"Ein Spiegelbild der Gesellschaft"
Nach der Gedenkfeier für die Opfer der Neonazi-Mordserie bleibt für den deutsch-türkischen Comedian Murat Topal ein "fahler Beigeschmack", wie "so was passieren kann". Zugleich äußert er sich über die Rolle der Polizei und bezweifelt, "dass die in allen Teilen neutral ist".
Frank Meyer: Bei der Gedenkfeier für die Opfer der Rechtsextremisten war gestern auch Murat Topal dabei, ein deutsch-türkischer Berliner, heute ein Comedian, vorher war er zehn Jahre lang bei der Berliner Polizei. Seit 2008 engagiert er sich in einem Anti-Gewalt-Projekt an Kreuzberger Schulen, und wir haben ihn jetzt unterwegs erreicht. Guten Tag, Herr Topal!
Murat Topal: Hallo, Herr Meyer, hallo!
Meyer: Sie waren gestern bei der Gedenkfeier in Berlin dabei. Wie haben Sie diese Feier denn erlebt?
Topal: Zum einen auf jeden Fall ausgesprochen bewegend, muss ich sagen. Also in meinem Fall zumindest mal, ich hatte die ganze Zeit Gänsehaut, und es standen einem zwischenzeitlich so auch wirklich die Tränen in den Augen. Ich fand die Rede der Kanzlerin auf jeden Fall gut gewählt, und ich fand es auch gut, dass sie so öffentlich zum einen sich eben entschuldigt hat – sie hat ja wirklich um Verzeihung gebeten auch –, sicherlich bleibt trotzdem natürlich immer so ein bisschen so ein fahler Beigeschmack, dass man sagt: Okay, nach so vielen Jahren die Frage, wie so was passieren kann oder warum, bleibt natürlich immer noch bestehen.
Meyer: Meinen Sie jetzt mit fahler Beigeschmack auch die Frage, ist das wirklich ernst gemeint, was Sie da gestern erlebt haben?
Topal: Man darf die Dinge, glaube ich, nicht so in der Form hinterfragen, weil ansonsten, wenn man überhaupt nicht mehr darauf vertraut, dass Dinge wirklich – sage ich mal – in dem Moment ernst gemeint sind, dann ist halt die Frage, wohin geht die Reise. Ich glaube schon, also ich gehe mal davon aus, dass es wirklich ernst gemeint war – vielleicht etwas spät, aber lieber spät als nie, wie man so schön sagt.
Und es gibt natürlich auch, gab ja auch immer kritische Stimmen, die gesagt haben, na ja, das ist eher so eine Prestigeveranstaltung, ich glaube aber, dass dort die Anwesenden, dass die das schon berührt hat, und die Angehörigen, dass es denen, glaube ich, auch zumindest so ein bisschen eine kleine Genugtuung war, halt da öffentlich auch mal ihre Gefühle äußern zu können, das Empfinden, wie sie das halt so wahrgenommen haben, die ganze Geschichte.
Meyer: Eine der Angehörigen, die dort gesprochen haben, war Semiya Simsek, deren Vater ermordet wurde. Und sie hat ja in ihrer Rede dort die Frage gestellt: Bin ich in Deutschland eigentlich zu Hause? Sie hat selbst gesagt: Ja, klar bin ich das, aber wie soll ich mir dessen noch gewiss sein, wenn es Menschen gibt, die mich hier nicht haben wollen? Wie haben Sie diesen Satz oder diese Zweifel gehört, diese Frage, bin ich in Deutschland zu Hause, bin ich hier gewollt?
