Ein Sound wie in einer Geisterbahn

Von Christian Gampert |
Der kanadische Künstler Geoffrey Farmer zieht sein Publikum magisch an. Auf der Documenta im letzten Jahr standen die Besucher Schlange, um sein Werk zu sehen. Seine neue Installation beschäftigt sich wieder mit Amerika - dieses Mal mit der Musiklegende Frank Zappa.
Wenn man das Züricher Migros-Museum betritt, wabert schon ein bedrohlicher Sound wie in einer Geisterbahn. Und es erwarten einen im Halbdunkel viele skurrile, computergesteuert bewegliche, zum Teil leuchtende Objekte, die der Künstler Geoffrey Farmer in lockerer Reihenfolge auf eine lange Planke montiert hat: Löwenköpfe, Koffer, Kürbisse, ein voluminöser Wurm, aus dessen Körper Sound dröhnt, Palmwedel, eine Leiter mit einem Schirm, dann, weiter hinten, ein ganzer Wald von Figuren, die zum Teil kalkweiß sind; dann wieder eine Grünfläche mit floralen Elementen, schließlich eine Art Strand mit einer Muschel voller Glühbirnen und am Schluss ein riesiger Stein, als wäre ein Meteorit im Museum eingeschlagen.

Im Beisein des Publikums nimmt Geoffrey Farmer die Fein-Justierung vor, probiert am Computer verschiedene Klangschleifen aus, verändert Einzelheiten: gestern war die große Wächterfigur des Löwen noch unversehrt, jetzt hat er eine abgehackte Pfote. Der Künstler selber will vor dem Mikrofon nicht sprechen. Dafür aber die Kuratorin Heike Munder, umtost von Sound:

"Das sind verschiedene Lebensstationen von Zappa, die hier diskutiert werden. Das fängt hier bei den Löwen an, das ist sozusagen die Geburt, das ist wie das mythische Eingangs-Tor, und endet dann ganz hinten bei dem großen dunklen Stein mit der Skulptur oben drauf, das ist dann der Tod…"

In der Tat bezieht sich Farmer auf das Leben des amerikanischen Musikers Frank Zappa, von dem auch der Titel stammt: "Lets make the water turn black" ist ein Zappa-Stück. Die Wächterfiguren der Löwenköpfe klappen tatsächlich auf wie eine weibliche Scham, und der Stein hat natürlich mit dem Rockn’Roll zu tun, ist aber auch ein Schlussstein, ein Endpunkt. Geoffrey Farmer will nichts nacherzählen, er legt verschiedene Bedeutungs-Ebenen übereinander, und das Publikum muss sich seine eigenen Assoziationsketten bilden. Und das tut es auch.

"Mich hats angemutet, als ob‘s eine Reise wär in die Vergangenheit. Ins Altertum zu den alten Ägyptern und zu den Asiaten."

"Diese animierten kinetischen Figuren, Bricolage mit Alltags-Elementen - ich fand auch, es hat was Absurdes, Dadaistisches. Diese eingepflockten Eiscreme-Löffelchen… also aus verschiedensten Ebenen des Alltags, der Hochkultur, des Zufalls… ja, das ist ein Sammelsurium des Lebens!"

"Sammelsurium des Lebens" klingt ja irgendwie auch beliebig, und so mutet die Installation manchmal auch an. Andererseits ist das Publikum schon beim Aufbau fasziniert von diesem theatralischen Parcours, der auch musikalisch ein paar Rätsel aufgibt. Aber sie lösen sich relativ bald wieder auf. Es gibt in Geoffrey Farmers Computer, sagt die Kuratorin Heike Munder, drei verschiedene Klang-Bibliotheke. Die eine ist gesampelt und enthält Geräusche, die anderen Musik.

"Drei verschiedene Klangbibliotheken… die dritte, das sind vor allem Referenzsysteme, die für ihn wichtig sind. Und eines der Referenzsysteme ist zum Beispiel die Punk-Autorin Kathy Acker, die später aus dem Wurm sprechen wird…"

Rein akustisch wird die Lebens-Bahn von Frank Zappa nachvollzogen: von 1940 bis 1993. Typische Musikstücke und Sounds aus diesem Zeitraum werden übereinandergeschichtet. Die benutzte Musik reicht von den amerikanischen Tanzorchestern der 40er Jahre über die Musique Concrète bis in die Gegenwart. Es ist wenig bekannt, dass Frank Zappa neben der Pop-Musik, die er sowieso ironisierte, auch klassische Komposition studiert hat, bei Edgar Varese. Diese neue Musik ist in der Installation von Geoffrey Farmer ständig drohend präsent, vor allem die Geräuschmusik von John Cage.

Per Computer werden nun verschiedene Abfolgen programmiert: Der Tag im Museum beginnt mit den 1940er Jahren, und der Soundteppich entwickelt sich dann weiter in Richtung Gegenwart - und bricht (abends) in Zappas Todesjahr 1993 ab. Zwischendrin werden auch nach dem Zufallsprinzip Stücke eingespielt. Insgesamt ergibt sich ein eher düsterer Klangraum, zu dem sich Geoffrey Farmers Objekte auf den Planken mechanisch drehen oder aufrichten. Auffallend vor allem die vielen fraktionierten Körperteile…

Manches ist aus Pappmaché und stammt, als Requisit, aus der Filmindustrie, anderes hat Farmer selber gefertigt. Das changiert also zwischen Ready Made und Pop Art, in der mechanischen Bewegung ist der Schweizer Jean Tinguely präsent, und die Maskenhaftigkeit der rotierenden Figuren erinnert auch an Oskar Schlemmers "Triadisches Ballett". Oder auch an die Sesamstraße, wenn man’s eine Schublade tiefer haben will. Das Publikum jedenfalls findet’s spannend - und möchte wiederkommen.

"Ich hätte gern noch näher rangewollt Es gibt zu viele Abschrankungen, das ist schade. Ich wär gern noch mehr involviert und hätte gewusst: Was machen die da? Das ist eine tolle Werkstatt-Atmosphäre..."