Ein Sporthasser bei den Paralympics

Von Jörg Taszman · 14.10.2013
Der Regisseur Niko von Glasow hasst Sport. Trotzdem hat er den Film "Mein Weg nach Olympia" gedreht. Er freundete sich dabei unter anderem mit einer einbeinigen Schwimmerin an. Und plötzlich erwischte er sich beim Anfeuern und Mitjubeln.
So kann man als Filmemacher auch das Eis brechen. Man provoziert und mimt den Clown. Niko von Glasow war vor den Dreharbeiten eingefleischter Sporthasser und selber im höchsten Maße unsportlich. Ausgestattet mit einer gesunden Portion Selbstironie, macht er sich beim Versuch, mit seinen Protagonisten zu trainieren, dann auch gerne zum Affen. Beim Tischtennis mit der einarmigen Aida Husic Dahlen aus Norwegen trifft er kaum einen Ball. Niko von Glasow bringt sich bewusst auch als Protagonist in seinem Film ein.

"Vielleicht bin ich wirklich ein Komiker. Ich habe diese zwei Seiten in mir. Ich habe manchmal eine große Traurigkeit in mir und in meinen Filmen habe ich die große Möglichkeit, diese Traurigkeit in Humor zu verwandeln."

Natürlich ist eine Prise Klamauk nur ein Element der raffinierten Interviewtechnik von Niko von Glasow. Er fordert seinen Protagonisten in den Gesprächen heraus. In einer sehr schönen Szene frühstückt er auf einem Balkon mit der einbeinigen, deutschen Schwimmerin Christiane Reppe.

"Miss Perfekt mit einem Bein."

"Ich bin nicht Miss Perfekt. Man muss mit dem arbeiten, was man hat. Wenn das gar keine Probleme wären... Ich habe Momente, wo ich denke: Scheiße ich habe nur ein Bein. Klar, die hat jeder irgendwo."

"Nö, nicht jeder hat nur ein Bein."

Es ist diese gewisse Respektlosigkeit, die Niko von Glasows Film auszeichnet. Der Filmemacher portraitiert neben Christiane und Aida noch den vom Hals abwärts gelähmten griechischen Boccia-Champion Greg Polychronidis, den armlosen US-amerikanischen Bogenschützen Matt Stutzman und das Sitting-Volleyball-Team aus Ruanda. Und Niko von Glasow ist bereit, Vorurteile zu revidieren.

"Wie ich den Film angefangen habe, dachte ich, Sportler sind im Kopf irgendwie ein bisschen doof. Tun den ganzen Tag üben und Sport betreiben. Dann habe ich diese ganzen Athleten auf der ganzen Welt kennen gelernt und gemerkt, das stimmt einfach nicht. Sportler, gerade Spitzensportler, müssen auch richtig was im Kopf haben. Ich habe mich mit ihnen befreundet und durch die Freundschaft, wurde es für mich auch spannend dann."

"Die Paralympics waren für mich die tollere Party"
Gerade im letzten Drittel des Films, wenn die Athleten dann bei den Paralympics um Medaillen kämpfen, fiebert Niko von Glasow plötzlich leidenschaftlich mit seinen Sportlern mit, überträgt die Spannung, den Jubel, die Tränen auch auf den Zuschauer. Und diese Nähe führt beim Filmemacher auch zu neuen Erkenntnissen.

"Ich dachte vor meinem Film, da gibt es die große Party für die Normalen und paar Wochen später wird die kleine Party gemacht, wo da die Behinderten auch ein bisschen rennen dürfen und sozusagen die Nichtbehinderten dazu klatschen. Was ich erlebt habe, war genau das Gegenteil. Die Paralympics waren für mich die viel tollere Party. Da ging es wirklich um Sport, um Völkerverständigung. Da ging es wirklich um Freundschaft."

Natürlich ist dieser Film mehr als nur ein Film über den Behindertensport. Es geht auch darum, welche Ängste und Unsicherheiten es zwischen den sogenannten Normalen und den sogenannten Behinderten auf beiden Seiten gibt. Mit seinem Humor bricht der Filmemacher Vorurteile auf und ermöglicht auch komplexe Einblicke. "Mein Weg nach Olympia" ist aber vor allem ein erfrischend politisch unkorrekter Dokumentarfilm, der Sportfans , Sportmuffel und auch den ganz gewöhnlichen Filmliebhaber wunderbar unterhalten kann.

Der Film "Mein Weg nach Olympia" kommt am 17. Oktober in die Kinos.

Mehr zum Thema:
Aus dem Schaufenster in den Schatten?
Gold - Du kannst mehr als du denkst