Topal: Na ja, das bringt es im Prinzip auf den Punkt, das ist ja sozusagen dieser tragische Umstand, dass es halt – ich glaube, dass diese Frage grundsätzlich immer bestand oder schon lange besteht. Ich glaube, diese tragischen Ereignisse haben das jetzt nur noch mal deutlich gemacht, halt auch wirklich in der Öffentlichkeit, dass man sagen kann, gut, okay, es gibt tatsächlich wirklich diesen pauschalisierten Hass gegenüber Menschen, die halt einfach fremde Wurzeln haben, obwohl sie trotzdem genau zum Teil der deutschen Gesellschaft gehören wie alle andern auch.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sprechen mit Murat Topal, heute Comedian, früher Polizist in Berlin-Kreuzberg. Bei der Gedenkfeier gestern, das ist aufgefallen, hat niemand vonseiten der Polizei gesprochen, obwohl die ja eine ganz entscheidende Rolle gespielt hat bei den Taten der Zwickauer Zelle. Hatten Sie das erwartet, haben Sie das vermisst?
Topal: Es hat mich, ehrlich gesagt, jetzt nicht überrascht. Die Frage wäre halt gewesen, wer soll das übernehmen, er übernimmt dann damit automatisch gleich wieder eine Verantwortung. Ich denke mal, das war in dem Fall stellvertretend von der Kanzlerin für alle.
Meyer: Es ist ja viel die Rede gewesen von den Fahndungspannen, die passiert sind bei der Verfolgung dieser Mordtaten, oder es war von schlimmerem die Rede im Blick auf die Polizei. Jetzt ist die Frage aufgeworfen worden, wie ausländerfeindlich ist vielleicht doch die deutsche Polizei in Teilen? Sie sind ja selbst zehn Jahre Polizist gewesen in Berlin-Kreuzberg. Wie haben Sie das da erlebt, gab es in Ihrer Zeit Ausländerfeindlichkeit bei der Polizei?
Topal: Ja, das ist natürlich immer ein sehr, sehr schwieriges und komplexes Thema. Jetzt müsste man Ausländerfeindlichkeit definieren. Ich würde es vielleicht anders formulieren, ich würde in meinem Fall jetzt die Berliner Polizei nicht grundsätzlich als ausländerfeindlich bezeichnen, aber es wäre sicherlich auch gelogen, wenn man sagen würde, dass die in allen Teilen neutral ist, und genau so offen sich dieser Pauschalisierung nicht so hingibt.
Letztendlich sind die Menschen, die bei der Polizei oder als Polizeibeamte arbeiten – auch wenn der Anspruch ein anderer sein sollte, auch bloß ein Spiegelbild der Gesellschaft. Und da ist es natürlich immer einfacher, wenn man zehn Negativbeispiele halt erlebt mit Menschen, woher auch immer, dann irgendwann zu sagen, ach, na ja, so sind sie halt, als tatsächlich, wie es eigentlich sein soll, die Menschen als Individuum zu betrachten und gewisse Verhaltensweisen weder auf seine Herkunft noch auf seine kulturellen Einflüsse oder religiösen zurückzuführen.
Meyer: Es gibt ja auch Programme inzwischen gegen Rassismus, gegen Ausländerfeindlichkeit bei der Polizei. Haben sie damit Erfahrung gemacht, auch mit der Wirkung von solchen Programmen?
Topal: Dazu kann ich, ehrlich gesagt, nichts sagen. Ich habe halt immer dann eher meine eigenen in Anführungsstrichen "Kämpfe" ausfechten müssen. Es war schon so, dass man auch innerhalb des Kollegenkreises natürlich immer gespürt hat, okay, man muss sich erst mal so eine gewisse Neutralität erarbeiten, sage ich mal, um auf so ein gleiches Level zu kommen wie alle anderen auch. Und da gab es dann natürlich auch viele Einzelsituationen, wo man dann gespürt hat, Mensch, ja, hier keimt jetzt grade so eine Ablehnung auf, und dann kam da immer so dieser Standardsatz: Na ja, Murat, aber weißt ja, wie es gemeint ist, ja?
Meyer: Wir meinen ja nicht dich, sondern die anderen?
