Ein Seufzer unter Apfelbäumen
Im Mai bringt das Wiener Burgtheater ein Stück von Peter Handke zur Uraufführung, "Die schönen Tage von Aranjuez". Den Text kann man schon jetzt lesen. Er handelt von der unerfüllten Sehnsucht einer Frau, die ihre sexuelle Biografie offenbart.
Es ist Sommer, sie sitzen im Garten und reden: Eine Frau erzählt einem Mann ihre erotische Biografie. Mehr passiert nicht in dem neuen Stück von Peter Handke. Aber in Handkes Stücken passiert nie viel; es geht meistens in irgendeiner Weise um die dramatische Darstellung von Kommunikation, mit sparsamen Gesten und einer Sprache, die wie eine eigenständige Figur auf die Bühne gebracht wird.
Zur Not geht es aber auch ohne die gesprochene Sprache, wie Handke in seinem wortlosen Stück "Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten" eindrucksvoll gezeigt hat: da reicht das, was die Körper mitteilen und verweigern.
Auch in diesem "Sommerdialog" geht es um ein Nicht-Verstehen. Doch die Spannung des kleinen Dramas beruht auf der Möglichkeit, sogar der Absicht des Doch-Verstehens. Das kann, wie im wahren Leben auch, zur Farce und Tragödie in einem werden.
Handke lässt seine beiden Figuren agieren wie in einem Spiel mit vorher festgelegten Regeln, das nicht von ungefähr an eine erotische Inszenierung erinnert. Inszeniert wird aber nicht ein Spiel der Körper, sondern ein Ritual der intimen Mitteilungen, der Preisgabe erotischer Erfahrung. Keine Aktion, nur Dialog, keine einfachen Antworten mit nur ja oder nein, keine Zahlen, so haben sie es verabredet.
Doch Handke ist, bei all seiner Sprachverliebtheit und verbalen Ausführlichkeit, immer auch Spezialist für das nur implizit Gesagte. Die Verständigung dieses Paares, das sich anscheinend spät im Leben gefunden hat, geschieht auch nicht vornehmlich in Worten, sondern durch die gemeinsame Zurückgezogenheit. Sobald Geräusche der Außenwelt - Motoren, Sirenen, Liedfetzen, Stimmen - zu ihnen dringen, verliert sich diese zerbrechliche Zweisamkeit - oder, um näher am Gefühlspessimisten Handke zu bleiben, dieser Zweisamkeitsversuch.
Neben einer Studie in Sachen verfehlter Liebeskommunikation bietet der zwischengeschlechtliche Dialog auch eine sehr große Portion Sozialgeschichte: Die Frau, die dem Mal mehr und mal weniger zugewandten Mann von ihren Paarungen erzählt, reflektiert darin ihre Zugehörigkeit zur ersten Frauengeneration, die Sex als Mittel der Revolte einsetzte, Männer nicht mehr als Versorger brauchte und teilweise als Feinde wahrnahm.
Ihre Bilanz ist die einer unerfüllten Sehnsucht, versteckt in Zitaten von Tennessee Williams. Der Mann, ihr Gegenüber, wird diese Sehnsucht kaum erfüllen. In ausweichender Hilflosigkeit schildert er Naturerlebnisse und verballhornt Klassiker - von Goethe bis Antonio Machado - zu intellektuellen Kalauern wie diesem: "Zu einem Leib und einer Seele wird die Zeit, und jedes A und O japst nach der Ewigkeit."
Bildung ist die Klaviatur, auf der beide zur Not immer spielen können: gemeinsam, aber nicht unbedingt harmonisch. Schon der Titel des Stückes zitiert ja die ersten Worte aus Schillers "Don Karlos", deren die Fortsetzung lautet: "Wir sind vergebens hier gewesen."
Handkes neues Stück ist ein formvollendeter, müder und ironischer Seufzer unter Apfelbäumen.
Besprochen von Katharina Döbler
Peter Handke: Die schönen Tage von Aranjuez
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
70 Seiten, 12,99 Euro
Zur Not geht es aber auch ohne die gesprochene Sprache, wie Handke in seinem wortlosen Stück "Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten" eindrucksvoll gezeigt hat: da reicht das, was die Körper mitteilen und verweigern.
Auch in diesem "Sommerdialog" geht es um ein Nicht-Verstehen. Doch die Spannung des kleinen Dramas beruht auf der Möglichkeit, sogar der Absicht des Doch-Verstehens. Das kann, wie im wahren Leben auch, zur Farce und Tragödie in einem werden.
Handke lässt seine beiden Figuren agieren wie in einem Spiel mit vorher festgelegten Regeln, das nicht von ungefähr an eine erotische Inszenierung erinnert. Inszeniert wird aber nicht ein Spiel der Körper, sondern ein Ritual der intimen Mitteilungen, der Preisgabe erotischer Erfahrung. Keine Aktion, nur Dialog, keine einfachen Antworten mit nur ja oder nein, keine Zahlen, so haben sie es verabredet.
Doch Handke ist, bei all seiner Sprachverliebtheit und verbalen Ausführlichkeit, immer auch Spezialist für das nur implizit Gesagte. Die Verständigung dieses Paares, das sich anscheinend spät im Leben gefunden hat, geschieht auch nicht vornehmlich in Worten, sondern durch die gemeinsame Zurückgezogenheit. Sobald Geräusche der Außenwelt - Motoren, Sirenen, Liedfetzen, Stimmen - zu ihnen dringen, verliert sich diese zerbrechliche Zweisamkeit - oder, um näher am Gefühlspessimisten Handke zu bleiben, dieser Zweisamkeitsversuch.
Neben einer Studie in Sachen verfehlter Liebeskommunikation bietet der zwischengeschlechtliche Dialog auch eine sehr große Portion Sozialgeschichte: Die Frau, die dem Mal mehr und mal weniger zugewandten Mann von ihren Paarungen erzählt, reflektiert darin ihre Zugehörigkeit zur ersten Frauengeneration, die Sex als Mittel der Revolte einsetzte, Männer nicht mehr als Versorger brauchte und teilweise als Feinde wahrnahm.
Ihre Bilanz ist die einer unerfüllten Sehnsucht, versteckt in Zitaten von Tennessee Williams. Der Mann, ihr Gegenüber, wird diese Sehnsucht kaum erfüllen. In ausweichender Hilflosigkeit schildert er Naturerlebnisse und verballhornt Klassiker - von Goethe bis Antonio Machado - zu intellektuellen Kalauern wie diesem: "Zu einem Leib und einer Seele wird die Zeit, und jedes A und O japst nach der Ewigkeit."
Bildung ist die Klaviatur, auf der beide zur Not immer spielen können: gemeinsam, aber nicht unbedingt harmonisch. Schon der Titel des Stückes zitiert ja die ersten Worte aus Schillers "Don Karlos", deren die Fortsetzung lautet: "Wir sind vergebens hier gewesen."
Handkes neues Stück ist ein formvollendeter, müder und ironischer Seufzer unter Apfelbäumen.
Besprochen von Katharina Döbler
Peter Handke: Die schönen Tage von Aranjuez
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
70 Seiten, 12,99 Euro