Ein schwieriges Vater-Sohn-Verhältnis

21.04.2008
Die konfliktbeladenen Beziehungen in der Familie Mann bieten immer noch Stoff für Literatur: In "Eine Art Verrat" verarbeitet Karl Heinz Bittel den Dauerclinch zwischen Thomas Mann und seinem rebellischen Sohn Klaus. Keine neuen Fakten bietet der Roman, aber zugespitzte Erkenntnisse über menschliches Verhalten in Zeiten der Tyrannei.
Im Jahr 1926 erschien Thomas Manns Novelle "Unordnung und frühes Leid", in der er kaum verschlüsselt die eigenen Familienverhältnisse, seine Beziehung zu seinen sechs Kindern, zumal die überaus problematische Beziehung zu seinem ältesten Sohn Klaus, darstellt. In der Novelle hat der abfällig beschriebene Sohn den Namen Bert. Ebenso heißt auch einer der beiden Hauptprotagonisten des dokumentarischen Romans "Eine Art Verrat" von Karl Heinz Bittel.

Auch dieser Roman ist kaum verschlüsselt. Die Erzählung orientiert sich an historischen Fakten, Zeiten und Realien und an den Zeugnissen, die über die Charaktere von Thomas und Klaus Mann Auskunft geben, an deren Tagebüchern und literarischen Produkten. Fiktiv ist lediglich die Darstellungsweise. "Eine Art Verrat" ist somit ein Paradebeispiel für die derzeit auf dem Buchmarkt überaus erfolgreiche literarische Form des Dokuromans, einem Zwilling des gleichermaßen beliebten Dokufernsehspiels.

Im Zentrum des Romans stehen die menschlichen und politischen Spannungen zwischen dem Nobelpreis-träger Thomas Mann und seinem Sohn Klaus Mann. Zwischen "Cornelius", dem ruhmreichen vermögenden, etablierte Bürgerlichkeit repräsentierenden Vater und "Bert", dem mittellosen, drogenabhängigen, um Anerkennung kämpfenden Sohn, der ein flatterhaftes Dasein in der europäischen Bohemeszene führt, seine Homosexualität offen auslebt und als längst erwachsener Mann von der finanziellen Unterstützung des Elternhauses abhängig ist.

Der zeitliche Rahmen von Bittels Roman ist die Exilzeit der Familie Mann von 1933 bis 1945. Der Konflikt zwischen Vater und Sohn eskaliert, als Cornelius sein Versprechen bricht, die von Bert herausgegebene Exilzeitschrift "Die Sendung" (die in der Realität den Namen "Sammlung" hatte) mit Beiträgen und seinem glänzenden Namen zu unterstützen.

Cornelius alias Thomas Mann distanziert sich sogar in einer öffentlichen Erklärung von dem Projekt des Sohnes. Dieser wiederum macht öffentlich keinen Hehl heraus, dass er die politische Haltung des Vaters, der zögert, den Kontakt zum renommierten deutschen S. Fischer Verlag abzubrechen und seine Bücher bei dem kleinen holländischen Exilverlag Querido heraus zu bringen, tief verurteilt.

"Eine Art Verrat" fügt den bekannten Fakten nichts Neues hinzu. Aber in seiner dramatisierenden Erzählform gelingt es ihm, eine für das 20. Jahrhundert wesentliche Erkenntnis zuzuspitzen: Die menschliche Vergröberung in Zeiten politischer Tyrannei.

Rezensiert von Ursula März

Karl Heinz Bittel: Eine Art Verrat
Roman, Osburg Verlag, Berlin 2008
304 Seiten, 19,90 Euro