten Vorhang frei ...
Dort agieren, in pointiert theatralischen Kostümen von Claudia Damm, Tamino, Pamina und Papageno, die, unterwegs zum Erwachsenwerden, in seltsame Prüfungen verstrickt werden, die sie auf ganz unterschiedliche Art angehen. Sie geraten zwischen die oppositionellen Mächte der Königin der Nacht und des Lichtreiches, das der Weisheitspriesters Sarastro vertritt. Wie viel von Aufklärungsphilosophie und von ihm selbst praktizierter Freimaurerei Mozart hier einfließen ließ, das füllt Bibliotheken. Dijekema geht einen erfrischend einfachen und unmittelbar theatralisch wirksamen Weg.
Was eigentlich das Ziel der Bildungsreise von Tamino und Pamina ist – die Weisheitslehre - , das beschäftigt ihn nicht weiter. Was hinter dem letzten roten Vorhang ist, bekommen weder die Zuschauer noch die handelnden Figuren jemals zu sehen. Sarastro und seine Eingeweihten sind so eine Art Zauberkünstler, die mit beschwörenden Gesten Feuer und Wasser aus dem Bühnenboden hervorlocken. Trickbetrug und Mummenschanz, seis’s drum, der Weg ist das Ziel: Was Pamina und Tamino erleben, ist eine Konfrontation mit ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen, die erleben sie "wirklich", auch wenn es nur Bühnentricks und Theaterkulissen sind, die sie zu Entscheidungen nötigen. Das Theater zeigt einen Weg der Selbsterkenntnis.
Dijekemas reiche, kluge, phantasievolle, komische und existentiell ernsthafte Inszenierung ist eine tiefe Verbeugung, aber sie stellt auch einen hohen Anspruch gegenüber dem Theater. Was kann es Besseres geben als Ouvertüre zur "Weihe des Hauses" zum 50. Geburtstag und zu seiner Wiedereröffnung.
Auch auf der musikalischen Seite knüpft der Abend an gute Traditionen an. Wenn Chefdirigent Rasmus Baumann und die Neue Philharmonie Westfalen mit einem scharf akzentuierten, dynamisch hoch differenzierten Mozart aufwarten, klingt darin sicher die Aufbauarbeit seines Vorgängers Samuel Bächli nach, der hier die Grundlagen eines historisch informierten Stils legte, lange bevor das in vielen Orchestern eine Modetrend wurde.
Und wieder ist ein geschlossenes, darstellerisch wie musikalisch überzeugendes Ensemble zu erleben, in dem alle Partien aus den eigenen Reihen besetzt werden konnten. Die Koloratursopranistin Diana Petrova, die als Königin der Nacht brillierte könnte vielleicht sogar die Reihe der Stars fortsetzen, die ihre Karriere in den vergangenen fünf Jahrzehnten in Gelsenkirchen begonnen haben.
Die "Lamenti" von Claudio Monteverdi und "Neither" von Morton Feldman markierten Fundamente und aktuelle Entwicklungen des Musiktheaters, sein Herzstück, die Oper aller Opern, Mozarts "Zauberflöte", war das festliche Eröffnungswerk für das neu renovierte Große Haus.
Bevor der Chefdirigent Rasmus Baumann den Taktstock für die Ouvertüre hob, konnten die Zuschauer schon einen genialen Theatercoup des Architekten erleben. Der inzwischen 87-jährige Werner Ruhnau, der 1959 als junger Mann mit dem Bau des Gelsenkirchner Theaters zu internationalem Ruhm aufstieg, hatte mit 50-jähriger Verspätung sein zunächst aus Kostengründen verändertes, originales Beleuchtungskonzept realisiert.
Und so auf den Punkt gebracht, was immer spürbar, aber nie mit solcher Konsequenz zu erleben gewesen war: Dass der ganze Bau auf die Bühne zielt und darauf, den Zuschauer mit allen Sinnen zur Konzentration auf diesen magischen Ort zu zwingen. Es ist dunkel in Ruhnaus Zuschauerraum, wie in einer Kirche oder einem Tempel.
