Ein Syrer in Bremen

Warum Mohsen Abbasi Deutschland verlässt

Mohsen Abbasi, in Syrien geboren, kam als Student nach Deutschland.
Mohsen Abbasi, in Syrien geboren, kam als Student nach Deutschland. © Mohsen Abbasi
Von Panajotis Gavrilis und Bastian Brandau · 18.05.2015
Mohsen Abbasi ist in Syrien geboren. Er kam vor vielen Jahren zum Studium nach Deutschland und wurde Ingenieur. Sein Ziel: Die eigene Firma - in Deutschland. Doch es kam anders, und das hat auch mit dem Krieg in seiner Heimat Syrien zu tun.
"Ich bin Mohsen Abbasi, ein Syrer aus Bremen, ich bin 30 Jahre alt. Nach Deutschland bin ich vor etwa zehn Jahren gekommen, das ist Mitte April 2005, schon vor langer Zeit, ja."
Und diese Zeit ist nun vorbei. Vor ein paar Monaten schrieb Mohsen mir per SMS:
"Ich werde Deutschland für immer verlassen. Hier läuft alles so falsch und so ungerecht, was mich noch mehr belastet und für mich ein weiterer Grund ist, Deutschland aufzugeben."
Diese Zeilen verwundern mich. Mohsen ist nach Deutschland gekommen, hat hier Elektrotechnik studiert, den weltweit angesehenen deutschen Diplom-Ingenieur in der Tasche.
"Speziell in den ersten vier Jahren an der Uni ging es mir auch an der Uni sehr gut, weil ich sehr gute Beziehungen hatte. Außerhalb der Uni hatte ich sehr wenige Kontakte, weil ich an der Uni eigentlich nur gelebt hatte, in einem Wohnheim und dieses Wohnheim lag auch mitten an der Uni und das war auch nachteilhaft. Aber für einen Studenten ist es draußen sowieso teuer und deswegen, wenn man auch nicht viel Ahnung von der Stadt hat, bleibt man auch in dem Wohnheim."
Mohsen erzählt aber auch, dass er immer skeptisch angesehen wurde, sich nie wirklich ernst genommen fühlte. Wenn das Mikrofon aus ist, spricht er auch von Rassismus-Erfahrungen an der Uni.
Alles Dinge, die dazu führen, dass er sich nach wie vor wie ein "Fremdkörper" in Deutschland vorkommt.
"Ich bin so verärgert und habe auch keine Hoffnung mehr hier überhaupt, dass ich sage: Nach zehn Jahren bin ich wirklich anscheinend gar nicht angekommen, außer bei einigen einzelnen Personen. Aber bei dem Staat anscheinend gar nicht."
Aufenthaltsstatus macht Firmengründung zum Problem
Es sind die Behörden, mit denen er irgendwann nicht mehr klar kommt. Er will eine Firma gründen. Das ist sein Traum. Doch das geht nicht. Als ausländischer Student, der nicht aus dem EU-Raum kommt, bräuchte er eine Sondergenehmigung. Er schreibt an die Ausländerbehörde:
"Ich kann mich selber finanzieren, wenn ich die Genehmigung für die Gewerbe bekomme. Ich will keine Steuergelder nehmen, sondern sie zahlen, wenn ich dazu komme.Reichen über acht Jahren in Deutschland nicht für diese Genehmigung? Ich hoffe, doch."
Mohsen hakt nach, bekommt über vier Monate keine Antwort. Seine Anfrage wird weitergeleitet – und versandet. Mohsen gibt auf. Es gibt keine Ausnahme für ihn. Nach seinem Studium bleibt er arbeitslos, verschuldet sich. Warum wollte er dann nicht endlich seine Firma gründen?
"Das könnte ich versuchen, ich darf das auch machen, aber ich bekomme Aufenthalt auf das Unternehmen, das ich dann gründe nur, wenn ich ein Geschäft oder ein Unternehmen in meinem Bereich gründe. Und ich muss dann auch erfolgreich sein, das wird beobachtet, wie das alles funktioniert, und wenn das nicht klappt, wird das schwierig und ich kann auch zum Beispiel, was mein Ziel auch war, dass ich die deutsche Staatsbürgerschaft beantrage, das könnte ich."
Das Problem scheint vor allem Mohsens Aufenthaltsstatus zu sein. Mohsen wirkt verbittert und kompromisslos zugleich.
Wie von einer enttäuschten Liebe hören sich die Geschichten von ihm und Deutschland an. Zudem spielt die Situation seiner Eltern eine entscheidende Rolle. Sie sind nach Libyen geflohen. Mohsen will sie auf offiziellem Weg nach Deutschland holen.
"Ich will sie retten aus Libyen. Dort ist alles noch schlimmer als in Syrien. Wären sie in Syrien geblieben, wäre es viel besser als jetzt. Sie sind ältere Leute und mein Vater ist krank. Diabetes und Blutdruck. Und nach paar Monaten hat er keinen gültigen Pass mehr. Das heißt, er könnte vielleicht Libyen nicht mal verlassen. Also wirklich ganz schlimme Situation, aber das wird überhaupt nicht geachtet. Von dem Staat."
Nachholung der Eltern scheitert an Bürgschaft
Der Staat verlangt von Mohsen, dass er für den Unterhalt seiner Eltern, bürgt. Eine sogenannte Verpflichtungserklärung unterschreibt. Aber das kann er nicht. Er hat keinen Job und auch den Eindruck: Ihn, den syrischen Aktivisten, wird so schnell kein Unternehmen anstellen. Trotz Diplom.
Mohsen hofft auf ein humanitäres Flüchtlingsprogramm für seine Eltern. Aber die Ausländerbehörde weist ihn ab.
"Sehr geehrter Herr Mohsen, leider sind die Programme zur Aufnahme von Flüchtlingen bereits abgeschlossen. Wir hatten hier über 1000 Vorschläge, auch hier konnte Bremen leider nur eine geringe Anzahl aufnehmen. Es tut mir Leid, aber wir können Ihnen da leider nicht weiterhelfen. Vielleicht finden Sie einen Verwandten oder Bekannten in Deutschland, der bereit ist, die Verpflichtungserklärung abzugeben."
Den findet Mohsen nicht. Seine berufliche Zukunft ist ungewiss. Ein Wiedersehen mit seinen Eltern rückt in weite Ferne. Sein Traum, in Deutschland anzukommen, zerplatzt allmählich.
Er sagt, am Ende werden viele seine Entscheidung, Deutschland zu verlassen, nicht verstehen. Vielleicht wird sie vielen auch nicht gefallen.
Sein Ziel bleibt: Ein Unternehmen gründen, der eigene Chef sein. Mohsen will elektronische Prothesen bauen, Mini-Roboter mit 3D-Druckern anfertigen, die Welt verbessern. Dafür geht er jetzt in die Türkei. Da soll alles einfacher sein, besser für ihn – so hofft er.
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