"Ein teures Wahlkampfinstrument"

Hermann-Otto Solms im Gespräch mit Birgit Kolkmann · 08.04.2009
Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Hermann Otto Solms, hat die Entscheidung der Großen Koalition kritisiert, die Mittel für die Abwrackprämie noch einmal aufzustocken. Das Beste wäre gewesen, man hätte die Abwrackprämie auslaufen lassen, wie es von Anfang an zugesagt worden sei. Zwar habe die Abwrackprämie zu einer gewissen Belebung im Autohandel geführt, aber sie werde anschließend zu einem Einbruch des Automobilmarktes führen, sagte Solms.
Birgit Kolkmann: Die Abwrackprämie ist der Renner in diesem Frühling. 1,3 Millionen Anträge sind schon eingegangen, und das zuständige Bundesamt kommt gar nicht nach mit der Bearbeitung. Erst 70.000 Bescheide sind raus. Übrigens: Es wurden auch zehn Porsche-Modelle mit der Prämie gekauft. Gestern Abend trafen sich die Koalitionsspitzen bei der Kanzlerin, um sich auf einen Vorschlag zu einigen, wie es weitergehen soll mit der Verschrottungsprämie. Heute kommt die Idee auf den Kabinettstisch.

Wir sind jetzt mit Hermann-Otto Solms verbunden. Er ist Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages und finanzpolitischer Sprecher der FDP. Schönen guten Morgen, Herr Solms!

Hermann-Otto Solms: Guten Morgen, Frau Kolkmann.

Kolkmann: September, das magische Datum, dann ist ja Wahl. Erkauft sich die Bundesregierung gute Stimmung für die Wahl mit der Abwrackprämie bis September mindestens?

Solms: Ja, sicher ist da ein Zusammenhang zu sehen. Man macht Wahlkampf, und den finanziert man mit Schulden, und dafür müssen dann unsere Kinder und Enkel aufkommen.

Kolkmann: Fünf Milliarden Euro, das ist ja ein stolzes Sümmchen. Eigentlich sollten 1,5 Milliarden Euro für diese sogenannte Umweltprämie ausgegeben werden. Es gibt ja jetzt die unterschiedlichsten Berechnungen. Oft wird gesagt, dass mit den Bewerbungen, die jetzt schon eingegangen sind, oder den Anträgen, 1,3 Millionen allein, die fünf Milliarden schon ausgeschöpft wären. Eben hörten wir, bei zwei Millionen Anträgen ist das erst der Fall. Wie wird denn da eigentlich gerechnet?

Solms: Das frage ich mich auch. Aber was viel schlimmer ist: man muss ja die Zusammenhänge und die Auswirkungen auf den Markt sehen. Zwei Drittel etwa der Autos, die mit der Prämie gekauft werden, sind Autos, die in anderen Ländern hergestellt werden. Die deutsche Automobilindustrie hat davon nicht sehr viel, insbesondere BMW, Audi, Daimler werden kaum einen Zuwachs an Aufträgen haben.

Das zweite ist: was ist denn, wenn die Prämie ausläuft? Dann wird es natürlich einen erneuten totalen Einbruch auf dem Automobilmarkt geben, gerade dann, wenn wir hoffen, dass der Aufschwung wieder in Gang kommt. Also auch konjunkturpolitisch halte ich diese Entscheidung für völlig verfehlt.

Kolkmann: Viele Wirtschafts- und Umweltexperten sagen das ja auch, und deswegen sagen sie "weg damit, die Umweltprämie ist Gift fürs Klima und außerdem ungerecht, teuer sowieso". Sagen Sie also als Fazit Ihrer Stellungnahme: Abwrackprämie bitte verschrotten?

Solms: Ich sage, man hätte es bei der einmaligen Entscheidung belassen sollen, die Umweltprämie dann auslaufen lassen sollen. Sie hat, was positiv zu bemerken ist, zu einer gewissen Belebung im Automobilhandel geführt, aber sie wird eben auch anschließend wieder zu einem Einbruch des Automobilmarktes führen. Das beste wäre gewesen, man hätte sie dann auslaufen lassen, wie man von Anfang an zugesagt hatte, statt jetzt wieder zu verlängern. Das erweckt den Eindruck, dass es ein teures Wahlkampfinstrument ist.