An der Decke strahlt ein Sternenhimmel aus hunderten von Lichtpunkten auf schwarzem Grund, unten zwischen den Sitzreihen erleuchten Lampen an den Rückenlehnen der Stühle den Gang, die Platznummern, dienen als Leseleuchten für diejenigen, die im Programmheft blättern wollen. Der Saal aber bleibt dunkel, nur das Bühnenportal, auf das sich alle Erwartungen richten, ist hell erleuchtet. Die Wirkung ist frappant, die Stimmen der Zuschauer nur noch gedämpft, die Konzentration, die Spannung schon vor Beginn deutlich spürbar.
Und dann tritt an diesem Wieder-Eröffnungsabend der Glücksfall ein, dass Musik und Szene diese Magie zum Ereignis werden lassen. Mozarts "Zauberflöte" ist (auch) ein Stück, in dem das Theater sich selber feiert: seinen phantastischen Bühnenzauber und die pralle Lebendigkeit seiner Figuren, seine wundersame Fähigkeit, Philosophie und Posse, Märchen und intellektuelle Parabel in einem unerschöpflichen Ganzen zu verschmelzen.
Der junge niederländische Regisseur und Bühnenbildner Michiel Dijkema , der zum ersten Mal am Musiktheater im Revier arbeitet, erzählt die Geschichte als "Theater auf dem Theater" und bezieht sich damit ganz deutlich auf den Gelsenkirchener Raum. Seine Bühne ist eine Fortsetzung des Zuschauerraums nach Art der sich nach hinten verjüngenden barocken Gassenbühne. Die Wände ziehen sich in identischen Farben und Materialien in die Tiefe, der rote Vorhang wiederholt sich immer wieder, gibt, wenn er geöffnet wird, die Sicht auf einen neuen roten Vorhang frei ...
Dort agieren, in pointiert theatralischen Kostümen von Claudia Damm, Tamino, Pamina und Papageno, die, unterwegs zum Erwachsenwerden, in seltsame Prüfungen verstrickt werden, die sie auf ganz unterschiedliche Art angehen. Sie geraten zwischen die oppositionellen Mächte der Königin der Nacht und des Lichtreiches, das der Weisheitspriesters Sarastro vertritt. Wie viel von Aufklärungsphilosophie und von ihm selbst praktizierter Freimaurerei Mozart hier einfließen ließ, das füllt Bibliotheken. Dijekema geht einen erfrischend einfachen und unmittelbar theatralisch wirksamen Weg.
Was eigentlich das Ziel der Bildungsreise von Tamino und Pamina ist – die Weisheitslehre - , das beschäftigt ihn nicht weiter. Was hinter dem letzten roten Vorhang ist, bekommen weder die Zuschauer noch die handelnden Figuren jemals zu sehen. Sarastro und seine Eingeweihten sind so eine Art Zauberkünstler, die mit beschwörenden Gesten Feuer und Wasser aus dem Bühnenboden hervorlocken. Trickbetrug und Mummenschanz, seis’s drum, der Weg ist das Ziel: Was Pamina und Tamino erleben, ist eine Konfrontation mit ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen, die erleben sie "wirklich", auch wenn es nur Bühnentricks und Theaterkulissen sind, die sie zu Entscheidungen nötigen. Das Theater zeigt einen Weg der Selbsterkenntnis.
Dijekemas reiche, kluge, phantasievolle, komische und existentiell ernsthafte Inszenierung ist eine tiefe Verbeugung, aber sie stellt auch einen hohen Anspruch gegenüber dem Theater. Was kann es Besseres geben als Ouvertüre zur "Weihe des Hauses" zum 50. Geburtstag und zu seiner Wiedereröffnung.
Auch auf der musikalischen Seite knüpft der Abend an gute Traditionen an. Wenn Chefdirigent Rasmus Baumann und die Neue Philharmonie Westfalen mit einem scharf akzentuierten, dynamisch hoch differenzierten Mozart aufwarten, klingt darin sicher die Aufbauarbeit seines Vorgängers Samuel Bächli nach, der hier die Grundlagen eines historisch informierten Stils legte, lange bevor das in vielen Orchestern eine Modetrend wurde.
Und wieder ist ein geschlossenes, darstellerisch wie musikalisch überzeugendes Ensemble zu erleben, in dem alle Partien aus den eigenen Reihen besetzt werden konnten. Die Koloratursopranistin Diana Petrova, die als Königin der Nacht brillierte könnte vielleicht sogar die Reihe der Stars fortsetzen, die ihre Karriere in den vergangenen fünf Jahrzehnten in Gelsenkirchen begonnen haben.