Topal: Ja, genau, wir meinen ja nicht dich, sondern die anderen. Das war halt müßig auch, zum Teil dann immer wieder dagegen anzukämpfen (…) zu sagen, ja doch, im Prinzip meint ihr ja auch mich, weil ihr es als grundsätzlich empfindet oder halt die Menschen so behandelt, und dafür gibt es leider zu viele Beispiele. Wobei ich natürlich auch sagen muss, dass es nicht einfach ist, es ist halt eine schwierige Aufgabe, sich dem nicht hinzugeben, weil es sicherlich auch irgendwo ja bequemer ist vielleicht, ja?
Meyer: Ich weiß nicht, ob Sie noch Kontakte haben, intensive Kontakte zu Ex-Kollegen von Ihnen, die noch bei der Polizei sind. Hören Sie da etwas, ob sich in dieser Hinsicht etwas verändert hat? Also zum Beispiel junge Deutschtürken, die heute zur Polizei gehen, ob die es leichter haben, als Sie es damals hatten?
Topal: Also nach den Rückmeldungen sag’ ich mal, die ich so bekomme, ist es im Moment zumindest leider nicht so. Es ist tatsächlich so geblieben, es hat sich vielleicht sogar noch ein bisschen verschärft, ja? Ich meine, es sind mehr Kollegen, die irgendwo in irgendeinem anderen Land verwurzelt sind, mittlerweile ja alles deutsche Staatsbürger, aber eben andere Wurzeln haben. Ich kriege da öfter mal auch eine Mail von Leuten, die ich nicht kenne, die so ein bisschen damit zu kämpfen haben und ratlos sind und mich dann im Prinzip um Rat fragen, wie ich halt damals damit umgegangen bin. Also es ist offenbar leider immer noch so, dass halt diese Meinungsbilder existieren.
Meyer: Können Sie denen was raten, den jungen Kollegen von heute?
Topal: Ich selber habe es immer eher noch als Ansporn empfunden, keine Angriffsfläche zu bieten, sage ich mal, und entsprechend einen anständigen Job zu machen und halt mit dem eigenen Beispiel aufzuzeigen, dass es eben nicht so ist, dass die, wer auch immer, dass es bei denen so ist, quasi, auch wenn es, wie gesagt, sehr schwer ist. Und ich kann auch nachvollziehen, dass da junge Leute dann auch resignieren. Und das ist sehr frustrierend, und das ist, glaube ich, auch einfach das Problem, woran unsere Gesellschaft insgesamt krankt. Und leider haben ja gewisse Dinge wie zum Beispiel ein bestimmtes Buch auch aufgezeigt, dass viele Menschen auch empfänglich dafür sind.
Meyer: Sie meinen das Buch von Thilo Sarrazin?
Topal: Genau, es ist eine Pauschalisierung letztendlich.
Meyer: Aber was Sie jetzt erzählen von der Situation bei der Berliner Polizei, das zeigt doch eigentlich, dass noch lange nicht genug getan wird gegen Fremdenfeindlichkeit bei der Polizei.
Topal: Na, es wird grundsätzlich nicht genug getan, auf beiden Seiten. Zum einen, als deutsche Gesellschaft wirklich wieder so einen Schulterschluss, so enger zusammenrückt und dann wiederum auch einen Anreiz für alle darstellt, die halt in dieser Gesellschaft sich befinden und auch Teil dessen zu sein, gerade im Hinblick auch so die jüngeren Menschen, weil nur dann kann ich, glaube ich, Dinge konsequent auch einfordern, die dann nötig sind, und einfach Menschen, die halt da sind, auch wirklich als diesen Teil anzunehmen. Und die Ansprache von der jungen Frau hat ja eben auch gezeigt, es gibt so viele, die sich eigentlich diese Frage nie gestellt haben, die sich eigentlich hier zu Hause gefühlt haben und mittlerweile tatsächlich nicht mehr wissen: Will oder kann ich hier noch leben?