Kolkmann: Hätte man am besten diese Abwrackprämie gar nicht erst eingeführt? Was hätten Sie als FDP mit dem Geld stattdessen lieber gemacht?

Solms: Wenn man dem deutschen Automobilmarkt, insbesondere den Herstellern hätte helfen wollen, hätte man die Abschreibungen für Geschäftswagen und Dienstwagen erhöhen sollen. Das sind die Mittelklassewagen, die in Deutschland hergestellt werden, die dann gekauft worden wären. Aber dazu hat sich die Bundesregierung nicht entscheiden können. Die Abwrackprämie hat zugegeben auch positive Wirkungen, aber alles muss seine Grenzen haben.

Kolkmann: Nun gibt es ja eine ganze Reihe von Menschen, die sagen, vor dem Hintergrund der Abwrackprämie müsse man auch unbedingt die Eigenheimzulage zum Beispiel wieder einführen, um die Schaffung von Eigentum auch für Altersvorsorge zum Beispiel zu fördern. Geht es immer zwei Schritte vor, wieder einen zurück in unserer Diskussion?

Solms: Das ist ja das schlimme, dass die Bürger den Eindruck haben, die Bundesregierung weiß nicht was sie will - rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln. Man muss kluge Entscheidungen treffen und sich dann an diese Entscheidungen halten, damit bei den Bürgern ein gewisses Vertrauen in eine planvolle Regierungsarbeit entstehen kann. Jetzt entsteht Misstrauen einerseits und andererseits das Gefühl, ich nehme mit, was ich kann, solange es noch geht, wer weiß, wie lange die Bundesregierung das noch bezahlen kann.

Kolkmann: Das Konjunkturpaket III, über das wird nun auch schon diskutiert. Die Kanzlerin hat ja gesagt, sie will es nicht, noch wirken ja I und II gar nicht richtig. Da gehen diese Überlegungen ja schon viel zu weit aus ihrer Sicht. Was will die FDP?

Solms: Sie sagten es eben: Das Konjunkturprogramm I und II fängt erst an zu wirken, wenn vermutlich das schlimmste mit der Rezession vorüber ist. Es ist ja so, dass dieses viele Geld, was jetzt den Kommunen und Ländern zur Verfügung steht, gar nicht sofort zu Aufträgen führen kann, weil die Planungsentscheidungen, die dem vorausgehen müssen, noch nicht getroffen sind, so dass das meiste erst im nächsten Jahr zur Wirkung kommen wird. Das sind die Fehler des Konjunkturprogramms, die wir von Anfang an kritisiert haben.

Besser wäre es gewesen, statt Ausgabenprogrammen Steuer und Abgaben zu senken. Das hätte alle betroffen, insbesondere alle, die am Leistungsprozess beteiligt sind, und hätte mehr Mut für Investitionen und auch für den Konsum von langlebigen Konsumgütern geführt und die Wirtschaft viel stärker und insbesondere viel früher belebt.

Kolkmann: Nun gibt es ja auch Überlegungen, ohnehin geplante Steuerentlastungen, also zum Beispiel die Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen, als ein drittes Konjunkturprogramm auszuflaggen. Darüber hat die "Financial Times Deutschland" berichtet. Was halten Sie davon? Ist das eine Mogelpackung auch vor dem Hintergrund des Wahlkampfes, und damit sind wir schon wieder beim Anfang unseres Gespräches?

Solms: Ja, natürlich. Man hätte die Abzugsfähigkeit der Krankenkassenbeiträge schon zum 01. 01. diesen Jahres in Kraft setzen können, wie es die FDP gefordert hat. Das hätte dann in diesem Jahr beispielsweise diese Entlastungswirkung gebracht, von der ich gesprochen habe. Im nächsten Jahr wird das nicht mehr die notwendige, jedenfalls die zeitlich richtige Wirkung entfalten können.