"Ein Symbol für Flucht und Vertreibung"
Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, hat Äußerungen von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse zur Beteiligung ihrer Organisation am geplanten Dokumentationszentrum für Vertriebene widersprochen. Es treffe nicht zu, dass der BdV keine führende Rolle bei der Konzeption des Zentrums spielen werde, sagte Steinbach.
Matthias Hanselmann: Wir sprechen mit Erika Steinbach, der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen. Frau Steinbach, Bundeskanzlerin Merkel hatte es auf dem 50. Jahrestag Ihres Bundes am Montag angekündigt, jetzt schon, zwei Tage später, heißt es, der Plan wird realisiert, und zwar recht schnell. Waren Sie überrascht?
Erika Steinbach: Nein, ich war nicht überrascht, ich wusste, dass die Vorbereitungen sehr weit gediehen sind, denn ich war im Vorfeld der Planung sehr intensiv mit eingebunden.
Hanselmann: Sind Sie zufrieden mit dem, was geplant ist?
Steinbach: Es ist ein gutes Konzept, auch das Gebäude, das ausgewählt wurde, ist ein Gebäude, was denkbar gut geeignet ist. Die Lage ist ausgezeichnet, das Fragment des Anhalter Bahnhofs gegenüber ist sozusagen schon fast ein Symbol für Flucht und Vertreibung. Es ist ja ein Trümmerstück, was da steht. Und in dem Gebäude selber haben über Jahrzehnte Landsmannschaften und Landesverbände des Bundes der Vertriebenen ihren Sitz gehabt. Der Berliner Landesverband des Bundes der Vertriebenen sitzt heute noch darin.
Hanselmann: Sie haben gesagt, Sie waren im Vorfeld mit eingebunden. Hat man mit Ihnen auch persönlich über diese Pläne für die Zukunft schon gesprochen?
Steinbach: Ja, selbstverständlich, über das Projekt, über die Planung und wie es sich gestalten soll, welche Liegenschaften dort dafür geeignet sind. Und das ist eigentlich das normale Verfahren, so wie man bei allen Einrichtungen, die zu Opfergruppen gestaltet werden seitens der Bundesregierung, bisher auch verfahren ist. Also zurzeit aktuell auch die Frage, wie soll das Denkmal für die Sinti und Roma aussehen. Da sind natürlich die Betroffenen die wichtigsten Gesprächspartner überhaupt.
Hanselmann: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hat andererseits ausdrücklich betont, dass Ihre Organisation, der Bund der Vertriebenen, keine führende Rolle bei der Konzeption des Zentrums spielen wird. Ist das für Sie in Ordnung?
Steinbach: Ja, das trifft einfach nicht zu. Denn wenn man die Erklärungen der Bundeskanzlerin liest, schon am 18. Juli ist es veröffentlicht worden, nachdem ein Gespräch mit dem Präsidium des Bundes der Vertriebenen im Bundeskanzleramt stattgefunden hat, dass die Bundeskanzlerin und ich uns darüber einig sind, dass in dieses sichtbare Zeichen zur Dokumentation der Vertreibung der Bund der Vertriebenen und auch das Zentrum gegen Vertreibung selbstverständlich eingebunden sind und in den Organisationen vertreten sein werden. Und das ist auch ein normaler Vorgang.
Hanselmann: Warum sagt Wolfgang Thierse dann so was?
Steinbach: Da ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Er tut sich insgesamt ja mit dem Projekt sehr schwer, was ich bedauere, denn es gibt zahllose Sozialdemokraten, die sich nichts sehnlicher wünschen, als dass dieses Projekt endlich unter Dach und Fach kommt. Wir haben hier seitens unserer Stiftung unter den Patenstädten in Deutschland sehr viele Städte, die sozialdemokratische Oberbürgermeister haben, zum Beispiel Aschaffenburg, zum Beispiel Darmstadt, zum Beispiel Langen. Die möchten, dass dieses Dokumentationszentrum realisiert wird. Und vor dem Hintergrund ist es im Grunde genommen unverständlich, denn es ist auch ein sozialdemokratisches Thema.