Meyer: Fremdenfeindlichkeit bei der Polizei und die Gedenkfeier für die Opfer der Rechtsextremisten. Ganz herzlichen Dank an Murat Topal, Kabarettist und Ex-Polizist! Und sie bitten wir, die schlechte Qualität der Telefonleitungen zu entschuldigen, wir haben Murat Topal nur unterwegs erreichen können.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Murat Topal: Hallo, Herr Meyer, hallo!
Meyer: Sie waren gestern bei der Gedenkfeier in Berlin dabei. Wie haben Sie diese Feier denn erlebt?
Topal: Zum einen auf jeden Fall ausgesprochen bewegend, muss ich sagen. Also in meinem Fall zumindest mal, ich hatte die ganze Zeit Gänsehaut, und es standen einem zwischenzeitlich so auch wirklich die Tränen in den Augen. Ich fand die Rede der Kanzlerin auf jeden Fall gut gewählt, und ich fand es auch gut, dass sie so öffentlich zum einen sich eben entschuldigt hat – sie hat ja wirklich um Verzeihung gebeten auch –, sicherlich bleibt trotzdem natürlich immer so ein bisschen so ein fahler Beigeschmack, dass man sagt: Okay, nach so vielen Jahren die Frage, wie so was passieren kann oder warum, bleibt natürlich immer noch bestehen.
Meyer: Meinen Sie jetzt mit fahler Beigeschmack auch die Frage, ist das wirklich ernst gemeint, was Sie da gestern erlebt haben?
Topal: Man darf die Dinge, glaube ich, nicht so in der Form hinterfragen, weil ansonsten, wenn man überhaupt nicht mehr darauf vertraut, dass Dinge wirklich – sage ich mal – in dem Moment ernst gemeint sind, dann ist halt die Frage, wohin geht die Reise. Ich glaube schon, also ich gehe mal davon aus, dass es wirklich ernst gemeint war – vielleicht etwas spät, aber lieber spät als nie, wie man so schön sagt.
Und es gibt natürlich auch, gab ja auch immer kritische Stimmen, die gesagt haben, na ja, das ist eher so eine Prestigeveranstaltung, ich glaube aber, dass dort die Anwesenden, dass die das schon berührt hat, und die Angehörigen, dass es denen, glaube ich, auch zumindest so ein bisschen eine kleine Genugtuung war, halt da öffentlich auch mal ihre Gefühle äußern zu können, das Empfinden, wie sie das halt so wahrgenommen haben, die ganze Geschichte.
Meyer: Eine der Angehörigen, die dort gesprochen haben, war Semiya Simsek, deren Vater ermordet wurde. Und sie hat ja in ihrer Rede dort die Frage gestellt: Bin ich in Deutschland eigentlich zu Hause? Sie hat selbst gesagt: Ja, klar bin ich das, aber wie soll ich mir dessen noch gewiss sein, wenn es Menschen gibt, die mich hier nicht haben wollen? Wie haben Sie diesen Satz oder diese Zweifel gehört, diese Frage, bin ich in Deutschland zu Hause, bin ich hier gewollt?
Topal: Na ja, das bringt es im Prinzip auf den Punkt, das ist ja sozusagen dieser tragische Umstand, dass es halt – ich glaube, dass diese Frage grundsätzlich immer bestand oder schon lange besteht. Ich glaube, diese tragischen Ereignisse haben das jetzt nur noch mal deutlich gemacht, halt auch wirklich in der Öffentlichkeit, dass man sagen kann, gut, okay, es gibt tatsächlich wirklich diesen pauschalisierten Hass gegenüber Menschen, die halt einfach fremde Wurzeln haben, obwohl sie trotzdem genau zum Teil der deutschen Gesellschaft gehören wie alle andern auch.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sprechen mit Murat Topal, heute Comedian, früher Polizist in Berlin-Kreuzberg. Bei der Gedenkfeier gestern, das ist aufgefallen, hat niemand vonseiten der Polizei gesprochen, obwohl die ja eine ganz entscheidende Rolle gespielt hat bei den Taten der Zwickauer Zelle. Hatten Sie das erwartet, haben Sie das vermisst?
