Ein Sommer, der alles verändert

03.07.2012
Sommerzeit ist Lesezeit - und Liebeszeit. Wenn nicht im wirklichen Leben, so doch zumindest in der Literatur. In ihrem neuen Jugendroman schreibt die US-Autorin Beth Kephart über die Liebe zu den Eltern, die Trauer nach deren Tod und die Geister in unserem Kopf: die Erinnerungen.
Es geht in Beth Kepharts neuem Jugendbuch, um Liebe und um Geister. Um die Liebe zu den Eltern, aber auch um die große Liebe und um die "Geister" der Verstorbenen in unserem Kopf und unserem Herzen: um Erinnerungen.

Die 16-jährige Katie hat ihre Mutter durch Krebs verloren. Sie und ihr Vater wurschteln sich mehr schlecht als recht durch den Alltag. Gegen den Schmerz der Erinnerung kämpfen sie mit einer Überdosis Arbeit an. Katies Vater vergräbt sich in seinem Restauratoren-Atelier, Katie gräbt derweil bei einem Ferienjob den grandiosen Park der alten Miss Martine um. So weit, so realistisch und symbolisch zugleich.

Doch dann tauchen immer mehr Fragen und Zufälle auf. Irgendetwas stimmt nicht mit dem großen Park, dem alten Haus und seiner Bewohnerin. Warum wurde die alte Miss Martine seit über 50 Jahren nicht mehr gesehen? Was hat es mit dem vergrabenen Koffer im Park auf sich oder mit dem geheimnisvollen Bild, das der Vater restaurieren soll? Und was besagen die Dokumente aus dem anonymen Nachlass in der Bibliothek? Aus der berührenden Trauergeschichte wird ein Puzzle aus vielen Rätseln und ein Liebesroman, der auf zwei Zeitebenen spielt.

Das klingt nach einer wilden Mischung aus Themen und Tönen. Doch Beth Kephart hat ihre kleine Sommergeschichte gut im Griff. Das liegt vor allem daran, dass Katie selbst erzählt, was sie in diesen heißen Ferienwochen erlebt. Sie ist ein ebenso intelligentes wie sensibles Mädchen, mit direkter Anrede und pfiffigen Dialogen zieht sie den Leser hinein in ihren Alltag. Sie fasst ihre Emotionen in kreative Bilder und erzählt in einem eher trockenen, spröden Ton von ihren glücklichen Erinnerungen an die Mutter. Obwohl sie manchmal kaum atmen kann vor Schmerz, verfällt sie nie in Pathos oder Rührseligkeit. Auch ihr wachsendes Interesse am Arbeitskumpel Danny kommt eher zart und zögernd daher.

Die Figuren um Katie herum sind knapp und kräftig gezeichnet: Ihr Vater, ein schräger Sonderling, der sich sehr tapfer hält. Der alte Gärtner, die elegante Bibliothekarin oder der hyperaktive kleine Junge von nebenan überzeugen. Protagonisten sind aber auch der herrliche alter Park und der liebevoll gestaltete Garten von Katies Mutter. Blühende Blumen, knorrige Bäume, das Morgenlicht auf dem Tau, das Rauschen des Regens in den Blättern - "Nichts als Liebe" ist auch eine gar nicht kitschige Liebeserklärung an den Sommer, den Garten und die Natur.

Wenn am Schluss allerdings alle Beteiligten einträchtig zusammen essen und alles besser wird, dann ist dieses Stelldichein recht weit her geholt. Was bleibt, ist der Eindruck von einem tapferen jungen Mädchen, das sich nach dem Tod der Mutter seinen Erinnerungen stellt und in der guten Beziehung zum Vater, in Freundschaften und in der Natur Trost findet. Und von einem etwas unmotivierten, aber spannenden Rätsel aus der Vergangenheit, das die traurige Ausgangssituation mit Krimi-Elementen mischt und zu einem gut lesbaren Sommer-Schmöker auflockert.

Besprochen von Sylvia Schwab

Beth Kephart: Nichts als Liebe
Aus dem Englischen von Cornelia Stoll
dtv, München 2012
192 Seiten, 8,95 Euro