Hanselmann: Ich muss dann doch noch mal auf eine Äußerung von Wolfgang Thierse zu sprechen kommen. Er sagt, das Konzept soll von einem international besetzten Symposium von Wissenschaftlern erarbeitet werden, und die Erfahrungen deutscher Heimatvertriebener, die würden in beratenden Gremien berücksichtigt. Werden Sie in solch einem beratenden Gremium sein und werden Sie damit zufrieden sein?
Steinbach: Eine Stiftung hat immer wichtige Beratungsgremien, und dann sind es auch Entscheidungsgremien. Also wer in den Entscheidungsgremien mitsitzt, der kann auch den Weg einer Einrichtung mitbestimmen, und ich gehe davon aus, dass auch die Vertriebenen in diesen wichtigen Gremien repräsentativ mitarbeiten werden.
Hanselmann: Und dann auch Entscheidungen mittragen?
Steinbach: Selbstverständlich.
Hanselmann: Für das kommende Jahr ist ein Planungsbudget von 1,2 Millionen Euro vorgesehen, der Gedenkort soll komplett vom Bund finanziert werden. Was halten Sie davon?
Steinbach: Das ist gut, dass die Bundesregierung das jetzt zu ihrer Aufgabe gemacht hat. Wir haben ja, mit unserer Stiftung "Zentrum gegen Vertreibung" waren wir sozusagen Initialzündung seit dem Jahre 2000, hätten auch versucht, das aus eigenen Kräften auf die Beine zu bringen, aber es ist natürlich ein finanzieller Kraftakt, und letzten Endes ist es eine staatliche Aufgabe, das Schicksal von so vielen Menschen - wenn Sie schauen, alleine in Hessen sind ein Drittel der Bewohner Vertriebene und Abkömmlinge von Vertriebenen. In anderen Ländern, in Schleswig-Holstein ist der Anteil noch höher. Das heißt, es ist ein wesentlicher Teil unserer deutschen Identität, deutscher Geschichte und deutscher Schicksale. Und vor dem Hintergrund ist es natürlich auch eine staatliche Aufgabe. Und ich begrüße nachdrücklich, dass die Bundesregierung sich dieser Aufgabe angenommen hat und dass es die Bundeskanzlerin sehr persönlich auch zu ihrem Anliegen gemacht hat, wie ja bei unserer Geburtstagsfeier deutlich wurde.
Hanselmann: Eine wichtige Rolle spielen natürlich auch die osteuropäischen Nachbarn dabei, und das Haus soll im Dialog mit denselben entstehen. In Polen hat es ja gerade einen politischen Richtungswechsel gegeben. Welches Verhältnis des Bundes der Vertriebenen zu den polnischen Nachbarn sehen Sie für die Zukunft?
Steinbach: In der Gegenwart kann man sagen, war das Verhältnis in Richtung Warschau kein Verhältnis, sondern es gab eigentlich keine wirklichen Verbindungen, sondern es gab sehr viele Feindseligkeiten aus Warschau gegenüber den Vertriebenen. Aber von Mensch zu Mensch, das ist natürlich das Erfreuliche an der Sache, gab es und gibt es hervorragende tausendfache Kontakte. Es gibt tausendfache Partnerschaften, hundertfache Partnerschaften, von heute polnischen Städten mit den aus diesen Städten vertriebenen Deutschen, und in diesen Städten haben sich auch die Bürgermeister und dann die Landräte, die Woiwoden überhaupt nicht von Warschau beeindrucken lassen. Ich glaube, da ist auch der Weg der Zukunft – wenn es von oben nicht geht, dann muss es von unten nach oben wachsen. Und der gute Wille von sehr vielen Polen ist da, genauso wie der gute Wille natürlich von Seiten der deutschen Heimatvertriebenen vorhanden ist. Wir wollen ein gutes Miteinander mit unseren Nachbarn, wir wollen ein versöhntes Europa, in dem die Völker friedlich auch miteinander umgehen, wo man aber auch füreinander Mitgefühl empfindet über die jeweiligen Schicksale. Und die persönlichen Gespräche von deutschen Vertriebenen mit polnischen Ostvertriebenen, die machen auch das Verständnis füreinander plastischer und lebendiger, und man kann sich sehr viel leichter in die anderen hineinversetzen. Also da gibt es sehr viel gutes Miteinander.