Topal: Es hat mich, ehrlich gesagt, jetzt nicht überrascht. Die Frage wäre halt gewesen, wer soll das übernehmen, er übernimmt dann damit automatisch gleich wieder eine Verantwortung. Ich denke mal, das war in dem Fall stellvertretend von der Kanzlerin für alle.
Meyer: Es ist ja viel die Rede gewesen von den Fahndungspannen, die passiert sind bei der Verfolgung dieser Mordtaten, oder es war von schlimmerem die Rede im Blick auf die Polizei. Jetzt ist die Frage aufgeworfen worden, wie ausländerfeindlich ist vielleicht doch die deutsche Polizei in Teilen? Sie sind ja selbst zehn Jahre Polizist gewesen in Berlin-Kreuzberg. Wie haben Sie das da erlebt, gab es in Ihrer Zeit Ausländerfeindlichkeit bei der Polizei?
Topal: Ja, das ist natürlich immer ein sehr, sehr schwieriges und komplexes Thema. Jetzt müsste man Ausländerfeindlichkeit definieren. Ich würde es vielleicht anders formulieren, ich würde in meinem Fall jetzt die Berliner Polizei nicht grundsätzlich als ausländerfeindlich bezeichnen, aber es wäre sicherlich auch gelogen, wenn man sagen würde, dass die in allen Teilen neutral ist, und genau so offen sich dieser Pauschalisierung nicht so hingibt.
Letztendlich sind die Menschen, die bei der Polizei oder als Polizeibeamte arbeiten – auch wenn der Anspruch ein anderer sein sollte, auch bloß ein Spiegelbild der Gesellschaft. Und da ist es natürlich immer einfacher, wenn man zehn Negativbeispiele halt erlebt mit Menschen, woher auch immer, dann irgendwann zu sagen, ach, na ja, so sind sie halt, als tatsächlich, wie es eigentlich sein soll, die Menschen als Individuum zu betrachten und gewisse Verhaltensweisen weder auf seine Herkunft noch auf seine kulturellen Einflüsse oder religiösen zurückzuführen.
Meyer: Es gibt ja auch Programme inzwischen gegen Rassismus, gegen Ausländerfeindlichkeit bei der Polizei. Haben sie damit Erfahrung gemacht, auch mit der Wirkung von solchen Programmen?
Topal: Dazu kann ich, ehrlich gesagt, nichts sagen. Ich habe halt immer dann eher meine eigenen in Anführungsstrichen "Kämpfe" ausfechten müssen. Es war schon so, dass man auch innerhalb des Kollegenkreises natürlich immer gespürt hat, okay, man muss sich erst mal so eine gewisse Neutralität erarbeiten, sage ich mal, um auf so ein gleiches Level zu kommen wie alle anderen auch. Und da gab es dann natürlich auch viele Einzelsituationen, wo man dann gespürt hat, Mensch, ja, hier keimt jetzt grade so eine Ablehnung auf, und dann kam da immer so dieser Standardsatz: Na ja, Murat, aber weißt ja, wie es gemeint ist, ja?
Meyer: Wir meinen ja nicht dich, sondern die anderen?
Topal: Ja, genau, wir meinen ja nicht dich, sondern die anderen. Das war halt müßig auch, zum Teil dann immer wieder dagegen anzukämpfen (…) zu sagen, ja doch, im Prinzip meint ihr ja auch mich, weil ihr es als grundsätzlich empfindet oder halt die Menschen so behandelt, und dafür gibt es leider zu viele Beispiele. Wobei ich natürlich auch sagen muss, dass es nicht einfach ist, es ist halt eine schwierige Aufgabe, sich dem nicht hinzugeben, weil es sicherlich auch irgendwo ja bequemer ist vielleicht, ja?
