Ein Toter nimmt Rache

Eine Coladose rollt über den verdreckten Boden eines Flurs, scheppert über die Fliesen und bleibt an einem undefinierbaren klebrigen Haufen hängen. Es stinkt nach Fischgekröse, Rattenpisse und allgemeiner Verwesung. Das Gebäude ist windschief, die Stadt ein moderndes Labyrinth. Bettler und Untermenschen vegetieren in Löchern. Ein Mann namens Dondog, ehemaliger Lagerhäftling, sucht Rache.
Schon auf den ersten Seiten von Antoine Volodines Roman "Dondog" fühlt man sich wie in einem Film, man denkt an die verrosteten Siedlungsreste in Andrei Tarkowskis "Stalker" und die verrottende Großstadt in Ridley Scotts "Blade Runner". Das Buch ist ein beklemmender Science-Fiction-Roman. Dondog Balbajan kehrt nach jahrzehntelangem Aufenthalt in einer Art Gulag in die Freiheit zurück. Vier Namen stehen auf seiner Liste, zwei Frauen, zwei Männer, die er töten will. Das ist schon allein deswegen nicht so einfach, weil diese vier Leute womöglich tot sind und er selber ein lebender Toter ist – in diesem Roman ist der Tod nur ein Übergang.
Volodine, der 55-jährige Franzose mit dem russisch klingenden Pseudonym, ist ein moralischer Nihilist. Einerseits sagt er (was gerade heute nicht ohne Brisanz ist), dass Rache zu nichts führt – außer zu einem weiteren Verbrechen. Andererseits entdeckt Dondog auf seiner Odyssee, dass es nur eine Wahrheit gibt: nämlich dass es keine gibt. Alles – Aufstand, Gewalt, Hoffnung, Bürgerkrieg –endet nur in Zerstörung und Dreck. Das erinnert an den französischen Intellektuellen André Glucksman, der schon vor Jahren gesagt hatte: "Jede Revolution führt in den Gulag."
Volodines bislang einziges auf deutsch erschienenes Buch "Alto solo" (1992) beschrieb die Voraussetzung des Lagers, es ging um Massenverführung und Massenwahn. "Dondog" behandelt das Ergebnis des Lagers, es geht um den zerstörten Menschen und die zerstörte Welt. "Alto solo" war die gelungene Rehabilitierung politischer Prosa, "Dondog", diese phantastische Erinnerungsreise eines Desperados, ist ein Neuversuch literarischer Science Fiction.
Antoine Volodine: Dondog
Roman. Aus dem Französischen von Holger Fock
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005
303 Seiten, 22,80 Euro
Volodine, der 55-jährige Franzose mit dem russisch klingenden Pseudonym, ist ein moralischer Nihilist. Einerseits sagt er (was gerade heute nicht ohne Brisanz ist), dass Rache zu nichts führt – außer zu einem weiteren Verbrechen. Andererseits entdeckt Dondog auf seiner Odyssee, dass es nur eine Wahrheit gibt: nämlich dass es keine gibt. Alles – Aufstand, Gewalt, Hoffnung, Bürgerkrieg –endet nur in Zerstörung und Dreck. Das erinnert an den französischen Intellektuellen André Glucksman, der schon vor Jahren gesagt hatte: "Jede Revolution führt in den Gulag."
Volodines bislang einziges auf deutsch erschienenes Buch "Alto solo" (1992) beschrieb die Voraussetzung des Lagers, es ging um Massenverführung und Massenwahn. "Dondog" behandelt das Ergebnis des Lagers, es geht um den zerstörten Menschen und die zerstörte Welt. "Alto solo" war die gelungene Rehabilitierung politischer Prosa, "Dondog", diese phantastische Erinnerungsreise eines Desperados, ist ein Neuversuch literarischer Science Fiction.
Antoine Volodine: Dondog
Roman. Aus dem Französischen von Holger Fock
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005
303 Seiten, 22,80 Euro