Hanselmann: Zum Konzept der Bundesregierung für ein Dokumentationszentrum zum Schicksal der Vertriebenen war das Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen. Vielen Dank.
Steinbach: Ich bedanke mich auch, einen schönen Tag noch.
Erika Steinbach: Nein, ich war nicht überrascht, ich wusste, dass die Vorbereitungen sehr weit gediehen sind, denn ich war im Vorfeld der Planung sehr intensiv mit eingebunden.
Hanselmann: Sind Sie zufrieden mit dem, was geplant ist?
Steinbach: Es ist ein gutes Konzept, auch das Gebäude, das ausgewählt wurde, ist ein Gebäude, was denkbar gut geeignet ist. Die Lage ist ausgezeichnet, das Fragment des Anhalter Bahnhofs gegenüber ist sozusagen schon fast ein Symbol für Flucht und Vertreibung. Es ist ja ein Trümmerstück, was da steht. Und in dem Gebäude selber haben über Jahrzehnte Landsmannschaften und Landesverbände des Bundes der Vertriebenen ihren Sitz gehabt. Der Berliner Landesverband des Bundes der Vertriebenen sitzt heute noch darin.
Hanselmann: Sie haben gesagt, Sie waren im Vorfeld mit eingebunden. Hat man mit Ihnen auch persönlich über diese Pläne für die Zukunft schon gesprochen?
Steinbach: Ja, selbstverständlich, über das Projekt, über die Planung und wie es sich gestalten soll, welche Liegenschaften dort dafür geeignet sind. Und das ist eigentlich das normale Verfahren, so wie man bei allen Einrichtungen, die zu Opfergruppen gestaltet werden seitens der Bundesregierung, bisher auch verfahren ist. Also zurzeit aktuell auch die Frage, wie soll das Denkmal für die Sinti und Roma aussehen. Da sind natürlich die Betroffenen die wichtigsten Gesprächspartner überhaupt.
Hanselmann: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hat andererseits ausdrücklich betont, dass Ihre Organisation, der Bund der Vertriebenen, keine führende Rolle bei der Konzeption des Zentrums spielen wird. Ist das für Sie in Ordnung?
Steinbach: Ja, das trifft einfach nicht zu. Denn wenn man die Erklärungen der Bundeskanzlerin liest, schon am 18. Juli ist es veröffentlicht worden, nachdem ein Gespräch mit dem Präsidium des Bundes der Vertriebenen im Bundeskanzleramt stattgefunden hat, dass die Bundeskanzlerin und ich uns darüber einig sind, dass in dieses sichtbare Zeichen zur Dokumentation der Vertreibung der Bund der Vertriebenen und auch das Zentrum gegen Vertreibung selbstverständlich eingebunden sind und in den Organisationen vertreten sein werden. Und das ist auch ein normaler Vorgang.
Hanselmann: Warum sagt Wolfgang Thierse dann so was?
Steinbach: Da ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Er tut sich insgesamt ja mit dem Projekt sehr schwer, was ich bedauere, denn es gibt zahllose Sozialdemokraten, die sich nichts sehnlicher wünschen, als dass dieses Projekt endlich unter Dach und Fach kommt. Wir haben hier seitens unserer Stiftung unter den Patenstädten in Deutschland sehr viele Städte, die sozialdemokratische Oberbürgermeister haben, zum Beispiel Aschaffenburg, zum Beispiel Darmstadt, zum Beispiel Langen. Die möchten, dass dieses Dokumentationszentrum realisiert wird. Und vor dem Hintergrund ist es im Grunde genommen unverständlich, denn es ist auch ein sozialdemokratisches Thema.
Hanselmann: Ich muss dann doch noch mal auf eine Äußerung von Wolfgang Thierse zu sprechen kommen. Er sagt, das Konzept soll von einem international besetzten Symposium von Wissenschaftlern erarbeitet werden, und die Erfahrungen deutscher Heimatvertriebener, die würden in beratenden Gremien berücksichtigt. Werden Sie in solch einem beratenden Gremium sein und werden Sie damit zufrieden sein?