Meyer: Ich weiß nicht, ob Sie noch Kontakte haben, intensive Kontakte zu Ex-Kollegen von Ihnen, die noch bei der Polizei sind. Hören Sie da etwas, ob sich in dieser Hinsicht etwas verändert hat? Also zum Beispiel junge Deutschtürken, die heute zur Polizei gehen, ob die es leichter haben, als Sie es damals hatten?
Topal: Also nach den Rückmeldungen sag’ ich mal, die ich so bekomme, ist es im Moment zumindest leider nicht so. Es ist tatsächlich so geblieben, es hat sich vielleicht sogar noch ein bisschen verschärft, ja? Ich meine, es sind mehr Kollegen, die irgendwo in irgendeinem anderen Land verwurzelt sind, mittlerweile ja alles deutsche Staatsbürger, aber eben andere Wurzeln haben. Ich kriege da öfter mal auch eine Mail von Leuten, die ich nicht kenne, die so ein bisschen damit zu kämpfen haben und ratlos sind und mich dann im Prinzip um Rat fragen, wie ich halt damals damit umgegangen bin. Also es ist offenbar leider immer noch so, dass halt diese Meinungsbilder existieren.
Meyer: Können Sie denen was raten, den jungen Kollegen von heute?
Topal: Ich selber habe es immer eher noch als Ansporn empfunden, keine Angriffsfläche zu bieten, sage ich mal, und entsprechend einen anständigen Job zu machen und halt mit dem eigenen Beispiel aufzuzeigen, dass es eben nicht so ist, dass die, wer auch immer, dass es bei denen so ist, quasi, auch wenn es, wie gesagt, sehr schwer ist. Und ich kann auch nachvollziehen, dass da junge Leute dann auch resignieren. Und das ist sehr frustrierend, und das ist, glaube ich, auch einfach das Problem, woran unsere Gesellschaft insgesamt krankt. Und leider haben ja gewisse Dinge wie zum Beispiel ein bestimmtes Buch auch aufgezeigt, dass viele Menschen auch empfänglich dafür sind.
Meyer: Sie meinen das Buch von Thilo Sarrazin?
Topal: Genau, es ist eine Pauschalisierung letztendlich.
Meyer: Aber was Sie jetzt erzählen von der Situation bei der Berliner Polizei, das zeigt doch eigentlich, dass noch lange nicht genug getan wird gegen Fremdenfeindlichkeit bei der Polizei.
Topal: Na, es wird grundsätzlich nicht genug getan, auf beiden Seiten. Zum einen, als deutsche Gesellschaft wirklich wieder so einen Schulterschluss, so enger zusammenrückt und dann wiederum auch einen Anreiz für alle darstellt, die halt in dieser Gesellschaft sich befinden und auch Teil dessen zu sein, gerade im Hinblick auch so die jüngeren Menschen, weil nur dann kann ich, glaube ich, Dinge konsequent auch einfordern, die dann nötig sind, und einfach Menschen, die halt da sind, auch wirklich als diesen Teil anzunehmen. Und die Ansprache von der jungen Frau hat ja eben auch gezeigt, es gibt so viele, die sich eigentlich diese Frage nie gestellt haben, die sich eigentlich hier zu Hause gefühlt haben und mittlerweile tatsächlich nicht mehr wissen: Will oder kann ich hier noch leben?
Meyer: Fremdenfeindlichkeit bei der Polizei und die Gedenkfeier für die Opfer der Rechtsextremisten. Ganz herzlichen Dank an Murat Topal, Kabarettist und Ex-Polizist! Und sie bitten wir, die schlechte Qualität der Telefonleitungen zu entschuldigen, wir haben Murat Topal nur unterwegs erreichen können.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.