Ein Streit unter Philosophen

14.10.2008
Zwei Philosophen treffen aufeinander, gehen ein Stück ihres Lebensweges gemeinsam, diskutieren und zerstreiten sich - und mit dabei ist immer der Hund. David Edmonds und John Eidinow beschreiben in "Rousseaus Hund" die philosophischen Lebenswelten von David Hume und Jean-Jacques Rousseau und den Bruch einer kurzen, intensiven Männerfreundschaft.
Mit dem Gespür von Drehbuchautoren schildern die Verfasser von "Rousseaus Hund", wie im vorrevolutionären Paris zwei berühmte Männer aufeinandertreffen, um ihre Schicksale für kurze Zeit auf widersprüchlichste Weise miteinander zu verbinden. Zwei Männer, wie sie zudem unterschiedlicher nicht sein könnten.

Da ist der schottische Philosoph, Ökonom und Historiker David Hume, in diplomatischer Mission in Paris und von den Zirkeln der "republique des lettres" so verehrt, dass ihm seine Zeit in der französischen Hauptstadt für immer als die glücklichste seines Lebens erscheinen wird. Und da ist der Philosoph, Komponist, Schriftsteller und Pädagoge Jean-Jacques Rousseau, mit Haftbefehl des Pariser Parlaments gesucht, in seinen eigenen Worten ein "Gottloser, ein Atheist, ein Besessener, ein Rasender, ein wildes Tier, ein Wolf".

Hume, ausgeglichen und für seine Großherzigkeit und Güte berühmt, bietet mit Rousseau, einer der in Europa umstrittensten intellektuellen Figuren der 1760er Jahre, seine Hilfe an: Ob denn Rousseau nicht in England Asyl beziehen wolle? Dieser will, und mit dem streitlustigen Anti-Kleriker reisen seine Dauer-Geliebte, das ehemalige Pariser Küchenmädchen Thérèse Levasseur, und Rousseaus Hund.

Doch der Titel des Buches spielt nicht nur auf den heißgeliebten Vierbeiner Sultan an, der die Irrfahrten seines Herrn durch Frankreich, die Schweiz und England treu begleitete, sondern auch auf eine Formulierung von Friedrich Melchior Grimm, Herausgeber der Correspondance litteraire:

"Es scheint bewiesen, dass er einen Gefährten hat, der ihn nirgends zur Ruhe kommen läßt."

Gemeint war mit diesem "Schatten" aber nicht der treue Sultan, sondern die tiefe Überzeugung Rousseaus, die Welt stünde ihm feindlich gegenüber. Dieser zweite "Hund" des franko-eidgenössischen Ungleichheitsforschers ist die eigentliche Schlüsselfigur des Buches.

Mit ihrer Hilfe versuchen die Autoren, den Streit zu erklären, der alsbald zwischen den Hume und Rousseau ausbricht. Dieser, Autor so erfolgreicher Werke wie "Julie oder die neue Héloise", "Der Gesellschaftsvertrag" und "Emile", fühlte sich nämlich rasch auch von jenem verfolgt.

Rousseau fühlte sich insbesondere durch einen in Paris in Umlauf gebrachten Brief verspottet, der mit dem Namen des preußischen Königs unterzeichnet war, und behauptete nun, dieser stamme aus Humes Feder. Dabei war es in der gebildeten Gesellschaft durchaus kein Geheimnis, dass der Verfasser Horace Walpole hieß. Dessen Satire traf bei Rousseau einen wunden Punkt:

"Ich bin König und kann Sie so tief ins Unglück stürzen, wie Sie es sich nur wünschen. Aber ich werde - anders als Ihre Feinde - aufhören, Sie zu verfolgen, sobald Sie aufhören, Ihren Ruhm darin zu sehen, verfolgt zu werden."

Rousseau war, so beschreiben es die berühmtesten Zeitzeugen, verschroben, unglücklich, überspannt, eitel, rachsüchtig, über die Maßen Stolz, egozentrisch und schwierig.

Doch warum, so fragen Edmonds und Eidinow, sprang der gutmütige Hume so auf diese Verleumdung an? Aus Angst vor Rousseaus wortgewaltiger Rhetorik?

Die Autoren attestieren Hume, dem Verfasser des "Traktat über die menschliche Natur", "überreagiert" zu haben. Sie meinen, auch ihn habe die Vernunft dabei im Stich gelassen, und sie ziehen nicht genügend in Betracht, dass es einem diskreten, leisen, analytischen Geist wie Hume vielleicht einfach zuwider war, sich in eine erzwungene, vollkommen sinnlose Auseinandersetzung verwickelt zu sehen. Womöglich fürchtete er einfach, am Ende im letzten Band von Rousseaus "Bekenntnissen" unvorteilhaft geschildert zu werden.

Rezensiert von Wiebke Hüster

David Edmonds/John Eidinow: Rousseaus Hund
Zwei Philosophen, ein Streit und das Ende aller Vernunft

Übersetzt von Sonja Finck
DVA, München, 2008
366 Seiten, 21,95 Euro