Steinbach: Eine Stiftung hat immer wichtige Beratungsgremien, und dann sind es auch Entscheidungsgremien. Also wer in den Entscheidungsgremien mitsitzt, der kann auch den Weg einer Einrichtung mitbestimmen, und ich gehe davon aus, dass auch die Vertriebenen in diesen wichtigen Gremien repräsentativ mitarbeiten werden.
Hanselmann: Und dann auch Entscheidungen mittragen?
Steinbach: Selbstverständlich.
Hanselmann: Für das kommende Jahr ist ein Planungsbudget von 1,2 Millionen Euro vorgesehen, der Gedenkort soll komplett vom Bund finanziert werden. Was halten Sie davon?
Steinbach: Das ist gut, dass die Bundesregierung das jetzt zu ihrer Aufgabe gemacht hat. Wir haben ja, mit unserer Stiftung "Zentrum gegen Vertreibung" waren wir sozusagen Initialzündung seit dem Jahre 2000, hätten auch versucht, das aus eigenen Kräften auf die Beine zu bringen, aber es ist natürlich ein finanzieller Kraftakt, und letzten Endes ist es eine staatliche Aufgabe, das Schicksal von so vielen Menschen - wenn Sie schauen, alleine in Hessen sind ein Drittel der Bewohner Vertriebene und Abkömmlinge von Vertriebenen. In anderen Ländern, in Schleswig-Holstein ist der Anteil noch höher. Das heißt, es ist ein wesentlicher Teil unserer deutschen Identität, deutscher Geschichte und deutscher Schicksale. Und vor dem Hintergrund ist es natürlich auch eine staatliche Aufgabe. Und ich begrüße nachdrücklich, dass die Bundesregierung sich dieser Aufgabe angenommen hat und dass es die Bundeskanzlerin sehr persönlich auch zu ihrem Anliegen gemacht hat, wie ja bei unserer Geburtstagsfeier deutlich wurde.
Hanselmann: Eine wichtige Rolle spielen natürlich auch die osteuropäischen Nachbarn dabei, und das Haus soll im Dialog mit denselben entstehen. In Polen hat es ja gerade einen politischen Richtungswechsel gegeben. Welches Verhältnis des Bundes der Vertriebenen zu den polnischen Nachbarn sehen Sie für die Zukunft?
Steinbach: In der Gegenwart kann man sagen, war das Verhältnis in Richtung Warschau kein Verhältnis, sondern es gab eigentlich keine wirklichen Verbindungen, sondern es gab sehr viele Feindseligkeiten aus Warschau gegenüber den Vertriebenen. Aber von Mensch zu Mensch, das ist natürlich das Erfreuliche an der Sache, gab es und gibt es hervorragende tausendfache Kontakte. Es gibt tausendfache Partnerschaften, hundertfache Partnerschaften, von heute polnischen Städten mit den aus diesen Städten vertriebenen Deutschen, und in diesen Städten haben sich auch die Bürgermeister und dann die Landräte, die Woiwoden überhaupt nicht von Warschau beeindrucken lassen. Ich glaube, da ist auch der Weg der Zukunft – wenn es von oben nicht geht, dann muss es von unten nach oben wachsen. Und der gute Wille von sehr vielen Polen ist da, genauso wie der gute Wille natürlich von Seiten der deutschen Heimatvertriebenen vorhanden ist. Wir wollen ein gutes Miteinander mit unseren Nachbarn, wir wollen ein versöhntes Europa, in dem die Völker friedlich auch miteinander umgehen, wo man aber auch füreinander Mitgefühl empfindet über die jeweiligen Schicksale. Und die persönlichen Gespräche von deutschen Vertriebenen mit polnischen Ostvertriebenen, die machen auch das Verständnis füreinander plastischer und lebendiger, und man kann sich sehr viel leichter in die anderen hineinversetzen. Also da gibt es sehr viel gutes Miteinander.
Hanselmann: Zum Konzept der Bundesregierung für ein Dokumentationszentrum zum Schicksal der Vertriebenen war das Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen. Vielen Dank.
Steinbach: Ich bedanke mich auch, einen schönen Tag noch.